Freitag Nachmittag.
Die Kinder sind bei Herrn L. und ich schlendere durch Halbzivilisation. Nur ich und die Stimmen in meinem Kopf, das tut mal wieder richtig gut. Vor Allem, weil die Nöl-und Meckerstimme Ferdinand Van Höllen grade in der Karibik weilt, aber das ist eine andere Geschichte.
Ich gehe als grade die Straße entlang, als man mich von einem Parkplatz aus heranwinkt.
“Entschuldigen Sie, junge Dame”, ruft ein gepflegt aussehender Mann in den Fünfzigern. “Könnten Sie mal eben kommen und mir helfen?”
Hm. Der Mann steht neben einem Kleinbus, dessen hintere Türen geöffnet sind. Definitiv verdächtig.
“Sagen Sie … halten Sie mich für ein ‘großes Mädchen'”, gehe ich daher auf Nummer sicher.
“Nein”, sagt der Mann verdutzt.
“Und”, hake ich nach, “nähen Sie in Ihrer Freizeit gerne?”
“Aber nein, nicht doch!”, wehrt der Mann ab.
Na, dann ist ja alles feini! :-)
“Also, wobei soll ich Ihnen helfen?”, frage ich und trete neugierig näher.
Und schon hält`s mir von hinten etwas in den Rücken.
“Keine Bewegung, oder ich zerreiße das Papier!”, zischt mir der Stimmte nach eine junge Frau ins Ohr.
Vorsichtig und mit erhobenen Händen drehe ich mich um – und sehe mich dem absoluten Schrecken gegenüber.
“Keinen Mucks, ich meine es ernst!”, droht mir die Frau und hält eine Großpackung meiner Lieblingsschokoriegel hoch. “Wenn Sie Mist machen, öffne ich die Verpackung!”
Ich reiße panisch die Augen auf. “Alte, weißt Du, was Du da laberst? Allein ein einziges dieser schnuckeligen Dinger kostet mich 45 Minuten auf dem Crosstrainer!”
Mit einem grausamen Grinsen nimmt die Frau einen Verpackungszipfel zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger.
“Also was ist?”, verlangt sie zu wissen, “Sie bleiben brav und niemand kommt zu Kalorienschaden, was meinen Sie?”
Nützt ja alles nichts, wa? Schwach ist der Geist und nachgiebig das Fleisch; einer solchen Schoki-Angebots-Attacke könnte ich nichts entgegensetzen, das wissen wir beide.
Zittrig flehe ich: “Ich tue alles, was Sie wollen, aber BITTE! nehmen Sie das Ding weg!”
Siegessicher weist mich die Uschi an, in den Minibus zu klettern und mich dort in den Laderaum zu legen. Die Türen schließen sich und meine Fahrt ins Ungewisse beginnt.
“Haaaaalloooo!”
“Wsn?”
“Haaaaalloooo! Sie da! Auuuuuuufwachen!”
“Flzdför?”
Ahrg. Vestohlen wische ich mir ein wenig Sabber vom Kinn und richte mich auf. Strecke mich und gähne.
“Ist sie jetzt endlich wach?”, ruft es irgendwo aus dem Hiintergrund.
“Immer mit der Ruhe”, brummele ich. In meinem Alter dauert das nunmal was mit dem wach werden …
Ah ja: Eine freundliche Hand reicht mir einen Kaffee, so muss das sein!
Und die an besagter Hand festgewachsene Uschi erklärt freundlich: “Mann, haben Sie einen festen Schlaf!”
“Ja nu”, sage ich und nehme einen Schluck Kaffee. Gar nicht mal so schlecht! Jetzt dabei schööön `ne Kippe … *hachz*
Aber zurück zu meiner Entführerin.
“Ja nu”, wiederhole ich. “Seit ich die Kinder habe, ist schlafen meine liebste Horizontalbeschäftigung”
“Keine Sorrrrrge, wirrr werrrden uns gut um Sie kümmerrrrrn”, krächzt es voll rabenschwarzer Vorfreude aus dem Hintergrund.
“Pffff”, winke ich ab, als schwere Schritte näher kommen.
Und überhaupt: “Jetzt haltense mal den Ball flach, Meister”, erkläre ich dem Mann, der sich vor mir aufbaut. “Und kommense ma zum Punkt, ja, wir haben ja sicher nicht alle ewig Zeit!”
“Na schön”, seufzt der Mann und lässt ein wenig die Schultern sinken. “Wenn Sie unbedingt meinen. Also: Mein Name ist Gerald Handlanger und Sie sind hier, weil Sie neulich an einem Gewinnspiel teilgenommen und angekreuzt haben-”
“Mooooment”, hake ich nach, “wie heiße ich denn?”
Der Mann und die Uschi wechseln einen Blick.
“Na, Frau Molly Logan”, erklärt mir der Mann und schaut mich fragend an.
“Ätsch-bätsch, verloren!”, frohlocke ich. “Ich nehme nämlich an Gewinnspielen grundsätzlich nur unter einer meiner meiner geheimen Identitäten – Molly Cyrus oder Lindsay Logan – teil! Ha!”
Der Mann macht einen erschrockenen Schritt nach hinten, hebt kurz an, etwas zu sagen, verstummt dann jedoch und lässt den Kopf hängen.
“Nehmen Sie`s uns nicht übel”, erklärt mir nun die Uschi. “Sehen Sie … ist halt unser Job, Freiwillige heranzuschaffen und … Na ja, also der Gerald .. der hat zu Hause drei Mäuler zu stopfen, wissense, und ich weiß nicht, wie ich sonst meine Studiengebühren bezahlen soll also …”
“Schonmal mit Anschaffen versucht?”, schnauze ich die Pute an. “Meine Güte!”
“Ja, Sie haben ja recht”, antwortet sie und senkt beschämt den Kopf. “Aber ich kann Gerald doch auch nicht im Stich lassen, oder? Der findet doch keinen Job mehr in seinem Alter und als ungelernter Schulabgänger …”
“Jaja, schon gut”, beschwichtige ich das dumme Ding, bin ja auch nicht aus Stein. “Und wie geht`s jetzt weiter?
Uschi zeigt auf eine Tür: “Da sollen wir Sie reinbringen!”
Oha, mir schwant Übles: Wenn man für das, was da drinnen vor sich gehen soll, schon keine freiwilligen Freiwilligen findet … Aber im Mollyversum ist Optimismus angesagt, jawollja, also …
“Jo, ich geh dann mal! Hauptsache, ich bin zum Abendbrot zuhause, Herr L. macht Lasagne”, erkläre ich Uschi und winke fröhlich in Geralds Richtung. “Grüßli ans Frauchen!”
Dann trete ich mit klopfendem Herzen durch die Tür. Wird schon nicht so schlimm werden, oder?
– To be continued –
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