Von Felix Günther in Basics, Fitness, Muskelaufbau, Sixpack · 9. August 2013 · 0 Kommentare
Muskelabbau nach langer Trainingspause
“Ach keine Sorge! Die Muskeln gehen schnell wieder drauf”. Diesen Satz hat wohl so ziemlich jeder besorgte Kraftsportler bereits einmal zu hören bekommen, wenn die mühsam antrainierte Muskelmasse nach einer langen Zwangspause nicht mehr beeindruckend, sondern eher niedlich wirkt.
Wer durch eine Verletzung zu einer langen Trainingspause gezwungen ist, oder aus anderen Gründen über einen längeren Zeitraum nicht trainieren kann, wird sehr schnell merken, dass Muskeln für den Körper einen absoluten Luxus darstellen und nur bei konsequenter und regelmäßiger Belastung erhalten bleiben! Bereits nach 6-8 Tagen Nichtbeanspruchung der Muskulatur beginnt der Körper damit, das in den Muskeln gebundene Wasser auszulösen und das muskuläre Protein zu verstoffwechseln. Zudem werden neue Fettdepots angelegt. Muskeln schwinden, Fett entsteht. Schlechter Deal.
Das geschieht aus folgendem Grund:
Der menschliche Körper strebt stets einen optimalen Energiehaushalt an, um aus möglichst wenig Nahrungs-Input die höchstmögliche Energie gewinnen zu können (Ein Überbleibsel der Evolution: Bei unzureichender Nahrungsversorgung war ein maximal effizienter Energiehaushalt überlebenswichtig. Weniger gut an Nahrungsmittelknappheit angepasste Lebewesen verhungerten und wurden auf natürliche Weise ausselektiert).
Mehr Muskeln brauchen eben mehr Energie
Ein Muskel wird vom Körper aufgebaut, wenn dieser regelmäßig aufwändige körperliche Arbeit verrichten muss. Steigt die Anforderung an den Muskel, muss der Muskel ebenfalls wachsen (Hypertrophie). Mit größerer Muskulatur steigt auch der Gesamtenergiebedarf des Körpers, da mit dem Anstieg der Anzahl an Muskelzellen auch die Anzahl der Mitochondrien ansteigt. Diese sind die Kraftwerke des Körpers und synthetisieren den direkten Energieträger ATP, welcher dann während der Muskelkontraktion energetisch zu ADP abgewertet (“verbraucht”) wird. Eine vermehrte ATP-Synthese setzt eine höhere Energiezufuhr aus der Nahrung voraus. Je größer der Muskel, desto größer der Energieverbrauch in Ruhe- und Arbeitsphase!
Wird der Muskel nicht mehr beansprucht, werden destruktive Reize gesetzt, katabole Prozesse beginnen und der Muskelabbau nimmt Fahrt auf. Destruktive Reize sind das Gegenteil der Wachstumsreize, welche während des Trainings gesetzt werden. Der Körper beginnt damit, den Muskelzellen das Wasser zu entziehen und verstoffwechselt viele energiereiche organische Verbindungen, aus denen die Zellen aufgebaut sind (Proteine), um die Zellaktivität inaktiver Zellen zu reduzieren und damit den Stoffwechsel wieder effizienter zu gestalten. Ganz nach dem Motto “Was ich nicht brauche fliegt raus” entsorgt der Körper die unnötigen Energieverbraucher. Quasi eine organische Energiepolitik. Dass man (oder Frau) dafür hart gearbeitet hat, viel Geld und Zeit investiert hat und Stolz auf die attraktiven Muskeln ist, interessiert unseren Körper dabei herzlich wenig.
Doch warum baut der Körper Muskeln ab, um dann gleichzeitig Fettreserven anzulegen?
Ganz einfach! Fett ist für den Körper wesentlich einfacher zu verstoffwechseln als Eiweiß. Fettreserven können unter deutlich geringerem Energieaufwand in ATP und somit in Energie umgewandelt werden. Deshalb baut der Körper die Eiweiße aus den Muskeln ab und legt bei überbedarfsmäßiger Energieversorgung Fettreserven an. Für schlechte Zeiten eben.
Diese physischen Veränderungen tun einem Vollblutsportler in der Seele weh! Das Sixpack verschwindet schnell, der Bizeps schrumpft und die Brust wird flacher. Kurz: Das Ergebnis monate- oder gar jahrelanger Arbeit verschwindet. Um sich Mut zu machen fragt man dann im Fitnessstudio, ob bereits Erfahrungen mit dem Wiederaufbau verlorener Muskelmasse gesammelt wurden. Das oben aufgeführte Erhält man meist als Antwort. Auf die Frage ”Warum?” erhält man jedoch leider selten eine plausible Antwort. Wir sagen dir warum, denn es stimmt tatsächlich: Verlorene Muskelmasse wird deutlich schneller wieder aufgebaut, als nie da gewesene.
Zum Glück – Memory Effekt
Erklärbar ist dieses Phänomen mit dem “Muskelgedächtnis” (engl.: Memory = Gedächtnis) des Körpers. Beginnt ein untrainierter Mensch mit intensivem Muskelaufbautraining, so sieht sich der Körper zunächst mit völlig neuen Bewegungsabläufen in Kombination mit großer Kraftanstrengung und Koordination konfrontiert. Diese Abläufe müssen erst erlernt werden. Es ist also am Anfang nicht nur die nicht vorhandene Kraft als Ursache für eine geringere Leistung der Anfänger. Auch die Bewegungsabläufe und Belastungswechsel müssen erst in unserer kongnitiven Steuereinheit erkannt, verarbeitet und gespeichert werden. Bei Wiedereinstiegen entfällt dieser Lernprozess. Vergleichbar ist dies mit dem Fahrradfahren.
Der wesentliche Grund für einen schnellen Muskelaufbau nach einer Trainingspause liegt jedoch in den Prozessen, die auf zellbiologischer Ebene während des Muskelaufbaus bzw. des Muskelabbaus ablaufen:
Werden durch regelmäßiges Krafttraining Wachstumsreize gesetzt, so finden im Muskel Zellverdopplungen statt. Diesen Vorgang nennt man Mitose (aus einer Zelle entstehen zwei genetisch identische Tochterzellen) und er ist der Grund für das Wachstum von Organismen. Während der Regenerationsphase nach dem Training vervielfachen sich also die Muskelzellen und damit auch Zellbestandteile wie Mitochondrien oder Zellkerne zyklisch und der Muskel wächst.
Wird der Muskel nun nicht mehr beansprucht, so löst und verstoffwechselt der Körper die Proteine und das Wasser aus den “überflüssigen” Muskelzellen (Zellen bestehen überwiegend aus Wasser und Proteinen) und das Volumen der Zellen nimmt ab. Hierbei wird die Zelle jedoch nicht gänzlich abgebaut! Unter anderem bleibt das “Gehirn der Zelle”, der Zellkern, erhalten und mit ihm auch Informationen zum ehemaligen Leistungsvermögen und Volumen der Zelle. Wird der Muskel nun erneut beansprucht, so wird wieder ein Wachstumsreiz gesetzt. Die bereits vorprogrammierten Zellen, die ihr Volumen und ihre Kraft verloren haben, werden nun in beachtlichem Tempo reaktiviert und erneut aufgebaut. Die Zellverdopplung muss also nicht erneut stattfinden, da die Zellen immer noch existent sind. Damit entfällt ein zweiter wesentlicher Schritt des Muskelaufbaus für Wiedereinsteiger: Der Prozess der Mitose im Muskelwachstum!
Fazit
Der “Memory-Effekt” ist kein Mythos. Er ermöglicht einen wesentlich schnelleren Wiederaufbau der Muskulatur nach einer (langen) Trainingspause.
PS: Ich selbst war durch einen Auslandsaufenthalt zu einer sechsmonatigen Trainingspause gezwungen und habe in dieser Zeit meine komplette Definition verloren. Zudem verschwand ein Großteil meiner in zwei Jahren aufgebauten Muskelmasse. Nach nur drei Monaten hatte ich all meine verlorene Muskelmasse wieder aufgebaut und auch meine Körperfettanteil wieder drastisch reduziert, da sich mit dem erneuten Aufbau der Muskelmasse auch Stoffwechselaktivität und Energieverbrauch deutlich erhöhen. Mit dem richtigem Training und der richtigen Ernährung ist das alles kein Problem!