Niemand kann den Mai erleben, ohne die Frage nach dem Sinn der Liebe zu stellen - es sei denn, dass er als ein Genie des Herzens weder dieser Frage noch ihrer Lösung bedürftig ist. Hat uns der Darwinismus verkündet, die gesamte Welt der Organismen, Farn und Falter, Blume und Nachtigall, Obstbaum und Mensch sei zustande gekommen durch ein Zufallsgemisch toter Stoffe, das bei geeigneten Gestirnstemperaturen von selber zu leben begann und sogleich sich zu hassen, zu zerstückeln und zu vernichten anhob, dass bei diesem irrsinnigen Kampf aller gegen alle aber dieses und jenes Stückchen Leben rein zufällig besser ausgestattet war als das andere, so dass Zufalls-Auslesen im allgemeinen Daseinskampf zustande kamen mit dem Resultat eines Emporstiegs der Organismen vom Schleimklümpchen im Tümpel bis zur Amsel, zum Reh und zum Menschen, hat eben dieser Darwinismus uns also die Welt zur Mördergrube und das Werden der Geschöpfe zu einer Erfolgskrönung von Gangstern gemacht, so lehrt uns der Mai, dass die Liebe eine überwältigende Macht im Leben ist. Kosmogonisch ist der eros, weltenschaffend. Und dennoch findet sich auch viel Leidbringendes, Unvollkommenes und Unglückseliges in den Welten.
Das Erlebnis Mai ist das Erlebnis der Liebe. Das wirre und wunderliche Massenkonzert der Laubfrösche in den Hecken am Teich, die Gaukelflüge der Feldermäuse, das brummende Umherschwärmen der Maikäfer, die Lieder der Vögel und die Katarakte des Weißdorn-Blüten-schaums: alles weiß nur von Liebe zu plaudern, zu singen, zu tanzen, zu schweben oder zu duften. Lauschen wir weiter nach innen, so werden uns die Stimmen der alten Weisen vernehmlich, der wortgewaltigen heiligen Schriften, der Stifter der Hochreligionen. Gott oder Kosmos ist die Liebe, das ist die Botschaft eines jeden unter ihnen. Wenn Gott die Liebe ist, so braucht diese Liebe, um sich als Liebe leben zu können, ein Du. Liebe will sich in sich selbst als Liebe ergreifen und bestätigt sehen, aber das vermag sie nur, wenn ein gegenüber vorhanden ist, das geliebt werden kann. Wenn Gott die Liebe ist, benötigt er eine Welt als Du, um seine Liebe leben zu können. Nun kann aber immer nur ein freies Du für die Liebe ein gültiges Du sein, denn ein gefesseltes oder willenlos betäubtes Du genügt dem Liebenden niemals. Die geschaffene Welt, das Du zu Gott hin, musste ausgestattet werden mit dem Samen der Freiheit, um das wirkliche und gültige Du sein zu können. So wie die Liebe sich leben will, um sich in sich selbst bestätigt zu sehen, so will auch die Freiheit sich leben. Das kann nur geschehen, wenn sie sich selbst ergreift, wenn sie in den Eigenstand des Freiseins tritt. Dies aber bedeutet, im Hinblick auf Gott, Abirrung, Sonderung, Sünde, Sündenfall.
Nur was sich abkehrt vom Gebundensein an Gott, verwirklicht die Freiheit, weil jede Haltung, die nicht ins Freie vorstößt, Gebundensein bedeutet. Der verlorene Sohn, der alles Leid, alle Sonderung und Sünde ins All gebracht hat, hat dennoch auf geheimnisvolle Weise das Du, das die Welt Gott gegenüber ist, zu einem gültigen, einem freien Du gemacht. Deshalb geht der Vater dem verlorenen Sohne, der schließlich in Freiheit und mit einer selbsterrungenen Erfahrungsfülle heimkehrt, mit weit größerer Liebe entgegen, als er sie für den anderen Sohn hegt, der lediglich bei ihm blieb. Das Mysterium des verlorenen Sohnes ist mit dem Mysterium der Liebe eng verbunden - so eng, wie die Forderung des Liebenden an alles Geliebte, das in Freiheit die Liebe erwidern soll, mit dieser Freiheit verbunden ist.
Alle Irrungen, Täuschungen und Illusionen des Liebeslebens fügt der Mai zu einer süßen Symphonie. Wenn wir sie vernehmen, dürfen wir nicht meinen, es sei ein Lied von Lug und Trug. Alles Suchen wird insgeheim bewegt von der Gewißheit, dass es ein finden gibt - und alle Freiheit ist nur ein Spannungsmoment um jener Einheit willen, die für den Menschen mit der überaus seltenen echten Ehe gegeben ist und für den Kosmos mit dem Werdeziel der Welten, der Wiederbringung aller geschaffenen Dinge ins Liebeslicht der Gottheit.
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