Mortal Kombat 11 – Zeitreisen, Ninjas & Cyborgs

Erstellt am 22. April 2019 von Florian Geimer @OtakuLoungeDE

Fatality, Brutality & Friendship

Kunst löst im Betrachter Gefühle aus, schafft Erinnerungen und geht oft über das rein Dargestellte hinaus. Ob Videospiele generell Kunst sind, steht wohl noch zur Debatte und machen wir uns nichts vor, ich bin ganz sicher nicht qualifiziert das überhaupt zu beurteilen. Ich kann aber die aufgezählten Attributen auf die Mortal Kombat Reihe übertragen und das ganze auch noch Ernst meinen!

Es mag daran liegen, dass ich mittlerweile eher zum alten Eisen zähle, aber Mortal Kombat ist die erste Videospielreihe, die ich bewusst gespielt habe. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie ich als kleiner Steppke zugegebenermaßen etwas zu früh mit meinen älteren Cousins vor dem PC saß und mit den coolen bunten Ninjas und dem Typen mit den Metallarmen aufeinander eingedroschen habe, bis er endlich kam: Der Moment, wo sich der Bildschirm verdunkelt und eine düstere Stimme FINISH HIM! gröhlt. Was das hieß, wussten damals weder meine Cousins noch ich. Auch was darauf folgte habe ich nur in Ausschnitten gesehen, da ich mir auf Geheiß der Älteren die Augen zuhalten musste. Ein Englischstudium später weiß ich, was die blutigen Lettern bedeuten und zieh mir die folgenden Fatalities auch genüsslich rein. Machen wir uns nichts vor, ich bin Fan, habe jeden Teil gezockt und auch die fürchterlichsten Spiele gefeiert. Und aus der Warte betrachte ich auch den nun 11. Teil der Serie.

Pizza-Cutter Story für Genießer

Pizza Cutter ist ein Ausdruck, den ich vor einer Weile aufgeschnappt habe. Er steht für all edge, no point und beschreibt die Handlung von Mortal Kombat ganz wunderbar. Und in dem Fall ist das nichtmal ein Kritikpunkt. Wer sich mit der Reihe auseinandergesetzt hat, der weiß, dass die Geschichte rund um ein Turnier, bei dem die Verteidiger der Earth Realm gegen die monströsen Eindringlinge aus der Neatherrealm kämpfen um unsere Erde zu retten natürlich total hanebüchen ist und bestenfalls B-Movie Charme hat. Gerettet wird das aber dadurch, dass sich die Truppe rund um die Erfinder der Reihe Ed Boon und John Tobias komplett bewusst ist, was für einen Unsinn sie eigentlich verzapfen und deshalb absichtlich den Bogen überspannen. Belege für dieses Selbstbewusstsein sind ständige Easter Eggs und eigenartige Charaktere, wie der düsteren Noob Saibot, dessen Name einfach die Namen der Chefs rückwärts ist oder Mokap, der ein Typ im Motion Capture Anzug ist und sich als Witz dermaßen verselbstständigt hat, dass er zu einem spielbaren Charakter wurde. So läuft dieser Irrsinn schon seit 25 Jahren. Und zu der Feier wird in Mortal Kombat 11 nochmal richtig aufgefahren, denn Netherrealm Studios hat sich als Entwickler auf die Fahne geschrieben, Prügelspiele mit anständigen Story Modes zu erschaffen. Das ist den Jungs auch schon mit Mortal Kombat X und der Injustice Reihe hervorragend gelungen. Und mit Mortal Kombat 11 liefern die Amerikaner ein wahres Husarenstück, denn hier wird die lange Geschichte der Spielserie durch Kronika, einem Elder God, komplett durcheinander geworfen und alte Veteranen, wie Sonya Blade und Scorpion treffen dort auf ihre jugendlichen Versionen.

Das ganze wird in ausgiebigen Videosequenzen erzählt und gibt dem Spieler gelegentlich die Wahl zwischen den Charakteren und bietet dazu auch noch verschiedene Enden. Die Geschichte ist tatsächlich gelungen, denn man baut zu manchen Charakteren eine echte Bindung auf und obwohl die Verquickung von Sci-Fi, Horror und Wuxia irgendwie irre klingt, macht es irre Spaß auf neue und alte Charaktere zu treffen und ein blutiges Duell mit ihnen auszufechten. Und das auch für mindestens 8 Stunden.

Gewaltiger Umfang und ein kleiner Wermutstropfen

Dabei bleibt die Kampagne nicht der einzige umfangreiche Part des Games, den es gibt eine Vielzahl an Modi, die auch die Spieler hinterm Ofen hervorlocken können, die an Multiplayer eigentlich gar kein Interesse haben. Neben der Kampagne, bei der man unter anderem einen geheimen Charakter freischalten kann, gibt es nämlich noch die Tower Challenges, unterschiedlich lange Kampf-Events die verschiedene Herausforderungen bereithalten. Die Klassic Tower liefern dem erfolgreichen Kämpfer eine kurze, aber stimmungsvolle Videosequenz in der eine alternative Story für den jeweiligen Kämpfer erzählt wird. Bei rund 20 spielbaren Charakteren kann man alleine dafür schon einige Stunden zocken. DLC Charaktere, wie zum Beispiel der Pre-Order Bonus Shao Khan, kriegen natürlich auch ein eigenes Ende spendiert und erweitern so das Spielerlebnis auch noch nach dem eigentlichen durchzocken. Die Endings sind aber nicht die einzige Belohnung für das erfolgreiche Kämpfen, denn man kann auch Items erhalten, die man bei Tower Challenges nutzen kann um sich den Kampf etwas einfacher zu gestalten, denn oft sind diese Challenges absichtlich zu Gunsten der Gegner konzipiert. Das verleiht dem Kampf eine neue taktische Ebene, die sich zum Glück aber nur auf den Single Player begrenzt. Kämpfe gegen andere Spieler laufen weiterhin nach den normalen Regeln. Zusätzlich liefern die schweren Tower eine Möglichkeit sich neues Gear zu verdienen. Verdienen ist dabei als Begriff durchaus ernstzunehmen, denn für diese Kämpfe muss man sich schon mit den richtigen Items ausstatten, da man sonst ziemlich schnell wortwörtlich einen Kopf kürzer gemacht wird.

Außerdem gibt es erneut den Krypt Modus. Diesmal erkundet man als namenloser Shaolintyp Shang Tsungs Insel und kann dort, gespickt mit einigen Rätseln, Truhen öffnen um verschiedenes Zeug freizuschalten. Dabei geht es von Artworks über die Anleitungen zu Fatalities und Brutalities bis zu Skins und Items für die Charaktere. Der Reiz liegt dabei darin, dass man eigentlich nie weiß, was sich in den Truhen befindet. Die sind zwar unterschiedlich bepreist und müssen mit einer der drei Ingamewährungen freigekauft werden, geben aber keinen echten Vorgeschmack darauf, ob sich in der teuren Truhe auch was tolles befindet oder ob die billige Kiste daneben nicht vielleicht doch den gewünschten Skin enthält. Das Glücksspiel, gepaart mit den Rätseln und Lorehinweisen macht die Gruft zu einem eigenen kleinen Spiel im Spiel, das auch noch klasse aussieht. Aber einen Wermutstropfen gibt es schon, denn Loot Boxes gibt es zwar nicht, dafür muss man für seine Währung stundenlang grinden. Da man die Währung auch für Echtgeld kaufen kann, bleibt da ein echt schaler Beigeschmack bei der eigentlich besten Version der Krypt in der Geschichte von Mortal Kombat, die plötzlich wie eine künstliche Verlängerung der Spielzeit erscheint, um die Spieler zu schröpfen. Nehmen wir als Beispiel die Währung der Herzen. Diese erlangt man in der Regel durch Fatalities (1 Herz) oder Brutalities (2 Herzen), man benötigt für eine typische durch Herzen zu öffnende Truhe 250. Zwar kann man das angeblich irgendwie durch Upgrades verbessern, nach 13 Stunden Spielzeit habe ich persönlich aber noch keine davon gesehen. Verglichen damit wie viel Herzblut in allen anderen Elementen des Spiels steckt, scheint hier der Publisher den Entwicklern auf den Zehen zu stehen. Schade, aber immerhin sind in den Truhen keine gameplayverändernden Inhalte für das Herzstück des Spiels, den Multiplayer. Noch schwerer wiegt da der Umstand, dass man bei lokalem Multiplayer sein Inventar nicht mit dem Gastspieler teilen kann. So spielt der zweite Spieler stets die zweite Geige, denn er hat weder die selbe umfangreiche Auswahl an Skins, wie der Hauptaccount, er muss sich auch die wählbaren Special Moves erst selbst zusammenbasteln, statt die Favoriten des ersten Spielers zu übernehmen. Als Ausweg dafür gibt es aber den Turniermodus, der den Spielern Ausstattungen vorgibt.

Aber zurück zu den gelungenen Elementen. Mortal Kombat 11 sieht sich offensichtlich als ernstzunehmenden E-Sport Prügler, dafür sprechen die im Vorfeld über Twitch gestreamten Kombat Kasts und die daraus entstandene E-Sport Tournament Stage. Und Nether Realms Studios wissen auch, wie man sich eine amtliche kompetetive Spielerschaft heranzieht! Denn das Tutorial gesellt sich gleich zu den Besten, die ich in einem Beat-Em-Up je gesehen habe. Neben den Grundlagen werden nämlich auch Fachtermini aus der Welt der Beat-Em-Ups erklärt und vom Spieler ausprobiert. So weiß der Anfänger nach den umfangreichen Tutorials sofort, was es mit den Fachtermini auf sich hat und wird dafür auch noch mit Ingame Währung belohnt. Ähnlich vorbildlich geht es dann damit weiter, dass jeder Charakter ein eigenes Tutorial hat, dass dem Spieler die Grundlagen vermittelt und ihn nach erfolgreichem Abschluss mit einem Skin belohnt.

ABER: Will man überhaupt irgendetwas freischalten, muss die Konsole online sein. Reine Offline Spieler können sich das Spiel direkt sparen, denn man erhält nur einen Bruchteil des Spiels, wenn man keine (zumindest gelegentliche) Anbindung an das Internet hat!

Technik die begeistert

Mortal Kombat 11 sieht fantastisch aus. Das ganze Spiel ist etwas langsamer als der Vorgänger, sieht aber um Längen besser aus. Die Charaktere bewegen sich authentisch und besonders die Gesichtsanimationen sind in diesem Genre einzigartig gut. Über das Design lässt sich sicherlich streiten, nicht jeder steht auf die B-Movie Ästhetik, aber das meiste Zeug sieht einfach klasse aus, egal ob es Jaquis X-Com-artige Rüstung oder Noob Saibots gruselige Kapuzen sind. Veteranen erkennen ihre Lieblinge auf den ersten Blick und können ihre Helden auch in verschiedenen Ausführungen zocken. Ebenso gelungen sind die Neuzugänge Geras, Cetrion und der Kollector, die sich nahtlos in das Roster einfügen. Die Helden spielen sich alle flüssig, das Gamepad reagiert stets genauso wie es soll, ganz ohne auch nur ansatzweise hakelig zu sein, so dass Special Moves und Fatalities mühelos von der Hand gehen. Kann man sich diese übrigens nicht merken oder übt sie noch, dann kann man sie mit einem Tastendruck einblenden lassen. Der Sound selbst ist auch nahezu makellos. Alles matscht und klatscht ganz wunderbar ekelig vor sich hin, die Todesschreie und das Gegrunze während der Fatalities bringt die nötige Härte mit und wird von tatsächlich coolen One-Linern begleitet, die trotz der Abgehobenheit der Spielwelt echt überraschend gut und überzeugend vorgetragen werden. Zumindest meistens, denn scheinbar kann kein Spiel mehr ohne ein Promi Cameo davonkommen und Mortal Kombat 11 wird von Ronda Rousey heimgesucht, die Sonya Blade die Stimme leiht. Irgendwie stößt sie einem dabei aber immer sauer auf, die anderen Sprecher sind eben richtige Profis und wirken wie ihre Charaktere, Rousey gelingt das meiner Meinung nach nicht. Abgerundet wird die überzeugende technische Leistung durch kurze Ladezeiten und einen soliden Netcode.

Summary