Im Angesicht der heutigen Plastik- Wegwerf- Eintagsfliegen- Musik ist es schon erstaunlich, dass es (zum Glück) noch Bands gibt, die von sich behaupten können, seit 20 Jahren die Bühnen dieses Globus zu bespielen.
Leider ist es aber so, dass deren (Über-)Leben abseits, der Mega- Events à la Lady Gaga, Robbie Williams und Konsorten verläuft.
Oder ist es auch vielleicht dieses Nischendasein, das den Hunger nicht abebben lässt auf ein Weiter und Weiter?
Morblus ist so eine Band, die die Hauptverbindungsstraßen in Mitteleuropa bald blind fahren könnte. Kein Weg ist zu weit, keine Bühne zu klein. Spielen. Spielen. Spielen,
Mag sein, dass die vier aktuellen Mitglieder dieser Formation Getriebene sind. Was soll’s? Egal, wo sie auftreten: Sie finden stets offene Ohren und der Beifall ist gewiss.
Die Fangemeinde wächst stetig und das ist gut so und hart verdient. Mittlerweile weiß ich nicht mehr, wie oft ich diese Italiener bereits auf irgendwelchen Bühnen gesehen habe. Es waren Konzerte in Frankreich, in den Niederlanden, in Belgien, in Luxemburg (nass bis auf die Knochen), in Deutschland und jetzt in ihrem Heimatland Italien.
Schon beim Verlassen des Fliegers weht uns ein herzlich warmer Wind entgegen. Ein gutes Omen. Denn im Verlaufe des Tages und des Abends soll es uns noch ein bisschen heißer werden.
Das Teatro Romano in Verona wird im doppelten Sinne zum historischen Ort der fälligen Geburtstagsparty.
Der Nachmittag dieses neunten September des Jahres Zweitausendundelf ist dem peniblen Soundcheck gewidmet. Alles läuft streng nach Plan. Schließlich soll das Spektakel mitgeschnitten werden.
Alle sind hoch konzentriert bei der Arbeit, die Musiker, die Tontechniker, die Beleuchter und alle die, die ihre Aufgaben mehr oder weniger im Verborgenen verrichten. Aber der Spaß kommt auch nicht zu kurz. Beste Arbeitsbedingungen für alle.
Das Konzert wird eine musikalische Revue der letzten 20 Jahre Bandbestehens. So sind auch einige der ehemaligen Mitglieder vor Ort. Lele Zamperini zum Beispiel, der mittlerweile die Trommelstöcke für Rudy Rotta wirbelt oder der Gitarrist Luca Boscagin, der zurzeit in London wohnt und sich dem Jazz widmet.
Dann noch die illustren Gäste: Enrico Crivellaro, für mich einer der herausragendsten Gitarristen der Szene, Marco Pandolfi, ein erstklassiger Harmonikaspieler, davon konnte ich mich schon vor zwei Jahren beim Bluesfestival in La Chèze überzeugen, Tommy Schneller, großartiger Saxofonspieler (schreibt man das wirklich jetzt mit „f“ statt „ph“?) und Sänger, sowie Olli Gee, als langjähriges Mitglied der Blues Company gestandener und ausgezeichneter Bassmann.
Die Stimmung ist gut an diesem sonnigen Nachmittag. Immer wieder betreten Touristen das Halbrund des antiken Teatro Romano. Manche verharren eine geraume Weile und beobachten das Geschehen, bevor sie weiterziehen.
Es macht Spaß, den Proben zuzusehen und zuzuhören. Einsätze, Solopassagen werden verabredet. Alles läuft wie am sprichwörtlichen Schnürchen.
Gegen 18 Uhr beschließe ich, noch kurz ins Hotel zu fahren, einchecken und schleunigst unter die Dusche und die angeschwitzten Klamotten gegen frische tauschen.
Gegen 20 Uhr bin ich zurück. Im Backstagebereich stehen ein paar Pizzahäppchen bereit, die eine oder andere Flasche Amarone findet sich plötzlich nur noch mit Luft gefüllt.
Pünktlich um 21 Uhr heißt es dann: „Showtime!“.
Und es wird eine Show der Extraklasse: Drei Stunden werden die Zuhörer im altwürdigen Theaterhalbrund verwöhnt mit Titeln aus der Geschichte des Blues, die unweigerlich auch ein Teil der Geschichte dieser famosen Band ist.
Harmonika-, Orgel-, Gitarren-, Saxofonsoli geben sich die Notenschlüssel in die Hand.
Und das alles vom Allerfeinsten.
Auch heute, da das Ganze schon über drei Wochen Geschichte ist, überläuft mich noch der ein oder andere Wonneschauer, wenn ich an dieses Konzert denke.
Ja, ich bin Fan auch dieser Band, aber ich bin auch Musikkenner genug, um zu behaupten (völlig subjektiv natürlich), dass dies eins der besten Konzerte war, die ich bisher die Freude hatte, mitzuerleben.
Hier stimmt wirklich und einfach alles: Die Musik, die Interpreten, das Ambiente, das Publikum.
Der alte Titel von Albert King: „ I’ll Play The Blues For You“ wird zum unausgesprochenen Motto des Abends. Roberto Morbioli und alle auf der Bühne Versammelten geben ihr Bestes, um eben diesem Motto gerecht zu werden, was sie sprichwörtlich „spielend“ schaffen. Klar!
Nach drei Stunden ist dieser einzigartig angenehme Spuk vorbei. Man liegt sich in den Armen, Ausdruck der Freude über dieses gelungene Musikfest.
Zeit zum Essenfassen, es gibt ein äußerst schmackhaftes Risotto, dazu noch das eine oder andere Bier oder ein Glas Vino Rosso. Begeisterte Gespräche.
Irgendwann gegen drei Uhr bin ich auf dem Weg ins Hotel, es sind immer noch 27 Grad Celsius. Genauso müde wie zufrieden bin ich, diesen zweiten Bluestrip über die Alpen gemacht zu haben.
Wieder etwas, von dem ich noch lange zehren werde. Wie alle anderen Beteiligten wohl auch. Ein Erlebnis, aus dem großartige Erinnerungen entstehen werden, bis Alzheimer uns scheidet.
So bin ich auf die nächsten 20 Jahre von Morblus gespannt.
Gilt der Frühbucherrabatt denn auch jetzt schon für einen Flug nach Verona?