Nun kommt man als Mutter um Bewegung ja schlecht drum herum. Man rennt dem einen schnupfnasigen Spross mit dem Taschentuch hinterher oder dem anderen, weil er es gerade total lustig findet, statt sich anzuziehen, mit Mama „Fang mich doch, du Eierloch“ zu spielen, während diese gehetzt auf die Uhr schaut, weil man (frau) mal wieder zu spät zum Kinderturnen dran ist.
Kinderturnen ist dann gleich die nächste Bewegungsinstanz. Man sollte meinen, dass dort in erster Linie die Kinder turnen. Im Fall des Großkindes renne jedoch ich durch die Turnhalle und versuche, meinen Sohn dazu zu animieren, sich ebenfalls zu bewegen. Der steht mit schiefgelegtem Kopf unter den Basketballkörben und fragt sich vermutlich, was zum Teufel er eigentlich bei diesem bescheuerten Kinderturnen soll, wo er jetzt doch lieber Duplo bauen will (es könnte eventuell sein, dass das Kind nach mir gerät).Das sind aber alles Bewegungen, mit denen ich gerade noch zurechtkomme, da sie keiner weiteren Koordinationsfähigkeit bedürfen. Die Herausforderung für mich und das Amüsement für die anderen beginnt erst bei sportähnlichen Veranstaltungen, bei denen es bestimmte Schrittfolgen zu beachten gilt. Als erste Hürde des Müttersportprogramms erweist sich die Rückbildungsgymnastik. Jetzt kann man Glück haben und eine Hebamme bekommen, die zwei Stunden lang ausschließlich dazu animiert, den Beckenboden anzuspannen (wobei keiner mir nachweisen kann, ob ich stattdessen nicht lieber ein bisschen entspannt vor mich hin träume und die kinderfreie Zeit genieße). Oder man erwischt einen weiblichen Drill Instructor, die nicht nur Wert darauf legt, dass man die eingerosteten Haxen schwingt sondern auch noch darauf achtet, dies nach einer bestimmten Choreographie zu tun. Da es sich um Rückbildungsgymnastik handelt, bei der alles noch etwas gemächlicher zugeht und nicht etwa um einen Zumba-Kurs, habe ich Glück und schaffe es gerade noch so, die richtigen Beinschrittfolgen einzuhalten. Meistens jedenfalls. Richtig peinlich wird es erst, wenn noch Armbewegungen dazu kommen. Arme und Beine gleichzeitig, das geht nun wirklich nicht! Und so bin ich froh, dass mein Gesicht sowieso schon rot vor Anstrengung ist, denn genau diese Farbe würde es sonst wohl annehmen, wenn mir klar wird, wie wenig elegant es vermutlich aussieht, wenn alle ihre Arme von oben nach unten schwingend einen Schritt nach vorn machen, während ich einen zur Seite mache und dabei meine Hände ineinander verknote. Da ich aber nicht bloß Mobilostheniker sondern ganz offensichtlich auch noch Masochist bin, habe ich jetzt auch noch mit dem sogenannten Kanga-Training begonnen. Die Frage hier ist nicht: Mann oder Maus sondern Frau oder Känguru. Müttersport deluxe. Hierbei wird das Baby in eine geeignete Tragehilfe gestopft und das Muttertier hüpft wie das oben genannte Tier mit dem Nachwuchs im Beutel durch die Sporthalle. Wieso ich mir das antue? Weil in meinem Kleiderschrank gefühlt dreißig Hosen liegen, die irgendwann einmal gepasst haben. Und in einer fernen Zukunftsphantasie auch wieder passen sollen. Also schleppe ich das Winzkind zum Känguru-Sport, in dem Wissen, dass ich mich eigentlich nur blamieren kann. Es geht los und ich bin dezent überfordert. Obwohl ich - im Gegensatz zur Bewegung - für die englische Sprache eine gewisse Affinität aufweise, verwirren mich die englischen Anweisungen gleich zu Beginn. Double Step Touch links, vier Mal Front Kick Back vor und zurück oder wie hieß das noch gleich? Wer möchte, darf gern die Arme dazu nehmen. Mir entweicht ein hysterisches Kichern, ich bin froh, wenn ich es schaffe, nicht mit meiner Nachbarin zusammen zu stoßen, weil sie gerade doppelt nach rechts läuft, während ich einen Einzelschritt nach links mache. Zu allem Überfluss ist der ganze Raum auch noch verspiegelt, sodass ich mir das Elend live und in Farbe von allen Seiten betrachten kann. Ich sehe noch ungelenker aus, als ich befürchtet hatte. Hinzu kommt meine ausgeprägte Konditionsschwäche. Ich japse bereits nach den Aufwärmübungen so dermaßen, dass ich überlege, ob es angebracht wäre, mir eine Flasche Wasser zur Erfrischung über den Kopf zu kippen. Machen Sportler doch so und ich fühle mich zu diesem Zeitpunkt sehr sportlich. Zu dumm nur, dass das Hauptprogramm erst im Anschluss daran startet. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass ich danach ein Sauerstoffzelt benötige. Die meisten Mütter um mich herum gehören eher zur Kategorie ehemalige Balletttänzerinnen und springen grazil über den Hallenboden.„Noch zehn, neun, acht …!“ Eins, eins, eins! Oh bitte, lass es endlich der letzte Schritt sein.„Eins!“Yeah!„Und jetzt das Ganze nochmal von vorn.“ Verdammt! „Jetzt den Cha Cha Schritt.“ Okay! Ich habe endgültig den Faden verloren. Ich war nämlich nicht in der Tanzschule und kann weder Cha Cha (Cha?) tanzen noch Walzer noch sonst irgendwas. Das Winzkind in meinem Mei Tai (nicht zu verwechseln mit dem Cocktail, der heißt Mai Tai) guckt mich aus großen Augen von unten an und erträgt geduldig, dass ich ihn vollschwitze. Am Ende der Stunde schläft er, ich habe eine Flasche Wasser vernichtet und sehe aus, als wäre ich mindestens einen Marathon gelaufen. Nächste Woche gehe ich übrigens trotzdem wieder hin. Denn das Schöne ist, dass ich, obwohl ich an blamabler Mobilosthenie leide, Spaß an diesem ganzen Bewegungsquatsch habe. Und da ich über das Teenageralter hinaus bin, und es mir egal ist, ob ich ein bisschen dabei aussehe wie ein Pinguin auf dem Trockenen, halte ich es ganz wie Phoebe in der Serie Friends und zappele einfach los!
Ich bin ja Mobilostheniker. Haben Sie das etwa noch nie gehört? Das ist gut möglich, wenn nicht sogar sehr wahrscheinlich. Das habe ich nämlich erfunden. Für den Mobilostheniker oder in meinem Fall die Mobilostenikerin ist Bewegung, was für den Legastheniker die Buchstaben sind. Wir verstehen uns einfach nicht. https://www.youtube.com/watch?v=E_0Ta_DIWuU