MS Ondrust

Von Martinaunddayo

Es ist schon viele hundert Jahre her, da wurde eines Tages eine Meerjungfrau gefangen. Die Fischer fanden sie so schön, dass sie sie mit nach Hause nahmen. Allerdings gab es auch einen Wassermann, der sehr böse war, dass die Menschen seine Meerjungfrau mitgenommen haben. 

Er war so böse, dass er einen Fluch aussprach:

Westerschouwen, Westerschouwen,

es wird dich reuen,

dass Du mir hast meine Frau genommen.

Ganz Westerschouwen soll vergehen,

allein der Turm bleibt bestehen!

Wir befinden uns auf der Insel Schouwen-Duiveland in Zeeland. Bis heute kämpfen die Menschen hier gegen den Fluch des Wassermanns, denn im Laufe der vergangenen Jahrhunderte haben zahllose Sturmfluten dafür gesorgt, dass die hier lebenden Menschen immer wieder Land, Häuser und Besitz aufgeben und sich ein Stück weiter ins Landesinnere zurückziehen mussten, um von vorne anzufangen. Die Insel liegt an der Oosterschelde, dem größten Nationalpark der Niederlande. Und hier startet das Passagierschiff MS Onrust seine Natur- und Familienrundfahrten in den 37.500 Hektar großen Wassernationalpark. Die MS Onrust heißt auch Hunde herzlich willkommen.An diesem Nikolausvormittag 2015 weht eine steife Brise, die Wolken jagen über den Himmel und streckenweise schickt die Sonne ihre Strahlen zur Oosterschelde. Je nach Wetter- und Passagierlage fährt das Schiff im Dezember bis zu sechsmal raus.Wir werden an Bord von Jacqueline van Mill begrüßt. Ihr und ihrem Mann Marcel gehört die MS Onrust.Ausgestattet mit einem Fernglas und einer 23-seitigen Broschüre (in deutscher Sprache) mit Informationen über die Rundfahrt suchen wir uns erst einmal einen schönen Platz.

Kompetente Führung durch die Natur der Oosterschelde

Wir haben fast die freie Auswahl, denn an dieser Familienrundfahrt nehmen nur wenige Passagiere teil. Für Dayo, Suri und uns ist das natürlich toll, denn so können wir uns auf die Fahrt und die Highlights der Oosterschelde konzentrieren und können die beiden Bären ab und zu aus den Augen lassen … Unsere kompetente und sympathische Naturführerin heißt Mieke und moderiert in niederländischer und deutscher Sprache die ganze Fahrt, die rund zwei Stunden dauert. Wenn Mieke langsam spricht, können wir auch recht gut der niederländischen Sprache folgen, zumal wir ja auch alles nachlesen können. Während sich Thomas erst einmal eine Tasse Kaffee schmecken lässt, mache ich draußen einen kleinen Rundgang.

Der Nationalpark Oosterschelde umfasst eine Salzwasserfläche von 35.500 Hektar und eine Deich- und Landfläche von rund 2.000 Hektar. Die größten Besonderheiten der Oosterschelde sind die Dynamik der Gezeitenlandschaft, die Bedeutung für die Zugvögel und die einzigartige Flora und Fauna – sowohl unter als auch über Wasser. Wir waren bei Hochwasser auf der Rundfahrt. Bei Niedrigwasser sieht der Nationalpark ganz anders aus. Eigentlich – so Jacqueline van Mill – ändert sich das Gesicht der Oosterschelde mit jeder Stunde …

Muscheln, Austern, Krebse und keine Seehunde

Was sagt ihr dazu, dass es auf der Oosterschelde auch Bauern gibt? Denn die Miesmuschelfischer sind eigentlich Bauern. Ihre Äcker sind die Muschelparzellen im Wasser. Die Stöcke auf dem Bild werden Staken genannt und stellen die Grenzen der einzelnen Parzellen dar. Hier wachsen die Miesmuscheln auf Bodenkultur. Neben Miesmuscheln gibt es hier auch Austern und Krebse. Ursprünglich kam in der Oosterschelde die platte Zeeuwse Auster vor. Im strengen Winter von 1963 ist diese zeeländische Austernart jedoch erfroren. 1964 wurden aus diesem Grund Japanische Austern ausgesetzt. Man dachte, man könne die Population unter Kontrolle halten, weil diese Austernart sich nur in warmen Sommern fortpflanzen kann. Inzwischen sind die Austern zu einer Plage geworden. Schätzungsweise liegen in der Oosterschelde rund 209 Millionen Kilo verwilderte Japanische Austern. Verzehrt werden jährlich jedoch nur rund sechs Millionen. Da die Schale der Japanischen Auster viel dicker, schärfer und größer als bei den zeeländischen Austern sind, können Vögel diese nicht mit dem Schnabel öffnen. Darüber hinaus sorgen sie für Schnittwunden und Wanderern.

Die Oosterschelde ist reich an Fauna und Flora

Fast genauso wie den Austern erging es den Krebsen, denn auch sie waren nach dem Winter von 1963 fast verschwunden. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Bestand jedoch gut erholt und zwar so gut, dass sie zwischen dem 1. April und dem 15. Juli gefangen werden dürfen. Dafür braucht man allerdings eine besondere Lizenz, und es darf auch nur ein bestimmte Anzahl gefangen werden.Ein bisschen hatten wir ja auch gehofft, den ein oder anderen Seehund zu sehen, der vielleicht ein gemütliches Schläfchen auf einer Sandbank hält. Da wir bei Hochwasser unterwegs waren, haben wir von der “Roggenplaat”, einer sehr großen Sandbank, nur den ganz obersten Teil gesehen. Seehunde waren da leider nicht in Sicht. Geben tut es sie aber: Rund 80 bis 90 Seehunde leben in der Oosterschelde. Bei Niedrigwasser ruhen sie sich gerne auf der Sandbank aus.

Wassermanns Fluch

Dass der Fluch des Wassermanns bis in die Gegenwart reicht, beweist das Naturgebiet De Schelphoek. Hier brach bei der schlimmsten Sturmflut des 20. Jahrhunderst im Februar 1953 der Deich auf 500 Metern.  An manchen Stellen war dieser Bruch bis zu 30 Metern tief und konnte nicht mehr repariert werden. Aus diesem Grund wurde um das tiefe Deichloch herum ein Ringdeich aus Betonkästen von 4,5 Kilometer Länge gebaut. Auf dem Bild seht ihr einen riesigen Phoenix AX Caisson, der 60 Meter lang ist und im 2. Weltkrieg in England gebaut und als schwimmender Hafen während der Landung in der Normandie benutzt wurde.  Um dem Fluch des Wassermanns bzw. den Gewalten der Natur Paroli zu bieten, wurde – ebenfalls nach der Katastrophe von 1953 – ein Sturmflutwehr gebaut, das die Oosterschelde zeitweise von der Nordsee abtrennen kann. Um das Land hinter der Oosterschelde gegen Überflutung zu schützen, können die großen Tore geschlossen werden.Irgendwann geht auch die schönste Schifffahrt zu Ende. Mit zunehmendem Wind und zunehmender Bewölkung laufen wir wieder in den Hafen der MS Onrust in Burgh-Haamstede ein. Und ihr fragt euch vielleicht, was eigentlich Dayo und Suri die ganze Zeit gemacht haben. Generell ist es erlaubt, dass Hunde überall an Bord mit hingenommen werden können. Die Treppen zum oberen Aussichtsdeck sind allerdings sehr steil. Wer hier seinen Hund tragen kann, ist klar im Vorteil. Auf unserer Rundfahrt war es windig und hin und wieder spürten wir auch den Seegang. Dayo hat zwar einen kleinen Spaziergang an Deck gemacht. Er fand es allerdings nicht so witzig, weil er genau an der Stelle stand bzw. saß, wo gerade die Gischt einer Welle auf ihn hinab regnete … ansonsten haben die beiden Bären ganz brav im Schiff auf dem Boden gelegen und sich von Mieke und den anderen Passagieren streicheln lassen.

Fazit

Eine Rundfahrt mit der MS Onrust ist definitiv ein echtes Erlebnis und hat gerade im Dezember seinen ganz eigenen Reiz. Das Wetter und die See sind vielleicht etwas rauer, aber da in der Regel nicht so viele Passagiere an Bord sind wie im Sommer konnten wir das Schiff ganz in Ruhe erkunden und haben auch fast kein Wort der Naturführerin verpasst. Das war natürlich sehr entspannt. Wenn wir irgendwann in der Zukunft wieder nach Zeeland kommen, machen wir auf jeden Fall auch noch eine Naturrundfahrt mit, die nur bei Niedrigwasser stattfindet.

Weitere Informationen:

  • Am 6. März 2016 startet die MS Onrust in die neue Saison. Es wird zwischen Familien- und Naturrundfahrten unterschieden. Naturfahrten finden nur bei Niedrigwasser statt und dauern rund 2,5 Stunden. Familienrundfahrten dauern 1,5 bis 2 Stunden. Insgesamt steht 100 Sitzplätze zur Verfügung.
  • Die Familienrundfahrt kostet 13,50 pro Person. Kinder (4 bis 12 Jahre) zahlen 9,50 Euro. Die Naturrundfahrt kostet für Erwachsene 17,50 Euro und für Kinder 11,50 Euro. Hunde fahren kostenlos mit.
  • Hunde sind an Bord willkommen. Bitte denkt jedoch daran, dass dies nichts für ängstliche und unsichere Hunde ist. Insbesondere in der Hochsaison ist das Schiff sehr gut gebucht. Da sollten eure Vierbeiner gut daran gewöhnt sein, in “Menschenmengen” für zwei Stunden ohne großen Stress auszuhalten.
  • Wer kein eigenes Fernglas hat, kann sich an Bord eines ausleihen. Darüber hinaus ist das Informationsheft in deutscher Sprache sehr gut gemacht und gibt Informationen zu allen Punkten der Rundfahrt.
  • Während der Rundfahrten ist auch für das leibliche Wohl gesorgt. Es gibt eine Speisekarte für den “kleinen Hunger” zwischendurch.
  • Weitere Details und Buchungsmöglichkeiten ab 6. März 2016 findet ihr unter www.ms-onrust.nl.

Anmerkung: Wir sind auf Einladung des Niederländischen Büros für Tourismus & Convention (NBTC) in Zeeland gewesen. Zur Familienrundfahrt auf der Oosterschelde am 6. Dezember 2015 waren wir von der MS Onrust eingeladen. Vielen Dank!