Eigentlich erstaunlich, wie lange man im Zeitalter des Internets Mutter sein kann, ohne zu wissen, wie das Spiel mit den fetten Rabatten auf Spielzeug in der Vor-Vorweihnachtszeit läuft. Fast fünfzehn Jahre habe ich gebraucht, um endlich auch mal mitzuspielen. Schon als Karlsson noch ein Winzling war, kaufte ich Spielsachen vorzugsweise im Internet. Verantwortungsvolle Mütter tun das nicht, ich weiss, denn beim Bestellen im Internet riecht man die Giftstoffe nicht, mit denen Spielzeughersteller ihre Produkte gerne anreichern. Aber da unsere ansonsten ziemlich fantasiebegabten Kinder um die Weihnachtszeit jeweils ganz furchtbar langweilige Wünsche vorbringen – “Ich will die Lego-Schachtel mit der Nummer 12056823656546347657556770096567” -, brauche ich mir darüber ja wohl keine Gedanken zu machen. Ein Legostein ist ein Legostein ist ein Legostein, egal hinter welcher Artikelnummer er sich verbirgt und bis jetzt habe ich noch keinen angetroffen, der verdächtig nach Giftstoffen gerochen hat.
Weil aber der Webshop meines Vertrauens Prinzchens Geburtstagswunsch nicht im Sortiment hat und nicht zu erwarten ist, dass ich das Zeug vor Freitag anderswo mit 30% Rabatt bekomme, stürzte ich mich für einmal ins Getümmel. Jawohl, ein Getümmel war das, an einem gewöhnlichen Montagmorgen im Herbst. Heerscharen von Müttern tummelten sich in der Spielzeugabteilung, diskutierten in den schmalen Durchgängen über die Vorzüge von Playmobil gegenüber Lego, versperrten einander gegenseitig den Weg, fuhren die Ellbogen aus und räumten die Regale leer. Grosseltern verhandelten mit Enkelkindern über die akzeptable Grösse eines Zwischendurch-Geschenkes, das die elend lange Wartezeit zwischen dem Geschenkeinkauf im Oktober und der Bescherung im Dezember überbrücken soll. Dank Telefonschaltung ins Büro war auch der eine oder andere Vater am Grosseinkauf beteiligt.
Wie um Himmels Willen soll in diesem Gewühl eine wie ich je an Prinzchens Traumschiff herankommen? Nach einigen erfolglosen Versuchen sah ich ein, dass man den Einkaufswagen besser aus der Sache raushält und irgendwann begriff ich auch, dass man es an einem solchen Ort ohne eine Prise Frechheit zu nichts bringt. Aber auch ohne Wagen und mit Frechheit gelang es mir nicht, Prinzchens Wunschliste abzuarbeiten. Dort, wo der von ihm heiss ersehnte Adventskalender hätte stehen sollen, gähnte nämlich eine riesige Lücke im Regal, im nächsten Laden, den ich auf dem Heimweg besuchte, sah es nicht anders aus. Erst im dritten Geschäft konnte ich auch diesen letzten Punkt abhaken und mich endlich wieder in meine friedlichen vier Wände zurückziehen, wo zwar auch Chaos herrschte, wo ich aber immerhin bis zur Heimkehr meiner Horde keinen Ellbogen mehr in die Seite gerammt bekam.
Der heutige Morgen hat mich zwei Dinge gelehrt:
- In Zukunft kaufe ich wieder alle Spielsachen online, auch wenn dabei der fette Rabatt flöten geht.
- Solange Eltern und Grosseltern im Oktober die Regale leer fegen, hören die Geschäfte ganz bestimmt nicht damit auf, im Herbst schon einen auf Weihnachten zu machen.