Jung heiraten und nach 25 Jahren Silberhochzeit feiern? Während all dieser Jahre über die Ticks und die Mängel des einen Ehemannes jammern? Nicht im neuen Roman von Monique Schwitter. Ihre namenlose Protagonistin gibt sich in dem Moment hin, wo die Liebe da ist und sie gibt sich dann hin, wenn sie Lust dazu hat. Die Liebe, mein Herz, kann man sich nicht aussuchen, war einer von vielen Sätzen, die ihre Großmutter immer zu ihr gesagt hat. Wie war dieser Satz gemeint? Dass plötzlich der richtige Mann vor dir steht? Die eine große Liebe? Oder kommt die Liebe wie eine einzige Gesandte und zeigt sich in verschiedenen Männern. In zwölf Männern beispielsweise? Die junge Ich-Erzählerin beginnt, mit diesem Gedanken zu spielen. Namen vergangener Lieben kommen ihr in den Sinn. Sie gibt ihnen die Namen der zwölf Apostel … Petrus, Andreas, Thomas, Philipp, Thadeusz … Und während sie sich einen Kaffee macht, flüstert sie leise:
Einer nach dem anderen, … eins geht geht ins andere über, eine Liebe in die andere. Oder bleibt die Liebe immer dieselbe, bleibt sie sich treu? Ändern sich nur ihre Gefäße? Bietet sie sich einfach in einem Mann nach dem anderen dar, offenbart sie … sich einfach nur in verschiedenen Gestalten? Hat also nicht die Liebe verschiedene Gesichter, sondern einzig der Geliebte? Einer nach dem anderen, Mann für Mann … (S. 64)
Die junge Autorin und Ich-Erzählerin dieses Romans genießt an diesem Februarmorgen die Ruhe, nachdem der Mann den Hund ausgeführt und die Söhne in den Kindergarten gebracht hat. Sie schreibt ein Buch, es ist mühsam. Sie ist bei Kapitel drei angelangt, lässt ihre Gedanken wandern. Auslöser dieser Assoziationen war die Frage, was eigentlich ihre erste Liebe Petrus heute machen würde. Als sie ihn damals liebte, war es auch Winter, Weihnachten 1992. Was wohl aus ihm geworden ist? Beim Googeln findet sie die erschreckende Nachricht seines Selbstmordes: Petrus. Das Letzte, was er gesehen hat, war ungefähr das, was ich jetzt sehe: Dämmerung, dichter Schneefall. Grußlos und unbemerkt ist er gegangen. Jetzt ist er auf einmal wieder da und fehlt mir gleichzeitig, legt seine schwere Hand in meinen Nacken … Petrus, dann Andreas: der Beginn einer Reihe, wenn wir die Namen ernst nehmen … (S. 46).
Es ist still, nur der Hund liegt leise atmend unter dem Schreibtisch. Es ist eine Hündin, eine Border Collie, sie nimmt im Roman eine wichtige Position ein. Ohne die Hündin mit dem weißen Gesicht kann die Ich-Erzählerin nicht schreiben. Sie ruft sie dann, bettelt, sie möge sich wieder unter den Tisch legen. Manchmal vergräbt sie ihr Gesicht in in ihrem Fell. Ich hänge an diesem Hund, wir leben zusammen, schweigen zusammen. Meistens reicht ein Räuspern, und sie versteht. Seit zehn Jahren. Sie war die Erste (S. 128). Wie ihre Romanfigur, so hat auch Monique Schwitter im echten Leben zwei kleine Kinder und eine Border Collie, namens Molly Bloom. Denn nun bin ich es – die Leserin – die googelt … lasse mich verzaubern von den Fotos diverser Border Collies. Immer schwarz, immer mit weißem Gesicht. Ich bin so verbunden mit dieser Geschichte, dass ich selbst anfangen möchte, die Männer meines Lebens Revue passieren zu lassen. Mein eigenes Leben beginnt in Verbindung zu treten mit dem Leben der Autorin mit dem Leben der Figur der Autorin … was passiert hier eigentlich gerade? Ich bemerke, wie tief ich in dieser Geschichte stecke und wie wenig ich sie verlassen möchte.
Ich mag den Erzählton von Monique Schwitter. Als würde nicht nur ihre Romanfigur, sondern sie selbst jetzt gerade vor ihrem Laptop sitzen und Satz um Satz in die Tastatur eingeben. Ihr Ton – so völlig unprätentiös. Ihre Sätze – kurz und knapp, manchmal nur ein Gedanke, doch immer voll tiefem Sinn. Und stets humorvoll, nie verbittert. Die Liebe kommt und geht. So ist das eben. Da ist nichts tragisch oder furchtbar.
Ich muss an den alten Song von Marlene Dietrich denken “… wer wird denn weinen, wenn man auseinander geht, wenn an der nächsten Ecke schon ein Andrer steht, man sagt Auf Wiedersehn und denkt beim Glase Wein, na sicher wird der Nächste auch ganz reizend sein …”. Die Liebe kommt und geht. Wie zum Beispiel Thadeusz, der um Jahre ältere Regisseur! Er ist und bleibt ein Lebemann. Sie muss erkennen, dass seine Gier nach jungen Frauen unersättlich ist und immer sein wird, also wendet sie sich schnell ab. Ihre Verliebtheit in Mathieu wiederum ist die eines Mädchens, sie nimmt sich selbst und ihre Gefühle nicht ernst. Anders dann der melancholische Schauspieler Jacob, Vater ihrer beiden Söhne. Von ihm kommt sie gedanklich nicht so schnell los. Auch ihr Ehemann Philipp bedeutet ihr viel. Trotz seiner Spielsucht. Mit ihm möchte sie großzügig sein, möchte ihn lieben wie bisher. Vielleicht doch endlich mal ankommen und dann auch bleiben. Noch sehe ich sie, dann verschwindet sie mit ihrer Hündin im dichten Schneegestöber. Ich schlage das Buch zu und gehe sofort zurück auf Start. Lese noch einmal den Anfang dieses Romans, mache mir bewusst, dass dies eben eine ganz besondere und mit nichts vergleichbare Geschichte war.
Monique Schwitter. Eins im Andern. Literaturverlag Droschl Graz. 2015. 232 Seiten, 19,- €