24.11.2011 – Im Krieg, in der Liebe und wohl auch in der Politik ist alles erlaubt. Wer davon ausging, Karl Theodor zu Guttenberg nach Rücktritt und Auswanderung in die USA endgültig losgeworden zu sein, der muss sich eines Besseren belehren lassen.
Kaum hat die Staatsanwaltschaft in Hof das Verfahren gegen den überführten Plagiator und ehemaligen Polit-Liebling der Nation gegen Zahlung von 20.000 Euro eingestellt, da steht Guttenberg in den Startlöchern und droht gegenüber der „ZEIT“ mit Rückkehr ins politische Leben.
Ob diese innerhalb der CSU oder in einer neuen Partei erfolgen wird, bleibt zunächst offen.
Kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung
Bereits im Oktober hatte die Leipziger Volksstimme darüber berichtet, dass sich Karl-Theodor zu Guttenberg in kleinem Kreise äußerte, er habe sich mit den Behörden „prinzipiell geeinigt“. Seit gestern ist es nun offiziell: Die Staatsanwaltschaft in Hof stellt das Verfahren gegen den ehemaligen Minister gegen Zahlung von 20.000 Euro ein.
Zu gering sei der wirtschaftliche Schaden durch dessen Urheberrechtsverletzungen und außerdem habe sich Guttenberg nicht an seiner abgeschriebenen Doktorarbeit bereichert. Den Schaden an der Glaubwürdigkeit des akademischen und des politischen Betriebes hat die Behörde scheinbar nicht in ihre Entscheidung einbezogen. Auch die Überlegung, dass im Falle eines überaus eitlen und vermögenden Täters nicht die finanzielle Bereicherung sondern stattdessen der unberechtigt erworbene Rufzuwachs und die Steigerung der Karrierechancen die Motivlage prägen, floss nicht in die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ein.
20.000 Euro wird Guttenberg an die Deutsche Kinderkrebshilfe zahlen, um dem drohenden Makel eines Strafverfahrens zu entgehen. Das private Vermögen des Ex-Ministers wird auf 300 Millionen Euro geschätzt. Verglichen mit dem Durchschnittsvermögen der Deutschen, das im Jahr 2011 bei 141.000 Euro liegt, entspricht diese Strafzahlung einem Betrag in Höhe von 9,40 Euro.
View This PollHartnäckiges Leugnen
Noch immer leugnet Guttenberg, beim Verfassen seiner Dissertation getäuscht zu haben. Unzählige Fundstellen abgeschriebener und nicht kenntlich gemachter Passagen seiner Doktorarbeit können ihn ebenso wenig von seiner Haltung abbringen, wie das vernichtende Urteil der Universität in Bayreuth.
Der „Beweis“ für seine Unschuld fällt dementsprechend eigenartig aus:
„Wenn ich die Absicht gehabt hätte zu täuschen, dann hätte ich mich niemals so plump und dumm angestellt, wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist.“
Ihm sei die Arbeit über den Kopf gewachsen. Das politische Leben habe ihn überfordert. Auf mindestens 80 Datenträgern habe er einen großen „Text- und Gedankensteinbruch“ zusammengetragen und dabei den Überblick verloren.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die lächerlich hohe Zahl von mindestens 80 Festplatten, USB-Sticks und CDs stimmt, dann belegt dies höchstens ein hohes Maß an Desorganisation. Wie es allerdings dazu gekommen sein soll, dass der ehemalige Minister bei unzähligen fremden Textstellen plötzlich davon ausging, sie selber erarbeitet und verfasst zu haben, bleibt ungeklärt.
CSU oder neue Partei?
Die CSU hat mehrfach signalisiert, Guttenberg eine Rückkehr in die Politik ermöglichen zu wollen, wenn er dies wünsche. Zuletzt sagte Hans-Peter Uhl (CSU) hierzu heute:
„Ob Guttenberg zu einem späteren Zeitpunkt in die Politik zurückkehren sollte, ist vor allem seine Entscheidung. Ich würde das begrüßen.“
Der selber beantwortet die Einladung seiner Parteifreunde jedoch eher zögerlich:
„Ich bin zurzeit Mitglied einer Partei, die einen langen Weg zu gehen hat, um von der Abwärtsbewegung der sogenannten Volksparteien nicht ergriffen zu werden.“
Die Verwendung des Wortes „zurzeit“ lässt dabei erahnen, dass es für Guttenberg in Sachen Politik-Rückkehr zumindest eine weitere Option gibt. Und dementsprechend führt er im ZEIT Gespräch auch aus, dass eine neue Partei „momentan in der Mitte erfolgreicher wäre als am Rand“. Die bestehenden Parteien bedienten die Mitte nur noch mit „Phrasen und den immer gleichen Scharmützeln“.
Entsprechend zurückhaltend fällt dann auch die Reaktion von CSU-Chef Horst Seehofer auf Guttenbergs Äußerungen aus:
„Im Moment arbeiten und planen wir mit den Persönlichkeiten, die Tag für Tag rund um die Uhr für die politische Familie der CSU unterwegs sind.“
Presse und Öffentlichkeit
Auf den ersten Blick mag man meinen, dass die Chancen auf ein erfolgreiches Comeback für einen überführten Plagiator und Lügner nicht zum Besten stehen. Allerdings haben wir bereits einmal erlebt, wie eine gewogene Presse den vermögenden Spross auf gutem Hause seit 2008 konsequent „hochgeschrieben“ hat.
Eine wissenschaftliche Studie kam nach einer Untersuchung der Presse in der Zeit zwischen November 2008 und April 2010 zu dem Ergebnis, dass alleine in der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dem Spiegel, dem Focus, der Bild und der Zeit knapp 600 Artikel über den CSU-Politiker erschienen waren.
Kam es hierbei zu Bewertungen, dann fielen diese in sieben von zehn Fällen positiv aus. In jedem fünften Beitrag wurde er zudem als „Baron“ oder „Freiherr“ bezeichnet, während gleichzeitig sein Erscheinungsbild, seine guten Manieren oder seine alte Familiengeschichte zum Thema gemacht wurden.
Dass es nun nicht die Redakteure von WELT und BILD sind, die sich darum bemühen, dem gefallenen Polit-Star zur Wiederherstellung von Amt und Würde zu verhelfen sondern ausgerechnet der ZEIT Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, lässt Schlimmes befürchten.
Am kommenden Montag wird unter dem denkwürdigen Titel „Vorerst gescheitert“ ein Gesprächsband erscheinen, in dem sich der ehemalige Verteidigungsminister über seine Karriere, seinen Fall und sein Comeback äußert. Schon heute belegt der Titel im Amazon Bestseller-Rang den Platz acht unter allen Büchern.
Bisher steht die Öffentlichkeit einer Rückkehr Guttenbergs noch sehr kritisch gegenüber. An einer Online-Befragung der WELT beteiligten sich mehr als 20.000 Leser. 83 Prozent von ihnen möchten nicht, dass der frühere Minister „noch mal eine Rolle in der deutschen Politik spielt“. Auch bei der FTD voten 71 Prozent der gut 2.000 Befragten dafür, dass Guttenberg künftig „kein Amt“ bekleidet. Selbst beim Focus sprechen sich 60 Prozent der Leser dafür aus, dass ein „Plagiator in der Politik nichts zu suchen hat“.
Die Erfahrung der Vergangenheit hat allerdings gezeigt, dass in der deutschen Medienlandschaft noch immer Geld, Einfluss und gute Beziehungen darüber entscheiden, ob selbst ein überführter Straftäter zurück in die Herzen der Bevölkerung geschrieben wird.
Ob als verlorener Sohn in den Reihen der CSU oder als Führer einer neuen, rechtskonservativen Partei bleibt abzuwarten. Sicher scheint bereits jetzt, dass wir nicht zum letzten Mal von Karl-Theodor zu Guttenberg hören.