Bouche cousue in Straßburg (c) François Daumerie
Im Rahmen des Marionettenfestivals „Giboulées de la Marionnette“, das derzeit in Straßburg zu sehen ist, gastierte die aus Lyon stammende Companie „La pluie qui tombe“ im Pôle-Sud mit ihrer neuesten Arbeit „Bouche cousue“.
„Mund halten“, so die deutsche Übersetzung, befasst sich mit dem schwierigen Thema Kinderarbeit. Nathalie Baldo, die eine Stunde lang als Tänzerin, Schauspielerin und Marionettenführerin auftritt, zeigt in einem geschlossenen Zelt, in das die Besucher mit zuvor angelegten, blauen Arbeitsschürzen eintraten, ein Kaleidoskop verschiedener Arbeits- und Traummomente. Der Raum, voll mit alten Nähmaschinen, die noch mit dem Fußpedal zu bedienen sind, lässt nur durch zwei kleine, vergitterte Fensterchen das Draußen erkennen. Über Baldos Kopf schweben viele kleine Puppen – welche den direkten Bezug zur Kinderarbeit herstellen sollen. Mit einer von ihnen arbeitet die Tänzerin schließlich sehr lyrische und berührende Momente heraus – wenn das Püppchen sich hinter das Antriebsrad der Nähmaschine stellt und so mit Nathalie Baldo wie ein Kapitän auf hoher See durch den Raum gefahren wird.
Die musikalische Untermalung, die streckenweise eine starke Rhythmik vorgibt, die sich ganz den Geräuschen der surrenden Nähmaschinen unterwirft, wird von Daniel Rousseau beigesteuert. Er lässt sogar selbst eine Nähmaschine rattern und imitiert dabei noch mit allerlei rhythmischen Nebengeräuschen den Fabrikslärm einer großen Näherei. Nathalie Baldo schleppt Nähmaschinen durch den Raum, verschanzt sich in kauernder Angstposition darunter, oder lässt ihren Körper rhythmisch zum Takt der Nähmaschinen bewegen, bis sie vor Erschöpfung zusammenbricht. Durch die sehr subtile Lichtregie von Annie Leuridan werden die Besucher von den Träumen in den harten Arbeitsalltag geleitet und auch wieder zurück. Baldo reiht viele unterschiedlichen Ideen wie in einem Puzzle nebeneinander, was ihnen zwar eine zarte Poesie verleiht, zugleich aber auch die Frage aufwirft, inwieweit die Inszenierung Kindern auch wirklich das beabsichtigte Thema näher bringen kann. „Bouche cousue“ stellt eine Arbeit dar, die man gut an den Beginn einer intensiveren Auseinandersetzung des Themas mit Kindern stellen kann. Ersetzen kann sie diese aber nicht.
Verfasser: Michaela Preiner
In folgenden Kategorien veröffentlicht: Theater | Tanz
Schlagwörter: Cie "La pluie qui tombe", Daniel Rousseau, Giboulées de la Marionnette, Nathalie Baldo
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