Multikulti als Bereicherung

Es gibt – verkürzt gesagt – zwei durchaus gegensätzliche gesellschaftliche Ansätze, wie man mit der in jeder Gesellschaft gegebenen sozialen Schichtung umgehen kann, und auf dem nordamerikanischen Kontinent stehen sich diese exemplarisch gegenüber: Da ist auf der einen Seite die flächen- und bevölkerungsmäßig große USA, in der letztendlich das Prinzip der Selbsthilfe und das Gesetz des Stärkeren gilt, auch nach der Hälfte der ersten Legislaturperiode von Barack Obama. Auf der anderen Seite Kanada, groß an Land und vergleichsweise klein an Einwohnern, mit großen Migrantenanteilen und einer Politik, die das inzwischen nicht zuletzt durch unsere Bundeskanzlerin zum Schimpfwort mutierte „Multikulti“ täglich umsetzt – um als Nation zu überleben und in Kenntnis des Umstandes, das Migranten in den sozial benachteiligten Schichten überdurchschnittlich stark vertreten sind.

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Photo:s.yume

Deswegen geht es den Kanadiern gar nicht so sehr um Integration im Sinne der in Deutschland geführten „Ausländer“debatte, denn für sie ist das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft integraler Bestandteil ihres Staates und ihrer Geschichte: In Toronto besuchen Schüler aus mehr als 100 Ländern mit über 150 Sprachen die Schulen. Es geht ihnen um den Erhalt ihres „canadien way of life“: Jeder soll die gleichen Startbedingungen haben, und wenn jemand sie nicht hat, dann müssen sie (durch die Gesellschaft) geschaffen werden – egal, wo seine ethnischen Wurzeln liegen.

Hinzu tritt eine bemerkenswerte Toleranz gegenüber anderen Kulturen, die als Bereicherung der Gesellschaft empfunden werden. „Ausländer“ werden über die positiven Aspekte wahrgenommen, die sie in das soziale Leben einbringen, und nicht definiert über die negativen, die die unterschiedlichen Kulturen trennen (können). Für die Bürger Kanadas gilt der Satz, dass jeder fast überall ein Ausländer ist, nicht nur für den Urlaub, sondern auch tagtäglich in der eigenen Stadt, der eigenen Schule, am eigenen Arbeitsplatz.

Aber es kostet viel Geld, integrative Ausländerpolitik zu betreiben, denn man muss finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um naturgemäß arme Einwanderer und ihre Kinder zu unterstützen; und die Unterstützung darf nicht in erster Linie durch Sozialhilfe stattfinden, sondern durch Sprachkurse, Bereitstellung von Lehrmitteln aller Art bis hin zu ausgebildeten Lehrern und Sozialarbeitern, die der „alten“ Muttersprache der Menschen mächtig sind, Schulspeisungen, Freizeitangebote, eben alles, was die Integration durch sozialen und gesellschaftlichen Aufstieg und Anerkenntnis fördert.

Die theoretischen Ansätze dieser Politik, die in erster Linie Förderung von sozialen Unterschichten und ein Stück weit Diskriminierung derjenigen ist, die sich selbst helfen können, war auch in Deutschland einmal populär. Man fand sie niedergeschrieben in einem Parteiprogramm, dass den Namen eines Stadtteils von Bonn trug. Lang ist es her…

Übrigens komme niemand mit dem Argument, die Kanadier hätten ja einen viel geringeren Zuwanderungsdruck als Deutschland. Auf 30 Millionen Kanadier kommen 250.000 Einwanderer pro Jahr; dies ist die bei weitem höchste Einwanderungsquote auf der Welt. Und auch die Gründe für die Einwanderung sind dieselben wie in Deutschland, letztendlich sind es die guten Lebensbedingungen in Kanada – allerdings verstärkt durch die überdurchschnittlichen Integrationsbedingungen.

Kanada: Multikulti als Bereicherung

Dieter Schütz / pixelio.de


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