Hamed Abdel-Samad
Facebook“Heute begeht der politische Islam in Ägypten Selbstmord!”Nicht nur er freut sich über den Sturz des zwar gewählten (ehemaligen) Präsidenten Mursi.
Gestern Abend und nach Ablauf eines Ultimatums übernahm die Armeespitze die Macht. Das Militär setzte den Chef des Verfassungsgerichts, Adli Mansur, als Übergangspräsidenten ein. Da das Militär auch die Verfassung außer Kraft gesetzt hat, wird dessen Aufgabe vor allem darin bestehen, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen.
Zuvor soll das Verfassungsgericht jedoch ein neues Wahlgesetz erarbeiten. Ein sog. “Versöhnungskomitee”, in dem alle gesellschaftlichen Kräfte vertreten sein sollen, wird dies vorbereiten.
So jedenfalls der Plan, den am Abend Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi vorstellte. Auch Mohamed ElBaradei, der koptische Papst Tawadros und Scheich Ahmed al-Tajeb waren bei der Verlesung der Erklärung anwesend.
Im Laufe der Nacht kam es zu Verhaftungen. Dabei wurde unter anderem auch Assem Abdel-Maged verhaftet, der den Mordaufruf gegen Hamed Abdel-Samad initiierte. Gleiches trifft auch auf den salafistischen Sender zu, der diesen Aufruf verbreitete.
Mursi soll von den Militärs gestern festgesetzt und ins Verteidigungsministerium gebracht worden sein. Zwar erkennt er seine Absetzung nicht an, rief aber seine Anhänger zu friedlichen Protesten auf. Und – trotz einiger Verletzter und Toter – es blieb in der letzten Nacht in Ägypten erfreulich friedlich. Medien hatten mit gewalttätigeren Auseinandersetzungen gerechnet. Diese Gefahr ist auch nicht vorüber.
Stunden zuvor hatte er jedoch noch dazu aufgerufen, “die Verfassung und das Gesetz zu befolgen und auf den Staatsstreich nicht zu reagieren.”
Joachim Schroedel schreibt beim European: “Die Ägypter haben wieder einmal bewiesen, dass sie ein Volk klarer Entscheidungen sind. Und Religion weiter Privatsache bleiben soll.” Dazu sollte man beachten, dass Schroedel als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz in Kairo lebt.
In den medialen Jubel mischen sich nur wenige kritische Stimmen. So die der TAZ, in der Silke Mertins darauf hinweist, dass das Militär immer – sowohl unter Mubarak als auch unter der Regierung Mursi die Fäden in der Hand behielt: “Die Armee regiert seit über 30 Jahren. Ihr scheint es relativ gleichgültig, wer unter ihr die Regierungsgeschäfte führt – solange ihre Machtposition und ihre wirtschaftliche Interessen unberührt bleiben.”