Einen Klassiker zu lesen, finde ich immer wieder spannend, geht man doch davon aus, dass die Bücher, die da schon so lange die Regale der Buchhandlungen schmücken, aus ganz bestimmten Gründen dort stehen. Als sich unser Leseclub also dazu entschloss, Mrs Dalloway von Virginia Woolf zu lesen, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich hatte mich, ehrlich gesagt, noch nie mit diesem Roman auseinandergesetzt, erwartete aber Großes. Jetzt im Nachhinein bin ich etwas klüger und weiß, dass es sich bei Mrs Dalloway um einen experimentellen Roman handelt, der sich auch wie einer las.
Bei Mrs Dalloway beginnend, findet sich der Leser bald in einem sich ständig drehenden Gedankenkarussell wieder. Aus der Sicht verschiedenster Leute erlebt er einen ereignisreichen Tag, der mit einer festlichen Zusammenkunft bei der Namensgeberin des Buchs endet. Wie sooft bei Romanen, die aus mehreren Perspektiven geschrieben wurden, war es auch hier der Fall, dass mir einige Personen mehr zusagten als andere. Der vom Krieg traumatisierte Septimus und der liebeskranke Peter waren die beiden Figuren, denen ich am liebsten folgte. Bei ihnen verflogen die Seiten ganz von allein. Wechselte man kurz darauf allerdings in einen anderen Kopf, zogen sich die Absätze wie zähes Leder und das Lesen wurde fast zur Qual. Ich muss sogar gestehen, dass ich das Buch wahrscheinlich abgebrochen hätte, wenn ich es nicht gemeinsam mit meinen Lesefreundinnen gelesen hätte.
Am interessantesten am Ganzen fand ich die melancholischen Gedanken der Charaktere, die ich oftmals Virginia Woolf selbst zuschrieb. Wenn man die Geschichte, und vor allem das Ende, der Autorin kennt, so findet man in Mrs Dalloway so einige Hinweise auf ihr damaliges Seelenleben (das bilde ich mir jedenfalls ein). Suizid, die Angst, das falsche Leben zu leben und unerfüllte Liebe spielten dabei eine große Rolle, aber auch das Aufklingen von Gefühlen zum gleichen Geschlecht. Wer also gerne analysiert und interpretiert, der wird diesem Buch sicher etwas abgewinnen können. Mich lässt es mit sehr zwiespältigen Emotionen zurück.