Museumsexperten unterstützen Professor Peter Schäfer und das Jüdische Museum Berlin

Zahlreiche Museumsmitarbeiter, darunter auch viele aus Jüdischen Museen, haben zu den jüngsten Vorgängen um das Jüdische Museum Berlin Stellung genommen:

Als Museumsdirektoren, Kuratoren und Fachleute, die für jüdische und nichtjüdische Museen tätig sind, möchten wir unsere Besorgnis über die Angriffe gegen unseren Kollegen Professor Peter Schäfer zum Ausdruck bringen, die dazu geführt haben, dass er seine Funktion als Direktor des Jüdischen Museums Berlin niedergelegt hat.

Schäfers Rücktritt ist der Höhepunkt einer in den deutschen Medien seit längerem geführten Kampagne, die die Arbeit des Museums mit seinen erstklassigen öffentlichen Programmen und Ausstellungen diskreditiert hat. Das Museum hat es sich zur Aufgabe gemacht, als öffentliche Plattform für eine Vielzahl von Stimmen zu dienen und eine Anzahl von Themen divers zu diskutieren, was heute wieder in besonderem Maße vonnöten ist. Dafür wird es nun abgestraft.

Schäfer ist ein Mann von großer persönlicher Integrität und ein international anerkannter Gelehrter, der unschätzbare Beiträge auf dem Gebiet der Judaistik geleistet hat. Wir sind entsetzt über die unerhörten Angriffe auf seine Person und sein berufliches Wirken. Auf das Schärfste weisen wir die haltlose Anschuldigung zurück, das Jüdische Museum Berlin habe sich unter seiner Leitung zu einer „nichtjüdischen“ oder gar „antijüdischen“ Einrichtung entwickelt.

Diese unberechtigten Angriffe negieren die vielen international gewürdigten Ausstellungen, die das Museum unter Schäfers Amtszeit erarbeitet hat. Etliche davon haben sich intensiv mit drängenden oder auch marginalisierten Themen der jüdischen Studien befasst, darunter waren: Genese und Problematisierung der rituellen Knabenbeschneidung, jüdische Mystik und künstliche Intelligenz, die instrumentelle Rolle jüdischer Ritualgegenstände für die Evozierung von Erinnerung, sowie Geschichte und Kultur der Displaced Persons nach dem Krieg. Mit den dazu entwickelten Begleitprogrammen traten diese Ausstellungen ganz maßgeblich monoperspektivischen Einstellungen entgegen und boten notwendigen Raum und Rahmen für interkulturellen Dialog und öffentliche Diskussion.

Wir sehen Professor Schäfers Abgang als alarmierendes Zeichen für die Verhinderung von Debatten und für die Unterbindung freier Diskussionen, was nicht nur einer der Aufgaben eines gesellschaftlich relevanten Museums sondern auch der jüdisch-traditionellen, konstruktiv-intellektuellen Streitkultur (hebr.: Machloket) grundlegend widerspricht. Dieses Ereignis ist Folge eines breiteren, besorgniserregenden globalen Trends, die Unabhängigkeit von Universitäten, Museen und Kulturinstitutionen durch routinemäßige Eingriffe von Regierungen und Kampagnenorganen einzuschränken oder gar aufzuheben. Als Museumsfachleute fragen wir uns beunruhigt, was dies für die Zukunft unserer Arbeit bedeuten mag.

Nach dem Ausscheiden von Schäfer aus dem Amt des Direktors fordern wir das deutsche Staatsministerium für Kultur und Medien und den Vorstand des Jüdischen Museums Berlin auf, die Einrichtung vor öffentlichen Schmähungen und Angriffen zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Fortsetzung ihrer hervorragenden Arbeit in einer offenen Atmosphäre unterstützt werden.

Hier finden Sie eine Liste aller Unterzeichnenden. 

Und hier können Sie ein Interview hören mit Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums München aus der Sendung „Fazit“ bei Deutschlandfunk Kultur (24.6.2019).


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