Immer dann, wenn man sich aufmacht die eigene Wohnung, die Stadt oder gar das Land zu verlassen, kann man das meiner Meinung nach als Reise interpretieren. Schließlich kann es durchaus aufregend sein, halb Wien im 13A zu durchqueren und wer jemals in die Graz-Köflacher-Bahn gestiegen ist, der weiß, man muss nicht ins wilde Kurdistan reisen, um ein Abenteuer zu erleben.
Nachdem auch die so genannte „Urlaubszeit“ näher rückt, habe ich mir heute ein paar Gedanken zum Thema Reisemusik gemacht. „Traveling Songs“ klingt etwas mehr nach dem, was ich beschreiben will und bezeichnet eine gewisse Art von Musik, die, egal ob man mit dem Auto, im Flugzeug, zu Fuß, per Schiff, Bahn oder mit sonstigen Verkehrsmitteln unterwegs ist, die Reise von A nach B unterhaltsamer gestaltet. Das impliziert eine gewisse Leichtigkeit, einen mittelschnellen Rhythymus, hin und wieder auch dezidiert mit Reisen verbundenen Liedtext und soll insgesamt eine entspannte, zurückgelehnte Stimmung erzeugen – mein englischer Lieblingsbegriff umschreibt das ganze am treffendsten mit „laid back“. Im Folgenden also eine Auswahl meiner Lieblingsreiselieder, samt den auf Youtube auffindbaren Clips.
1. Willie Nelson „On the road again“ (u.A. auf On the Road Again/2002): Der Klassiker unter den Reiseliedern, vor allem weil es darin auch einzig und allein um die Freude am Unterwegssein – in Nelsons Fall am Touren – geht. Die Lyrics treffen dann auch den Kern der Sache, den Grund warum sich die meisten von uns gern auf Reisen begeben: „On the road again. Goin’ places that I’ve never been. Seein’ things that I may never see again. And I can’t wait to get on the road again“.
2. Bright Eyes/Conor Oberst „Another Travelin’ Song“ (I’m wide awake it’s morning/2005), „Sausalito“ (Conor Oberst/2008). Nachdem auch hinter Bright Eyes hauptsächlich Conor Oberst steckt und ich mich absolut nicht entscheiden konnte, welches der beiden Lieder ich bevorzuge, empfehle ich einfach beide. Ersteres ist noch eher im klassischen Bright Eyes-Stil gehalten, die rhythmischen Drums lassen aber bereits anklingen, dass sich Oberst langsam in Richtung Süden bewegt.
Dort kommt er über den Umweg „Cassadaga“ (2007) samt Band auch an. Und zwar gleich South of the Border in Mexico, wo „Sausalito“ entstand, ein Song, der mit großartigem Vintage-Gitarren-Sound versehen, zu gemütlichem Fußwippen einlädt.
3. Grateful Dead „Truckin’“ (Skeletons From The Closet: The Best Of The Grateful Dead/1990): The Grateful Dead würde ich gut und gerne als Meister des „laid back“ bezeichnen. Unabhängig davon, ob sie sich ihren Namen eher durch potentere chemische Hilfsmittel gemacht haben – ein Umstand der dazu führte, dass man ihre Anhänger nicht nur aufgrund des Bandnamens als „Deadheads“ bezeichnete – braucht man meines Erachtens weder legale noch illegale Drogen, um die entspannungsinduzierende Wirkung ihrer Musik genießen zu können. „Truckin’“ ist darüber hinaus mehr als ein bloßes Lied für Unterwegs, es befasst sich in seinem Fazit mit dem ganzen Leben, das ja nichts anderes als eine Reise ist, und bilanziert mit einem Spruch, den man sich merken sollte: „Sometimes the light’s all shinin’ on me; Other times I can barely see. Lately it occurs to me, What a long, strange trip it’s been“.
Die Liste ließe sich wohl endlos fortsetzen, ich habe aber beschlossen, sie kurz zu halten, vor allem weil sich Reiselieder kaum auf einen bestimmten Stil oder eine bestimmte Musikrichtung beschränken lassen. Das Hauptmerkmal, an dem man einen „Traveling Song“ erkennt, ist meines Erachtens nach seine Wirkung auf den Zuhörer. Wenn er in der Lage ist, nach den ersten paar Takten ein entspanntes Lächeln, eine Art losgelöste Heiterkeit, wie man sie eben beim Reisen verspüren sollte, zu erzeugen, dann ist er ein Reisesong. Wer sich übrigens über die schlechte Soundqualität auf Youtube ärgert – ich kann ohne Einschränkung empfehlen, sich die oben genannten Alben zuzulegen.
Susanne, 29. Mai 2010