Mütter die Hosenanzüge tragen – eine Replik

Lieber Franz-Josef Wagner,

dass Sie ihre Kolumne jeden Tag irgendwie füllen müssen – geschenkt. Und, dass Ihre Weltsicht recht schlicht ist, ist auch eher so Allgemeingut. Eigentlich sollte man den reaktionären Mist, den Sie da zu Papier gebracht haben, nicht durch Aufmerksamkeit aufwerten. Aber es ist andererseits ein gesellschaftliches Thema mit dem wir uns beschäftigen sollten. Daher möchte ich Ihnen antworten.

Ich habs immer gewusst. Zu wenig Kinder haben wir wegen der Frauen, die Hosenanzüge tragen. Siehe von der Leyen. https://t.co/hrKwYatymX

— Alex (@Papaleaks) 23. Juli 2015

Sie suchen die Schuld für die niedrige Geburtenrate beim Zeitgeist. Das ist so schön Abstrakt, ein toller Einstieg. Dem Zeitgeist kann man die Schuld für alles geben. Niedrige Geburtenrate – Zeitgeist. Umweltverpestende SUVs die unsere Straßen verstopfen – Zeitgeist. Nicht genug Kinderbetreuungsmöglichkeiten – Zeitgeist. Eine Gesellschaft in der Kinder auch mal als Immonbilienrendite vernichtender Störfaktor betrachtet werden – Zeitgeist. FJW schreibt eine diskriminierende Kolumne – Zeitgeist. Echt Praktisch so’n Zeitgeist. Ich finde, jeder sollte einen haben.

Aber weiter im Text. Sie suchen die Schuld allen Ernstes bei den Müttern. Die Karriere machen (Zeitgeist) und Hosenanzüge tragen (Zeitgeist) und nennen als Beispiel Ursula von der Leyen. Nun kann man von Flinten-Uschi halten was man will. Und ich halte von Frau von der Leyen so rein gar nichts. Nichts desto trotz haben sie und ihr Mann sieben Kindern das Leben geschenkt. Taugt irgendwie gar nicht als Beispiel für eine niedrige Geburtenrate, oder?

Welchen Zeitgeist wünschen Sie sich denn für die Bundesrepublik? Dass Männer heute ihren Frauen wieder verbieten dürfen zu arbeiten – wie noch in den 50ern? Mütter an den Herd und Männer an den Stammtisch?

Eigentlich möchte ich Sie gar nicht mit einer differenzierten Betrachtung überfordern. Dass nämlich die allermeisten Frauen – wie Männer übrigens auch – gar keine Wahlfreiheit haben. Dass sie Arbeiten müssen um zu überleben. Viel Platz für Selbstverwirklichung durch Arbeit und Karriere ist da nicht. Wie gesagt, viel zu differenziert. Deshalb lassen wir das gleich wieder.

Sie schreiben, schuld seien Mütter, die mehr verdienten als ihre Männer und Männer die in Teilzeit gehen.

Mit Verlaub, haben Sie noch alle Latten am Zaun? Die Frauen, die mehr verdienen als ihre Männer sind eher eine statistische Randerscheinung. Die Realität – derer Sie sich konsequent und erfolgreich verweigern – spricht eine ganz andere Sprache. Es gäbe mannigfaltige Möglichkeiten für jemanden wie Sie, diese Problematik in einem reichweitenstarken Blatt wie der BILD zu skandalisieren und mit dafür zu sorgen, dass sich das endlich ändert. Aber … ach herrje.

Und das Männer heute in Teilzeit gehen können um mehr Zeit ihrer Familie zu widmen, betrachte ich als Errungenschaft der Moderne. Männer dürfen heute mehr sein, als Ernährer und Wochenend-Daddies. Ich weiß, der Zeitgeist.

Sollten wir Männer uns nicht darüber freuen, dass wir endlich auch gesellschaftlich mehr sein dürfen? Dass manche von uns zwar immer noch schief angeschaut werden, wenn sie sagen, sie seien in Elternzeit – aber das langsam doch eher zur Normalität wird.

Aber vielleicht könnten Sie doch noch etwas weiter ausführen, warum gerade das Faktum, dass Väter heute die Möglichkeit haben, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und am Familienalltag (inkl. des Haushaltes) teilzuhaben, zu weniger Kindern führen sollte? Kausal betrachtet ist Ihr Argument genau keines, denn die Anzahl der Geburten sank schon, da gab es noch gar keine Teilzeit für Väter.

Entschuldigung, ich schweife ab und belästige Sie mit Logik. Nichts läge mir ferner. Daher weiter im Text.

Sie behaupten allen ernstes Mütter seien keine Mütter mehr, weil sie Smoothies trinken und sich im Fitnesscenter das Fett abtrainieren. Ob der logischen Brüche in Ihrer Argumentation möchte ich in eine Tischkante beißen. Und Sie danach für dieses diskriminierende Scheiße ohrfeigen – links und rechts. Welch schlichter Geist muss man sein, um die Schuld für weniger Kinder bei Smoothie trinkenden Müttern zu suchen. Herrje.

Und die Mütter seien nicht da, wenn das Kind in der Nacht Angst vor Blitz und Donner hat? Und sie seien nicht da, um ihre Kinder zuzudecken und in den Schlaf zu singen? Wahrscheinlich weil sie gerade besseres zu tun haben. Einen Smoothie trinken während sie sich im Hosenanzug das Fett im Fitnesscenter weg trainieren und über den Zeitgeist nachdenken – nach einem anstrengenden Tag als Chefredakteurin.

Ehrlich, ich weiß gar nicht, was ich auf diesen Mist noch schreiben soll, außer, dass ich Sie bitte, nein, ich flehe Sie an, zukünftig die Feder von diesen Themen zu lassen. Schreiben Sie doch besser über das Wetter. Oder gehen Sie in Rente. Aber verschonen Sie uns mit diesem geistigen und frauenfeindlichen Dünnpfiff. Die Republik hat wahrlich in der Familienpolitik wichtigere Fragen zu klären.

Hochachtungsvoll, Papaleaks

PS: Meine Frau deckt unsere Tochter Nachts eher selten zu. Und sie singt sie auch nur manchmal in den Schlaf. Auch wenn Sie das erschüttern mag – das liegt nicht daran, dass sie Karriere macht oder Hosenanzüge trägt, sondern einfach daran, dass mein Kind von mir ins Bett gebracht werden möchte. Und ich es liebe sie in den Schlaf zu begleiten.

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