Ehrlich gesagt hab ich mir noch nie überlegt, was ein Muster tatsächlich ausmacht. Erst als ich begann Grafikdesign zu studieren, wurde die Frage interessant: was genau ist eigentlich ein Muster? In seinem Buch „Muster im Rapport“ erklärt Paul Jackson die Grundlagen so, dass seine Leser nicht Mathe oder Grafikdesign studiert haben müssen, um die eigentlich recht einfach umsetzbaren Regeln zu verstehen.
Wie schon in seinen Büchern „Von der Fläche zur Form“ und „Vom Entwurf zur Schachtel“ beginnt der Origami-, Papier- und Buchexperte mit einfachsten Konstruktionen. Bei „Muster im Rapport“ ist es das Wiederholungsmuster mit einem einzelnen Element. Die Kapitel bauen übrigens aufeinander auf, deshalb empfiehlt es sich, vorne anzufangen und Seite für Seite weiter zu gehen.
Nachdem Paul Jackson also Grundbegriffe wie Einzelelement, Motiv, Metamotiv, Symmetrieoperation, Zellen und Kacheln erklärt hat, gehts an die eigentliche Gestaltung. Die vier elementaren Symmetrieoperationen beruhen auf Drehung bzw. Rotation eines Elements, auf parallelem Verschieben eines Elements, auf Achsenspiegelung und Gleitspiegelung.
Diese standardisierten Begriffe klingen für manche schon abschreckend, aber keine Angst, es klingt erstens schlimmer als es ist, denn Paul Jackson erklärt so einfach wie möglich und zeigt zweitens zu jedem Schritt mindestens eine Abbildung, die sehr gut erkennbar macht, wie das Ganze aussieht.
Die Idee, für die Abbildungen Buchstaben zu nutzen, find ich super, weil sie ohne Ablenkung verdeutlichen, wie ein Element gespiegelt, gedreht und verschoben aussieht, und vor allem, zu welchen Symmetrien eine „Operation“ führt.
Neben den vier grundlegenden Symmetrieoptionen spielen bei der Gestaltung von Mustern verschiedene Winkel und Dimensionen eine wichtige Rolle, wie viele Operationen hintereinander erfolgen und wie Meta-Elemente – also bereits geclusterte Einzelelemente – angeordnet werden. All diese Operationen stellt Paul Jackson in den einzelnen Kapiteln vor.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint: die Gestaltungsoptionen für symmetrische Wiederholungsmuster sind begrenzt und damit überschaubar. Find ich ja immer irgendwie beruhigend!
Trotzdem ergeben sich aus diesen standardisierten Symmetrieoperationen unzählige Möglichkeiten, selbst kreative Muster zu entwerfen, egal, ob sie rein virtuell im Internet bleiben, in „Stein gemeißelt“ werden oder in Stoff- und Modekollektionen auftauchen.
Nahtlose Muster und so genannte Escher-Parktierungen sind die hohe Schule der Mustergestaltung und folgen entsprechend gegen Ende des Buches. Eine Gesamtübersicht über alle Symmetrieoperationen und ein Glossar runden das Arbeitsbuch ab.
Weil jede Theorie nur so gut wie der Praxistest ist, sind eigene Übungen absolut erwünscht – mit eigenen Muster-Experimenten macht das Buch gleich viel mehr Spaß. Mit Photoshop zum Beispiel lassen sich die einzelnen Schritte wunderbar leicht nachvollziehen. Spätestens, wenn wir den Buchdeckel zuklappen, wollen wir doch genau wissen, wie wir die Regeln brechen können, die wir gerade gelernt haben oder nicht?
Klar kommen Grafiker oft auch rein intuitiv zu ordentlichen Ergebnissen, aber ich finde, es schadet nichts, ein paar Grundlagen zu kennen. Gerade, wenn die Inspiration mal zu wünschen übrig lässt, sind standardisierte Vorgänge ganz gut, um wieder in den Flow zu kommen.
So gesehen ist Paul Jackson in Zusammenarbeit mit dem kompetenten und kreativen Haupt Verlag mal wieder ein hilfreiches Standardwerk gelungen, das komplexe Zusammenhänge mustergültig einfach und deutlich macht. Damit der eigenen Musterkollektion nichts mehr im Wege steht.
Paul Jackson „Muster im Rapport. Die Grundlagen für Design, Mode und Architektur.“, 160 Seiten durchgehend illustriert, Hardcover, 39 Euro 90, Haupt Verlag