Moritz und Bibi Bond gegen den Rest der Welt: „Tatort: Deckname Kidon“ aus Wien

Erstellt am 5. Januar 2015 von Bandrix @cityofcinema1
Was würdet ihr machen, wenn ihr einen Zug anhalten wollt? Chefinspektor Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) haben die perfekte Lösung: Wie ein Verrückter auf die Autohupe drücken und aus dem Fenster winken. Sollte das nicht helfen, einfach auf die Gleisen stellen und wieder winken. Bringt dummerweise nur auch nichts. Wie überraschend. Klingt albern, wirkt es auch – genauso wie der Rest dieses seltsamen Agenten-Tatorts aus Österreich.
Auf das Dach eines Taxifahrers knallt mit voller Wucht ein Toter. Es ist der iranische Diplomat Dr. Bansari, sein Job ist ein typischer Hinterzimmer-Job: Atomphysiker und tätig im Einkauf des iranischen Atomprogramms. In Deutschland kamen die Behörden auf die Idee, dass die über dubiose Subunternehmen georderten Ventile statt für die Erdölförderung für die Atomindustrie des Landes gedacht sein könnten. Also probieren es Bansari mithilfe des österreichischen Waffenlobbyisten Trachtenfels-Lissé (überzeugend als schmieriger und überheblicher Bösewicht: Udo Samel) und seine Kollegen im Nachbarland. Damit das nicht heraus kommt, reißt sich ein Botschafts-Mitarbeiter Laptop und Mobiltelefon des Toten unterm Nagel, er war ja schließlich Diplomat. Ernst Rauter (Hubert Kramar), Chef von Bibi und Moritz, gibt den beiden Ermittlern dann auch zu bedenken: Der Mossad und auch die österreichischen Behörden spielen hier mit, es ist also Fingerspitzengefühl gefragt..

Lege dich nie mit einem Diplomaten an! ©ORF

Der Mossad! Das iranische Atomprogramm! Dubiose dunkle schwarze Autos! Ein dubioser Adliger, der mit Waffen handelt und auf einem streng beschütztem Anwesen haust! Handys (in diesem Fall das von Eisner), die durch einen Trojaner abgehört werden!
Drehbuchautor Max Gruber und Regisseur Thomas Roth holen die ganz schweren Geschütze raus – und scheitern nahezu kläglich. Die Geschichte der Gesetzeshüter, die es mit den ganz großen Bösen dieser Erde zu tun haben und daher auf illegalem Wege ermitteln müssen, ist keineswegs neu. In skandinavischen Krimis oder auch beim ehrwürdigen James Bond mögen solche Stoffe für beste Unterhaltung sorgen, wenn aber zwei Ösi-Tatort-Ermittler sich an dieses Thema wagen, dann ist die Hürde leider zu hoch. Und tatsächlich scheitern auch Moritz und Bibi Bond, wie sie sich an einer Stelle selbst bezeichnen, an eben jener.
Das beginnt bei albernen Szenen wie oben beschrieben, geht über eine grausame musikalische Untermalung – es geht um den Iran, also muss die ganze Zeit orientalisch im Off hergedudelt werden..schon klar – bis hin zu möchtegern-weltpolitischen Einfällen wie eine geheimnisvolle Mossad-Spezialeinheit namens Kidon, die aber ungemein dämlich agiert.
Beim Morden lassen sich die Killer wie Amateure von Überwachungskameras filmen, als sie wenig später bei einem Mord von Eisner auf frischer Tat ertappt werden nehmen sie erstmal die Visiere ihrer Motorradhelme hoch – damit auch jeder sehen kann, wer dahinter steckt. Vielleicht sollte ich mich auch mal beim Mossad bewerben.

Auf Kostümbällen sammelt er Geld für Tansania, sonst macht der Herr links dubiose Geschäfte... ©ORF

Einer der wenigen Lichtblicke in diesem Chaos, bei dem Eisner und Fellner größte Zeit von Ort A nach B unterwegs sind und stets auf Granit stoßen, ist tatsächlich als Samel als Oberschurke. Vordergründig sammelt er auf Kostümbällen Geld für Tansania, ansonsten verbringt er seine Freizeit mit iranischen Diplomaten bei Industrieunternehmen namens „Kreindl und Koch“ - na, klingelt´s? -; eine wunderbare Figurenzeichnung. Auch das Schicksal von Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig), die im Rollstuhl sitzend in einer Klinik untergebracht ist, bringt wenigstens ein bisschen Abwechslung in die Geschichte – überraschenderweise brachte man sie nicht in Gefahr, wovon ich schon stark ausging. Auch Krassnitzer und Neuhauser geben ihr Bestes, um aus dem letztlich viel zu überambitionierten Streifen noch das Optimum herauszupressen. Ebenso übernimmt die Figur Rauter, der sich mal als Vorgesetzter nicht auf die Seite des „Bösen“ stellt, eine gute weil überraschende Rolle.

©ARD

Aber der fade Beigeschmack überwiegt letztlich: Die Geschichte wirkt nie flüssig und will schlichtweg viel zu viel. Die Rettung der Welt überlassen sie beim nächsten Mal dann doch lieber Daniel Craig.

BEWERTUNG: 05/10

Titel: Tatort: Deckname KidonErstausstrahlung: 04.01.2015Genre: KrimiRegisseur: Thomas Roth
Darsteller: u.a. Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Tanja Raunig, Hubert Kramar, Udo Samel