Mühe allein genügt nicht

Von Betker

Wladimir Klitschko besiegte am 02. Juli David Haye in einem Fußballstadion in Hamburg. Damit erfüllte er den großen Traum seiner Familie. Nun sind alle wichtigen Schwergewichtstitel vereint im Schoße der ukrainischen Familie Klitschko. Die Klitschko Fans und der übertragende deutsche Fernsehsender RTL jubeln. Und mir drängt sich der Eindruck auf, alle hatten sich, mehr oder weniger, bemüht.
David Haye (27 Kämpfe, 25 Siege, 23 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) verlor seinen Titel der WBA, den er Nikolay Valuev am 07.11.2009 in Nürnberg abgenommen hatte, gegen den besten Schwergewichtler des letzten Jahrzehnts. Er bemühte sich sehr erfolgreich den Schlägen von Klitschko auszuweichen und seinem Gegenüber seinen Kampf aufzuzwingen. Immer wieder versuchte er, durch Konter zu punkten oder sogar zu einem vorzeitigen Sieg zu kommen. Aber trotz aller Mühe hat es zu einem Sieg dann doch nicht gereicht.
Wladimir Klitschko (59 Kämpfe, 56 Siege, 49 durch KO, 3 Niederlagen) musste sich gegen Haye abmühen. Zu unangenehm boxte dieser und zu überraschend kamen seine Angriffe. Klitschko hatte schon seine liebe Mühe, einen Punktsieg nach Hause zu fahren. Daher war er auch nur vernünftig, dass er sich nicht die Mühe machte zu versuchen, seine vollmundige Ankündigung, Haye bestrafen zu wollen, auch umzusetzen.
Der Ringrichter Genaro Rodriguez hatte keine Mühe mit dem Kampf und zeigte eine tadellose und souveräne Leistung. Er ist, wenn ich mich recht entsinne, derjenige, der die Unart Klitschkos, sich auf den Gegner zu legen, mit einem Punktabzug bestrafte. Später zählte er Haye nach einem Wischer auch an, um ihn dafür zu bestrafen, dass er sich immer fallen ließ. Die Bemühungen von Rodriguez reichten für eine großartige Ringrichterleistung.
Die Punktrichter gaben sich in unterschiedlicher Weise Mühe. Einer der Drei, nämlich Stanley Christodoulou, gab sich Mühe, den Verlauf des Kampfes durch seine Punktwertung wiederzugeben. Er wertete 110:116. Seine zwei Kollegen Michael Pernick und Adalaide Byrd sahen den Kampf sehr viel einseitiger und sehr viel deutlicher für den in Semipalatinsk, Kasachstan geborenen Boxer. Sie werteten 108:118 und 109:117. Der RTL Kommentator Tobias Drews formulierte vor dem Kampf, dass einige Punktrichter schon mal dazu neigen, in vorauseilendem Gehorsam im Sinne des Veranstalters zu punkten. Man kann sich schon fragen, ob sich Michael Pernick und Adalaide Byrd nicht weniger Mühe geben sollten, jedenfalls darin, dem Veranstalter servile zu Diensten zu sein.
Der schon angesprochene Tobias Drews gab sich die ersten zwei Drittel des Kampfes über redlich Mühe, den Kampf weitestgehend objektiv zu werten und zu kommentieren. Dann, als ob er über den Punktestand informiert worden sei, nahm er einen Teil des vorher Gesagten zurück und lobte nur noch Klitschko. Schade, ich hätte mir hier doch ein wenig mehr an Streben nach Unabhängigkeit gewünscht.
Sein Kollege, der RTL Reporter Kai Ebel, gab sich am wenigsten Mühe. Er machte nicht einmal den Versuch, seine Verärgerung darüber, dass sich irgendwelche Personen ins Bild drängelten, zu verbergen. Er raunzte irgendeinen, wohl ein Klitschko Fan, der seinen Weg in den Ring gefunden hatte, vor laufender Kamera an.
RTL sprach davon, dass der Kampf zwischen Wladimir Klitschko und David Haye der beste Schwergewichtskampf der letzten Jahre gewesen sei. Das ist unbestritten richtig. Aber trotz aller Mühe der vielen Beteiligten ist der Kampf auch nicht mehr als eben halt der beste Schwergewichtskampf der letzten Jahre. Dies wiederum wirft letztlich nur ein sehr grelles Licht auf den Zustand der Schwergewichtsszene. Oder, um es noch mal mit den Worten des Werbespruchs eines großen Kafferösters der Mitte der 70er Jahre zu sagen: „Mühe allein genügt nicht.“ – Das, was zählt, was den Geschmack am Boxen zu einem Genuss machen könnte, fehlt leider noch immer.
© Uwe Betker