“Mr. Crowley”, Leseprobe aus dem Roman-Manuskript “Der Knochenturm” von Ralf Boscher

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Der_KnochenturmEtwas, an dem ich arbeitete, mein Niederrhein Horror-Roman “Der Knochenturm”… (aus Boschers Werkstatt)

Zweites Kapitel: Mr. Crowley

[...]

V.

Am nächsten Tag war Peter pünktlich zur Stelle. Mary und seine Freunde hatte er den ganzen Tag nicht gesehen. Aber das war Wochentags nichts Ungewöhnliches. Schule und Hausaufgaben nahmen viel Zeit in Anspruch. Einmal hatte er kurz mit Mary telefoniert, und so schön es war, ihre Stimme so lieb an seinem Ohr zu hören, so sehr rumorte auch das schlechte Gewissen in seinem Bauch. Einen kurzen Moment war er versucht gewesen, Mary von Elisabetha zu erzählen. Er wollte keine Geheimnisse vor Mary haben. Es war einfach nicht richtig. Aber die Versuchung, Elisabetha wiederzusehen, war stärker gewesen. Selbst wenn sie ihm nicht das Versprechen abgenommen hätte, nichts zu sagen, er hätte geschwiegen. Er wollte wieder spüren, was er in ihrer Nähe gespürt hatte – ohne Mary zu verlieren. Und so hatte er sich mitsamt seinem Geheimnis im Herzen nach Einbruch der Dunkelheit auf den Weg gemacht. Sein Vater war noch bei einem Kunden. So musste er nur seine Mutter anlügen, welcher er erzählte, er sei zur Bandprobe.

Die Obereyllerstraße lag verlassen da, als er vor der Rattenburg, welche verdeckt von Bäumen inmitten eines weitläufigen verwilderten Parks im Dunkeln lag, von seinem Fahrrad stieg. Nebel kam vom nahen Bruch auf, waberte dicht über die angrenzenden Felder.

Peter zündete sich eine Zigarette an und dachte an seinen letzten Besuch hier. Er lächelte. Auch damals hatte ihn, hatte sie, der Hauch des Verbotenen gereizt, wobei, Peter zog hastig an der Zigarette, es damals weitaus weniger verboten erschienen war, als sein heutiger Besuch.

Peter lächelte bei der Erinnerung. Was waren wir doch für Kinder gewesen. Geister, buhuuh, was für ein Schmarrn! Gleichwohl zögerte er, das rostige Tor zur Auffahrt der Rattenburg aufzuschieben. Vielleicht kommt Elisabetha ja überhaupt nicht, dachte er – und etwas in ihm wäre sogar froh gewesen, wenn es so eingetroffen wäre. Der Nebel hatte mittlerweile den gut dreihundert Jahre alten wuchtigen Backsteinbau erreicht, dessen zweiter Stock und das moosige Walmdach darüber kaum noch zu erkennen waren. Ein einladendes Haus sah anders aus. Dunkel lag die Rattenburg da. Nichts deutete darauf hin, dass die Frau, die er ersehnte, zu sehen, dass die Frau, die er gleichzeitig nicht sehen wollte, an Ort und Stelle war. Dann warf er seine Zigarette auf die Obereyllerstraße und öffnete das quietschende Tor.

Augenblicklich flammten links und rechts des Weges Lampen auf. Die jäh in Licht getauchten Nebelschwaden über dem Weg schienen lebendig zu werden, drängten sich wabernd, auf- und abwallend an Peters Beine, während er langsam zum Haus ging. Mit jedem seiner Schritte hatte er deutlicher das Gefühl, sich aus der Welt, wie er sie bisher kannte, zu verabschieden. Wild wucherte der Rhododendron bis an den Weg heran, zwischen seinen Blättern glitzerten Spinnweben nass vom Nebel im Licht. Die nackten Äste abgestorbener Rosenbüsche warfen diffuse Schatten, während der Wind mit den alten Obstbäumen flüsterte. Er fühlte sich beobachtet und sah sich unbehaglich um. Schimmerten dort zwischen den fleischigen Blättern des Rhododendron nicht ein paar Augen? Ganz in der Nähe knackte es im Unterholz, Peter fuhr herum. Kam da nicht etwas näher? Für einen atemlosen Moment glaubte er ein Knurren zu hören.

In diesem Moment öffnete sich die alte Holztür der Rattenburg, Peter drehte sich um, und da stand Elisabetha voll im Licht, welches vom Raum hinter ihr in die Nacht hinausfiel und durch den dünnen, weich fallenden Stoff des schwarzen Kleides flutete, in dem sie ihren Gast erwartete. Sie lächelte, hob ihre Arme und griff sich ins Haar, welches sie an jenem Abend lang und wellig und kupferrot trug. Dann ließ sie ihr Haar los, welches nun wie ein rotglühender Wasserfall über ihre Schultern und Brüste fiel, und stützte ihre Hände gegen das Holz des Türrahmens. Peter sah sie mit großen Augen und offenem Mund an. Nichts, nur einen schmalen, schwarzen String und die feinen Linien ihrer Tätowierungen, trug sie unter dem Hauch von Kleid und der wallenden Pracht ihrer Haare. Der Teil von Peters Bewusstsein, welcher diese Frau nicht hatte wiedersehen wollte, verabschiedete sich still und leise in den Nebel.

„Cerberus!“, rief Elisabetha dann mit lauter strenger Stimme, „Bei Fuß!“ und augenblicklich raschelte es gleich neben Peter in den Büschen. Peter riss sich von den atemberaubenden Anblick los, den Elisabetha ihm bot, und sprang einen Schritt zurück. Sah zwischen den Büschen und Elisabetha hin und her. Er hatte keine Angst vor Hunden. Normalerweise. Aber was war an diesem Abend schon normal? Und bei einem Hund diesen Namens schien ihm auf jeden Fall Vorsicht angebracht zu sein. Dann trat Cerberus aus den Büschen heraus und schüttelte sich die Nebelnässe aus dem Fell. Ein Pudel, zugegeben, ein großer, schwarzer Pudel. Aber dennoch ein Pudel. Peter atmete auf. Dies wäre die letzte Hunderasse gewesen, die er mit Elisabetha in Verbindung gebracht hätte. Er streichelte lächelnd das feuchte Fell des nun Schwanz wendelnd neben ihm stehenden Hundes.

„Na dann kommt mal beide herein, ihr nächtlichen Streuner!“, rief Elisabetha, und sie beide gehorchten.

VI.

„Entschuldige bitte mein Outfit, Peter!“, sprach Elisabetha, während sie ein wenig zur Seite trat, um Peter und den Hund über die Schwelle des Hauses treten zu lassen, „Aber vor lauter Arbeit habe ich wohl ein wenig die Zeit vergessen. Dabei wollte ich mir doch nach was Hübsches für Dich anziehen!“ Peter fragte sich, während er seine Jacke auszog und auf einen Holzstuhl neben der Tür legte, was dies wohl für eine Arbeit sein mochte. Gleichzeitig wollte er etwas in der Art sagen, wie Das ist doch sehr hübsch! Aber er bekam kein Wort raus. Also nickte er nur, während Elisabetha hinter ihm die schwere Türe schloss. Die Hände unsicher in der Hosentasche vergraben sah er sich dann in der ehemaligen Eingangshalle der Rattenburg um,. Auch mit diesem Anblick hatte er nicht gerechnet. Keine Spur von einem alten baufälligen Gebäude, durch welches wuselnde Scharen von Ratten huschen. Elisabetha hatte die Halle in das größte und extravaganteste Wohnzimmer verwandelt, dass Peter jemals gesehen hatte.

Ein riesiger Kronleuchter hing unter der hohen Decke, welche mit eindrucksvollen Stuckarbeiten verziert war. Die mächtige Kette, an welcher der Leuchter hing, entwandt sich dem Maul eines gewaltigen Stuckdrachen, der sich auf der Decke schlängelte. Von den vier Ecken der eindrucksvollen Decke sahen Gargoyles mit aufgerissenen Mündern und heraushängenden Zungen auf Peter herab. Auf ihren emporgehobenen Krallenhänden schienen sie die Decke zu tragen.

Der nahezu quadratische Raum, den die unzähligen Lampen des Kronleuchters und die unregelmäßig im Raum verteilten dicken Kerzen auf hohen, gusseisernen Ständern in Licht tauchten, war beinahe so groß wie die Scheune, in der Pauls Vater seinen Traktor und seine anderen Maschinen aufbewahrte. Die Eingangstür hinter Peter befand sich mittig in der von mehreren großen Fenstern durchbrochenen Außenwand. Die Fenster waren mit dicken ochsenblutfarbigen Samtvorhängen verhangen. Zwischen den Fenstern standen mehrere alte Holzschränke unterschiedlicher Höhe, gefüllt vor allem mit Apothekergläsern in allen Größen und Formen, die meisten aus braunem, lichtundurchlässigem Glas. Zu seiner Linken, ebenfalls mittig in der holzgetäfelten Wand gelegen, führte eine Doppeltür in benachbarte Räume. Auch dort standen Schränke mit einer ähnlichen Anordnung an Gläsern. Die lange Wand zu seiner Rechten, zu welcher der Pudel hinüberlief, war fensterlos. Cerberus legte sich direkt vor dem Fußende einer von Wurmfrass gezeichneten, aber dennoch sehr stabil aussehenden Holztreppe nieder, die vom Innenraum aus in leichtem Bogen nach links über mehrere Absätze hoch zu den Räumen im oberen Stockwerk führte. Unter der Treppe befanden sich mehrere Bücherregale. Rechts von der Treppe stand ein Regal mit Hifi-Anlage und DVD-Player. Ein Flachbildschirm von gewaltigen Ausmaßen hing an der Wand, die verschiedenen Boxen des dazu gehörenden 7.1 Surround-System waren ausgerichtet auf ein sehr gemütlich aussehendes, sehr breites Sofa aus braunem Leder.

Zwei weitere Ledersofas standen zusammen mit einem Sessel mitten im mit alten Holzdielen ausgelegten Raum. Sie waren um einen großzügig bemessenen ovalen Couchtisch aus schwarz getönten Glas gruppiert. Der Fuß des Tisches bestand aus einer aus schwarzem Stein gearbeiteten Skulptur einer nackten Frau, welche auf allen vieren, mit emporgereckten Hinterteil und gesenktem Kopf, dem Glas als Stütze diente. Der freie Platz an der einen Seite des Tisches öffnete sich zu einem offenen Kamin, in dem ein mehrere Holzscheite knisterten und knackten.

Vor dem Kamin lagen Felle unterschiedlicher Tiere, darauf Unmengen an Kissen und mehrere Bücher. Links und rechts vom Kamin umrahmten wiederum altmodische Schränke aus Holz zwei kleinere Türen, die aus dem riesigen Raum hinausführten.

„Imposant nicht?“

Elisabetha war, eine Zigarette in einer Hand und eine handflächengroße Fernbedienung in der anderen, neben Peter getreten und sah zum Kronleuchter empor. Peter nickte nur abwesend, denn er hatte die großen Gemälde in schweren Rahmen entdeckt, welche den Treppenaufgang zierten, und war so gefangen von diesem Anblick, dass er auf die nahezu nackte Frau neben sich kaum achtete. Jedes einzelne Ölgemälde zeigte eine junge Frau, die Mary verblüffend ähnlich sah und doch nicht Mary war.

„Die Decke habe ich mir in Schottland abgeschaut, Boleskine House, ganz in der Nähe des Loch Ness’.“, sprach Elisabetha und zündete sich die Zigarette an. „Schon mal was von Aleister Crowley gehört, Peter? Boleskine House gehörte ihm.“, fragte sie.

„Ist das nicht der Typ über den Ozzy Osbourne singt?“, fragte Peter abgelenkt.

„Du kennst dich ja aus!“, meinte Elisabetha und lächelte. „Crowley ist nicht vergessen. Aber wusstest du auch, dass sie Crowley viele Namen gegeben haben. Zauberer. Weiser. Schwarzmagier. Satanist. Er selber nannte sich To Mega Therion, das große Tier, als dessen Inkarnation er sich selbst sah. Aber wie auch immer, er hat viele Spuren hinterlassen – auch in der Musik, die du anscheinend kennst. Jimmy Page, den kennst du ja sicher, hat das alte Haus von Crowley Anfang der siebziger Jahre gekauft – und einige Led Zeppelin Songs entstanden dort.“ antwortete Elisabetha.

„Ah ha“, entgegnete Peter, der seinen Blick nicht von den Bildern nehmen konnte, „Wer ist das auf den Bildern!“

Elisabetha lächelte:

„Klar, dass du nach ihr fragst!“, sie ging um Peter herum, strich ihm mit dem kleinen Finger der Hand, welche die Zigarette noch hielt, über die Wange. Peter hielt den Atem an, eine Gänsehaut breitete sich über seinen ganzen Körper aus, als sie ihm ins Ohr flüsterte:

„Aber auf diese Frage werde ich Dir heute keine Antwort geben!“

Elisabetha dimmte mit der Fernbedienung das Licht des Kronleuchters, so dass die Gemälde langsam in der Dunkelheit versanken. Peter blickte unwillkürlich noch oben, wo nun der Drache hinter dem weniger hell strahlenden Kronleuchter deutlich hervortrat.

„Wann?“, fragte Peter, während der Drache sich im flackernden Schein der im Raum verteilten Kerzen zu bewegen schien, sich regte und streckte, als wolle er sich von der Decke lösen.

„Bald!“, entgegnete Elisabetha, und drückte erneut eine Taste auf der Fernbedienung, so dass der DVD-Player und der Fernseher sich einschalteten. Ein in nächtliche Schatten gehüllter Baumstumpf erschien auf der riesigen Bildfläche, dazu erklang laut ein Frauenchor, der Latein sang, Pferdegeklapper im Hintergrund. Peter erkannte das Video von der norwegischen Black Metall-Band Dimmu Borgir, die in schwarzes Leder und Nieten gehüllt, mit weißgeschminkten Gesichtern nach dem sakralen Beginn des Songs ihr Blastbeat-Inferno losbrechen ließen. Er hatte es einmal auf einer DVD, die als Gratis-Bonus einer Heavy Metal-Zeitschrift beilag, gesehen – und er hatte diese brachiale musikalische Düsternis mit ihren dramatischen melodischen Elementen, diesem Spiel mit satanistischer, kirchenfeindlicher Symbolik ebenso beeindruckend wie verstörend gefunden. Gleichwohl war ihm diese Art von Musik zu heftig gewesen. Ein zweites Mal hatte er sich das Video nicht angesehen. Doch in diesem Moment, während der Drache über ihm im Kerzenschein zuckte, und Elisabetha ihre Haare zurückstrich, so dass bei dieser wie beiläufig wirkenden Bewegung ihre üppigen Brüste den dünnen Stoff des Kleides straffer spannten, erschien ihm dies die angemessene musikalische Untermalung zu sein.

„Sehr bald!“, flüsterte Elisabetha Peter ins Ohr, den wiederum eine Gänsehaut über den ganzen Körper lief.

 

Ende der Leseprobe aus dem Roman-Manuskript „Der Knochenturm“ von Ralf Boscher

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