Bei "Anne Will" gelang es schon mal. Man solle sich in den Zeiten des eingebildeten Terrors "wie immer verhalten", mahnte Bundesinnenmninister Thomas de Maiziere, der die vielgesehene Sendung zuvor genutzt hatte, um seinen inständigen Warnungen vor Terror, vor Hysterie und vor Angst eine vor zuviel Warnungen hinterherzuschieben. Er verhielt sich also wie immer. Auch sonst alles beim alten bei "Will": Die übliche Runde aus Kleindarstellern verbreitet die bekannten Fernsehweisheiten.
Der amerikanische Journalist Don Jordan, der schon mehr Zeit im deutschen Fernsehen als beim Abfassen von Texten für amerikanische Zeitungen verbracht hat, deckte die große Terrorverschwörung denn auch eher unfreiwillig auf. Gerade hatte „Spiegel”-Chefredakteur Georg Mascolo noch mutig davon geschwärmt, dass "die Jünger von Usama Bin Laden" die " Weichteile der freien Gesellschaft angreifen würden - also Bordelle, Hotels, Märkte, Kindergärten, da berichtete Jordan plötzlich von seiner Begegnung mit einer Terrortüte auf dem Hinflug. Unbeobachtet habe sie da gestanden, direkt auf dem Flughafen, ungestört von den schwer bewaffnet herumlungernden Einsatzkräften und folglich auch ungesprengt.
Eine Szene, die deutlich macht, wie einfach es wäre, Hart- oder Weichteile der freien Gesellschaft überall in Deutschland zu treffen. Sprengstoffvorräte findet die Polizei bei jeder Razzia in Lederkluftturnvereinen, Feuerwaffen vermochten sich zuletzt sogar Minderjährige immer wieder leicht zu beschaffen. Und dazu, ein Auto voller Benzin und Schwarzpulver in der Entladezone des Flughafens Düsseldorf zu zünden, bedarf es nur Dreierlei: Eines entschlossenen Fahrers, eines Autos und der explosiven Ladung.
Doch Al Kaida tut es nicht. Tut es nicht erst nicht, seit die Polizei ihre Büros ausgekehrt und alle trommelbäuchigen Schreibstubenhengste vor die Agentur-Linsen geschickt hat. Ein Rätsel, das Fragen aufwirft. Hat Osama Bin Laden der Gewalt abgeschworen? Wartet Mullah Omar auf eine Einladung zu Friedensgesprächen? Kurz gesagt: Wollen die nicht? Oder können sie vielleicht gar nicht?
Schon seit Jahren lebt Al Kaida beinahe ausschließlich von den gelungenen Attentaten der fernen Vergangenheit, misslungenen Anschlagversuchen von oft desaströs amateurhaften Dimensionen und jeder Menge Ankündigungsterrorismus. Statt Terror gibt es Drohungen, statt Blut Tonbänder. Die Formulierung "wenn ihr nicht, dann werden wir" hat Osama Bin Laden inzwischen so oft benutzt, dass sie abgeschliffen aussieht wie der Sitz eines Mietschlittens in Tirol. Jedes Mal blieb es bei Worten.
Da liegt die Vermutung nahe, dass sie einfach nicht können. Wie jede soziale oder revolutionäre Bewegung ist Al Kaida dynamisch gestartet, ein Netzwerk neuer Art, angetreten, die Welt zu verändern. Und wie die Führer der kommunistischen Welt musste auch die Al Kaida-Führung einsehen, dass auf den schnellen und steilen
Sonnenaufgang der eigenen Idee nicht zwingend kurz vorm Mittag die Weltherrschaft folgt. Nein, es kann auch auf einen 500 Jahre langen Vormittagsbrunch hinauslaufen.
Die eigene Schwäche, auch das hat der Kommunismus vorgemacht, wird nun eifrig zur Strategie erklärt. Der "Focus" übernimmt es, den erfolglos gebliebenen Versuch, fehlenden Selbstmordattentäter durch den Postboten zu ersetzen, zu "neuen Terror-Strategie" zu erklären. Mit einem Materialeinsatz von nur 3000 Euro sei es den Terroristen gelungen, dem Westen Milliardenkosten für Sicherheitsmaßnahmen aufzuzwingen. Die Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel, die sich nach "Focus"-Angaben das Kürzel AQAP gegeben hat, um nicht ständig mit CDU und DGB verwechselt zu werden, spreche im Zusammenhang von „Hebelwirkung“, die den Westen in die Knie zwingen solle.
Es geht nicht mehr um Morde, sondern um Mückenstiche, nicht mehr um Anschläge, sondern um Ankündigungen. Die Strategie "Blutsturz" (Focus) sei eine der "Nadelstiche", hätten die Terroristen selbst erklärt: Ziel der Aktion sei "maximaler ökonomischer Schaden" gewesen.
Offenbar aber unter der Maßgabe geringsten eigenen Einsatzes, weil mehr nicht mehr geht. Statt von einer umgehenden Vertreibung des Westens aus der arabischen Welt spricht der Discountterror davon, „keinen großen Schlag“ zu brauchen, um "Amerika niederzuringen". Die neue Strategie sei die Strategie der tausend Wunden".
Was aber nach Strategie klingt, so zeigen die
weiteren Ausführungen, ist aus der Not der Beschränktheit der eigenen Mittel geboren. Kleinere Attacken seien "mit weniger Beteiligten und kürzerem zeitlichen Vorlauf" leichter zu realisieren, schreiben die jemenitischen Al Kaida-Kämpfer, die vor Jahren noch in der Lage waren, ein US-Kriegsschiff im Hafen von Aden anzugreifen.
Heute reicht es noch für eine Paketbombe und ein paar Anrufe bei Thomas de Maiziere. Al Kaida in der Krise - nichts geht mehr beim Terrornetzwerk, außer Drohungen bringt das Netzwerk nichts zustande. Gut, dass ein deutscher Minister den Bin-Laden-Truppen da hilfreich beispringt und Hysterie und Panik durch die fortdauernd wiederholte Warnung vor beidem verbreitet. Der Effekt allerdings ist größer als der jeder Al-Kaida-attacke bisher: Jeder zweite Deutsche glaubt mittlerweile an einen unmittelbar bevorstehenden Anschlag. Die neue Al Kaida-Strategie, statt Bomben eine genaue Darstellung ihrer Philosophie, des Einsatzverlaufs, ihrer Absichten und der nächsten Schritte zu schicken, ist aufgegangen.
Al Kaida bekennt sich zum Loch von Schmalkalden
Wo die Dämonen wohnen
Unmut in der Umma
Mohammeds Maulfußballer
Mummenschanz vom Muselmann
Virtuelle Terrorwelle