Hallo ihr Lieben! 🙂
Am Samstag haben der Lieblingsmensch und ich die neue Küche zelebriert. Zuerst hat der gelernte, ehemalige Bäcker einen Kirsch-Streuselkuchen für uns gezaubert und abends gab es selbstgemachte Pizza. Beides konnten wir noch nie backen, weil unser alter Ofen die dafür notwendigen Temperaturen nicht erreichte. Dann haben wir es uns vor dem Fernseher gemütlich gemacht und uns die neuste Ergänzung der Netflix-Bibliothek angesehen: „Der goldene Handschuh". Ich habe das gleichnamige Buch von Heinz Strunk, in dem er die Verbrechen des Serienmörders Fritz Honka in den 70er Jahren in Hamburg thematisiert, bereits vor etwa 3 Jahren gelesen, der Lieblingsmensch hingegen hat es gerade erst beendet. Es war einer der seltenen Fälle, in denen ich auf die Verfilmung neugierig war, weil ich sehen wollte, ob das literarische Experiment, das Heinz Strunk vorlegte, überhaupt filmisch umsetzbar ist. Mein Fazit: Ist es nicht. Der Film ist wirklich gut gemacht, hält sich eng an die Vorlage und der Setaufbau ist eine verblüffend authentische Kopie der Lebensumstände Honkas, aber das, was das Buch ausmacht, kann er nicht vermitteln. Der biografische Roman lebt von den Innenansichten des Serienmörders, sein Reiz besteht darin, dass man sich als Leser_in fragen muss, wie weit Sympathie für einen Protagonisten gehen darf. Dieser Effekt entsteht im Film überhaupt nicht, weil das Publikum nicht erfährt, was in Honka vorgeht. Außerdem nimmt die Kneipe „Zum goldenen Handschuh" eine viel zu geringe Rolle ein. Es kommt nicht rüber, dass es sich dabei um einen Schmelztiegel der Schicksale handelte, wodurch die Milieustudie, als die das Buch gelobt wurde, völlig in den Hintergrund tritt. Im Film geht es um Honkas Verbrechen, was ich als Andenken an seine Opfer schätze, doch das Buch deckt viel mehr ab als das. Solltet ihr also darüber nachdenken, den Film anzuschauen, kann ich euch nur empfehlen, auch den Roman auf eure Liste zu setzen. Bei Interesse findet ihr HIER meine Rezension.
Nun ist das Wochenende und damit die Gelegenheit zu einem lauschigen Filmabend allerdings schon wieder vorbei und wie immer starte ich in die neue Woche mit der Montagsfrage von Antonia von Lauter&Leise!
Die heutige Frage stammt vom lieben Torsten von Torsten's Bücherecke. Ich beherrsche nur eine Fremdsprache gut genug, um in dieser Sprache auch lesen zu können: Englisch. Immerhin eine, mit der ich ziemlich weit komme. 😉 Wahrscheinlich lese ich etwas mehr als die Hälfte meiner Gesamtlektüre im Jahr in Englisch. Genau weiß ich es nicht (mehr), weil ich die entsprechende statistische Zahl aus meinem Jahresrückblick 2020 gestrichen habe. Ich fand, dass sie nichts mehr über mich aussagt und es einfach nicht wichtig ist, in welcher Sprache ich ein Buch nun lese, weil das kein Faktor ist, der bei meiner Lektüreauswahl eine Rolle spielt. Ich kann englische Bücher mittlerweile genauso flüssig lesen wie Bücher in Deutsch, bin literarisch also wahrhaft zweisprachig. Das muss ich nicht ausufernd analysieren oder gegeneinander aufrechnen.
Auf die Frage nach dem Warum ist die Antwort im Kern denkbar simpel: Weil ich es kann. Es gibt einen Haufen Gründe, die meiner Meinung nach dafür sprechen, im Original zu lesen und nicht zur Übersetzung zu greifen, wenn man nicht muss.
Ursprünglich bewegten mich zwei Argumente dazu, auf englische Lektüre umzusatteln. Ich hatte es satt, den deutschen Marktmechanismen unterworfen zu sein, die dazu führen, dass einige Reihen aus finanziellen Faktoren heraus irgendwann nicht weiter übersetzt werden. Obwohl ich diese Entscheidung aus Sicht der Verlage durchaus verstehen kann, bin ich als Leserin in solchen Fällen natürlich die Gelackmeierte. Will ich wissen, wie die Geschichte weitergeht, bleibt mir keine andere Wahl, als auf die englischen Originale umzusteigen.
Der zweite Aspekt war der Preis. Englische Bücher sind häufig deutlich günstiger als die deutschen Übersetzungen, weil sie nicht der deutschen Buchpreisbindung unterworfen sind. Dieses Verhältnis ist sogar auf dem Gebraucht-Markt zu spüren, denn viele deutsche Bücher erreichen niemals den niedrigen Schnäppchenpreis, von dem ich bei englischen Büchern profitiere.
Später haben sich weitere positive Effekte herauskristallisiert, die bis heute eine Rolle für mich spielen.
Eine Übersetzung kann, unabhängig von ihrer Qualität, niemals dieselbe Authentizität aufweisen wie das Original. Manche Formulierungen lassen sich nicht ohne Weiteres von einer Sprache in eine andere übertragen. Metaphern, Wortwitz und Stilblüten müssen zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad verloren gehen. Wenn ich mit diesem Kompromiss nicht leben muss, warum sollte ich dann?
Wartezeiten sind ebenfalls ein Faktor. Eine Übersetzung braucht Zeit. Findet die Veröffentlichung eines Buches international nicht parallel statt, muss ich als Deutsche warten, bis die Übersetzung verfügbar ist, was unter Umständen Monate dauern kann. Habe ich ohnehin Jahre auf ein Buch gewartet, zum Beispiel bei einer Fortsetzung, möchte ich diese Wartezeit nicht unnötig verlängern.
Ich habe außerdem festgestellt, dass sich durch zweisprachiges Lesen die Vielfalt deutlich erhöht. Manche Autor_innen werden nie ins Deutsche übersetzt. Andere werden nicht mit ihrem Gesamtwerk übersetzt, heißt, Reihe A wird übersetzt, Reihe B aber nicht. Das kann mir egal sein, wenn ich auf Englisch lese. Ich habe Zugriff auf den gesamten deutschen und den gesamten englischsprachigen Buchmarkt, was neben den USA und Großbritannien ja auch zahlreiche weitere Länder einschließt, zum Beispiel Kanada oder Australien. Dadurch habe ich Schriftsteller_innen entdeckt, die mir nie begegnet wären, würde ich mich auf deutschsprachige Literatur beschränken.
Darüber hinaus habe ich eine Vorliebe für englischsprachige Taschenbuchformate. Durch die fehlende Buchpreisbindung in englischsprachigen Ländern können mehrere Verlage dasselbe Buch verlegen. Um Kampfpreise anbieten zu können und trotzdem wirtschaftlich zu sein, sparen diese Verlage häufig bei den Kosten für die physische Form des Buches. Sie nutzen kleine Formate und weniger hochwertiges Papier. Viele Leser_innen mögen sich an den dünnen Seiten mit dem typischen Recycling-Grauschleier stören, aber ich liebe diese Ausgaben. Sie sind handlich, sie sind leicht, sie geben mir das Gefühl, nicht allzu vorsichtig beim Lesen sein zu müssen. Habe ich die Wahl, würde ich mich immer für so eine Ausgabe entscheiden.
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Argumente fallen mir für englische Originale ein. Die wichtigsten habe ich jetzt allerdings abgedeckt, also belassen wir es bei dieser Aufzählung. Auf englischsprachige Lektüre umzuschwenken, war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ich möchte die literarische Zweisprachigkeit und all ihre positiven Aspekte nicht mehr missen.
Ich freue mich wie immer sehr auf eure Beiträge und Kommentare und wünsche euch allen einen inspirierenden Start in die neue Woche!
Alles Liebe,
Elli ❤️