Jeden Monat sammelt Sonja auf ihrem Wertvoll-Blog Monatsmottos. Jeweils am Freitag – oder Samstag oder Sonntag – blogge ich zu dem Thema, das ich für den Monat gewählt habe. Im September 2015 heisst mein Monatsmotto “Grenzen”.
Nach wochenlangem Zögern wage ich mich an einen Text zum Thema Flüchtlinge. Schreibe über meine Betroffenheit, über meine Ohnmacht, meine Empörung.
Ich bleibe stecken. Kann den Text nicht zu Ende schreiben. Verheddere mich in zu vielen Gedanken und Gefühlen.
Plötzlich tönt lautes Geschrei aus dem mittleren Stock. Die perfekte Tochter wollte ihre Ruhe haben und hatte sich in ihr Zimmer verzogen, der perfekte Sohn fand dies langweilig, klopfte minutenlang an ihre Tür und – nun, es endete damit, dass er den Fuss in ihren Türrahmen schob und sie die Türe zuknallte. Daher sein Schreien – vor Schmerz und Wut.
Ich gehe nach unten, nehme ihn auf den Schoss und warte mit ihm, bis Schmerz und Wut nachlassen. Es gibt nichts zu bereden. Er hat eine Grenze überschritten und weiss das. Sie hat ihre Grenzen klar deklariert und danach verteidigt.
Ich setze mich wieder an meinen Text. Klicke ihn weg. Betroffenheitsgesülze – ich mag selber nicht lesen, was ich da geschrieben habe.
Grenzüberschreitungen. Im Kinderzimmer und in der Welt.
Ich verstehe die perfekte Tochter und ihr Bedürfnis nach Ruhe. Ich verstehe, dass sie diese verteidigt. Ich verstehe auch den perfekten Sohn, der spielen will und zumindest versuchen muss, ob sich die verschlossene Tür nicht öffnet für ihn.
Vor unseren Grenzen stehen Menschen, begehren Einlass oder haben sie bereits überschritten.
Und nun? Abschotten, Füsse einklemmen, Wut und Schmerz aussen vor lassen?
Die Welt ist doch kein Kinderzimmer!
Die Menschen vor unseren Grenzen wollen nicht spielen, ihnen ist nicht langweilig, sie sind auf der Flucht. Sie sind in Not.
Unser Bedürfnis nach Ruhe ist legitim, aber nicht wichtiger als die Sicherheit der Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten.
Es ist Zeit, zumindest die Grenzen in den Herzen zu öffnen.
(Die Glückskette sammelt für Menschen auf der Flucht.)