Mathieu Amalric stürzt sich in “Huhn mit Pflaumen” von einer Klippe.
Das Jahr 2012 hat sich verabschiedet. Zahlreiche Rückblicke und Vorschauen auf das kommende Kinoprogramm machen nicht nur in den Printmedien à la epd film, film-dienst, Cinema etc. ihre Runden, sondern auch das Netz strotzt nur so vor den persönlichen High- und Lowlights diverser filmbegeisterter Menschen. filmtogo.net beweist nicht nur dadurch Mut zur Lücke, dass wir das Jahr 2012 nicht Revue passieren lassen und auch nicht auf die Filmereignisse schauen, die ihre Schatten für 2013 voraus werfen. Wir beweisen Mut zur Lücke auch dadurch, dass wir die fünf Filme nennen, die wir im vergangenen Jahr schlichtweg verpasst haben. Filme, die gerne gesehen worden wären – aber nicht sind. Ohne Ausrede, ohne Ausflüchte, ohne Grund, nur mit viel Demut und Reue sind folgende fünf Titel des Jahres 2012 auf unserer DVD-Kaufliste gelandet, weil der Kinogang verpasst wurde.
Huhn mit Pflaumen (Vincent Paronnaud & Marjane Satrapi)
Marjane Satrapi haben wir den 2007er Zeichentrickfilm “Persepolis” zu verdanken. Schon alleine deswegen wollte filmtogo.net ihren Realfilm “Huhn mit Pflaumen” sehen. Mathieu Amalric, Gegenspieler von James Bond in „Ein Quantum Trost“, spielt sich hier durch farbenfrohe Fantasievorstellungen und morbide Selbstmordgedanken, da seine Filmehefrau die geliebte Geige zerstört und er sich ein Leben ohne sein Musikinstrument nicht mehr vorzustellen vermag. Bereits 2004 kam die entsprechende Graphic Novel auf den Markt. Unter dem Originaltitel „Poulet aux prunes“ versteht man ein iranisches Nationalgericht, in der Vorlage wie auch im Film die Leibspeise des Protagonisten.
Kriegerin (David Wnendt)
Ein Film über den Ein- und Ausstieg in die deutsche Neonazi-Szene. Während die 20-jährige Marisa sich langsam von ihren rechtsextremistischen Freunden entfernt, findet ihre Bekannte Svenja immer mehr Anschluss bei eben derselben Clique. Nicht nur im Filmtrailer zu „Kriegerin“ wird David Wnendts Film als eine der besten Produktionen Deutschlands angepriesen, auch diverse Filmauszeichnungen fanden ihren Weg in die Hände des Regisseurs wie auch der Hauptdarstellerin Alina Levshin, darunter der Deutsche Filmpreis 2012 (für Levshin als beste Hauptdarstellerin, für Wnendts Drehbuch und für „Kriegerin“ als besten Spielfilm) und der Bambi 2012, ebenfalls für die Hauptdarstellerin und ihr Schauspiel.
Alpen (Giorgos Lanthimos)
Beim Ansehen von Regisseur Lanthimos’ Film “Dogtooth” kam bereits verstörend irritiertes Unbehagen auf. Es folgte der von ihm produzierte und von Athina Rachel Tsangari inszenierte „Attenberg“, der eben dieses Gefühl fortsetzte. Spätestens hier hat man in den Medien dann keinen Weg mehr am „jungen griechischen Kino“ vorbei gefunden, über das auf einmal überall berichtet wurde. „Alpen“, erneut von Lanthimos, hat sich hier eingliedern lassen, erzählt die skurrile Geschichte einer Krankenschwester, eines Rettungssanitäters, einer Kunstturnerin und ihres Trainers, die als „Die Alpen“-Gruppe in die Rollen von kürzlich verstorbenen Menschen schlüpfen und damit den hinterbliebenen Familien die Trauer erleichtern.
Woody Allen: A Documentary (Robert B. Weide)
Es war auf jeden Fall Woody Allens Jahr: Nicht nur dass ihm mit “Woody Allen: A Documentary” ein dokumentarisches Denkmal gesetzt wurde, auch sein Film “To Rome with Love” wie auch “Paris Manhattan” – über eine von Woody Allen besessene Apothekerin – finden sich in denselben Thematiken um den New Yorker Großstadtneurotiker wieder. Ein Woody Allen Triple-Feature, das leider verpasst wurde in seiner Gänze genossen zu werden. In dem Portrait von Robert B. Weide, 1999 für seine Doku „Lenny Bruce: Swear to tell the Truth“ mit einer Oscar-Nominierung belohnt, begleitete dieser Woody Allen über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren. Dabei ist zwar größtenteils vermutlich Lobhudelei bei heraus gekommen, dennoch ist Allen einer dieser Filmemacher, dem man so einiges Lob auch durchgehen lässt.
Holy Motors (Leos Carax)
Der erste Langfilm von Leos Carax seit seinem 1999er „Pola X“ und auch Sängerin Kylie Minogue hat man vermutlich noch nicht in einer solch ernsten Rolle gesehen, erinnert man sich an Auftritte wie in „Street Fighter – Die entscheidende Schlacht“ zurück. Denis Lavant spielt hier den Geschäftsmann Monsieur Oscar, der mit einer Limousine – nicht zu verwechseln mit Robert Pattinson in „Cosmopolis“ – durch Paris chauffiert wird und hier auf merkwürdig surreale Figuren trifft. Schon um einen Vergleich zu dem angesprochenen „Cosmopolis“ von David Cronenberg zu ziehen, wäre „Holy Motors“ ein interessanter Film für einen Kinobesuch gewesen.
Und noch einmal sei darauf verwiesen: Wie schön das es die DVD gibt. „Huhn mit Pflaumen“, „Kriegerin“ und„Woody Allen: A Documentary“ stehen bereits in den Läden, „Alpen“ erscheint Anfang Februar dieses Jahres und„Holy Motors“ gibt es derzeit erst nur als französischen Import. Wo hier nun die fünf Filme genannt wurde, um die filmtogo.net wirklich traurig ist, sie noch nicht gesehen zu haben – sowohl im Kinojahr 2012 verpasst, als auch noch nicht auf DVD nachgeholt – so gibt es natürlich auch versäumte Filme, um die man wenig trauert: „Jack und Jill“ mit Adam Sandler, ausgezeichnet mit allen Goldenen Himbeeren die es zu verleihen gibt, „Agent Ranjid rettet die Welt“, die deutsche Antwort – wir schämen uns – auf „Austin Powers“ mit Kaya Yanar in der Hauptrolle oder auch „Das Schwergewicht“ mit Kevin James, der seit dem Ende von „King of Queens“ nur noch in platten Komödien zu sehen ist, in denen seine Aufgabe darin besteht, möglichst schmerzhaft zu Boden zu gehen.