Für Moira Young begann die „Dust Lands"-Trilogie in ihrer heutigen Form mit der Stimme ihrer Protagonistin Saba. Ursprünglich sollte die Geschichte in einer Eis-Welt spielen, geschildert aus der personalen Erzählperspektive. Young schrieb einen ersten Entwurf, musste diesen jedoch zur Seite legen, weil sie umzog. Drei Monate später kehrte sie zu ihrem Manuskript zurück und stellte fest, dass ihr Herz nicht daran hing, jedenfalls nicht so, wie es war. Sie begann von vorn und experimentierte mit Sabas Figur. Erst, als sie es mit der Ich-Perspektive versuchte, erwachte Saba wirklich zum Leben. Sie sprach in ihrem Kopf, in ihren eigenen Worten. Mit Sabas trockener, rauer Stimme kamen Bilder einer sonnenverbrannten, staubigen Prärie. Young änderte das Setting und die Dustlands waren geboren. Seitdem konnte sich Young darauf verlassen, dass Saba ihr ihre Geschichte erzählte, die ihren Abschluss im Finale „Raging Star" erreicht.
Saba ist bereit, ihr Leben zu riskieren, um DeMalos ungerechte Vision einer neuen Weltordnung zu verhindern. Sie würde beinahe alles tun, um ihn aufzuhalten. Doch Unschuldige zu verletzen war nie ihre Absicht. Als eine Sabotagemission in einem Desaster endet, erkennt Saba, dass der Widerstand andere Strategien finden muss, um sein diktatorisches System zum Einsturz zu bringen. Leider läuft ihr die Zeit davon. DeMalo stellte ihr ein Ultimatum: entweder, sie liefert sich in fünf Tagen selbst aus und garantiert ihren Verbündeten freien Abzug aus New Eden oder seine Tonton werden sie alle töten. Sie muss die Free Hawks davon überzeugen, der Gewalt abzuschwören, bevor der Blutmond am Himmel steht und sie zu Gejagten werden. Saba ahnt nicht, dass Verrat in ihren eigenen Reihen gärt. Schon bald könnte sie alles verlieren, das ihr je etwas bedeutete. Niemals stand mehr für sie auf dem Spiel...
Wisst ihr, was mich an Dystopien und Postapokalypsen im Young Adult - Bereich oft stört? Ich finde den übermäßigen Einsatz von Gewalt zur Steigerung des Actionlevels bedenklich. Da wird geschossen, geprügelt, Bauten werden in die Luft gesprengt, Figuren werden entführt und/oder überfallen, es gibt Verfolgungsjagden und Einbrüche. Über kollaterale Opfer macht sich niemand wirklich Gedanken. Im Zweifelsfall heiligt der Zweck jedes Mittel. Deshalb freut es mich, dass Moira Young in „Raging Star" eine andere Herangehensweise anstrebt. Oh, natürlich kommt auch das Finale der „Dust Lands"-Trilogie nicht völlig ohne Gewalt aus, aber Young beschränkt ihr Auftreten auf ein Mindestmaß und verwendet diese Szenen nicht leichtfertig, sondern bewusst. Das ist erfrischend und ehrt die Autorin, weil ich das Gefühl hatte, sie bemühte sich gezielt, Alternativen zu finden, um die Handlung des letzten Bandes spannend und aufregend zu gestalten. Dafür stattete sie ihre Protagonistin Saba mit einem funktionalen Gewissen und einer moralischen Integrität aus, die es ihr verbieten, leichtsinnig andere Leben zu riskieren. Obwohl „Raging Star" den Höhepunkt ihres ideellen und persönlichen Konflikts mit DeMalo darstellt, ist sie nicht bereit, ihrem Ziel, ihn und seine Vision von New Eden zu stürzen, alles unterzuordnen. Zu Beginn des Buches erleben die Leser_innen eine gescheiterte Sabotagemission, die Saba zum Umdenken zwingt. Sie erkennt, dass sie DeMalo weder mit seinen eigenen Waffen schlagen kann noch will. Sie beschließt, den Widerstand der Free Hawks in die Herzen der Menschen zu tragen und in ihnen die Sehnsucht nach Freiheit zu wecken, statt mit Guerillataktiken Angst und Schrecken zu säen. Was folgt, ist die Geschichte einer friedlichen Rebellion, in deren Mittelpunkt Familienbande stehen. Ich fand diesen Ansatz originell, berührend und war beeindruckt, wie aufmerksam Saba die Schwächen in DeMalos System entlarvt. Sie ist eine inspirierende Persönlichkeit. Zur Anführerin ist sie dennoch nicht geschaffen, denn als Einzelgängerin fühlt sie sich mit der resultierenden Verantwortung unwohl. Erneut war ich entsetzt, wie streng sie von ihren Mitstreiter_innen der Free Hawks behandelt wird. Sie alle verlangen viel zu viel von Saba und vergessen, dass sie unter ihrer harten Schale nur ein Teenager ist. Sie steht unter gewaltigem Druck, den Moira Young zusätzlich durch die straffe Chronologie der Ereignisse verschärft. Eine Revolution in fünf Tagen auf die Beine zu stellen, ist schlicht unrealistisch. Schon durch die Entfernungen, die die Figuren zurücklegen müssen, erschien mir dieser erbarmungslose Zeitplan unglaubwürdig und ist meiner Meinung nach ein überflüssiger Taschenspielertrick, um Tempo und Dramatik der Handlung künstlich anzuziehen. „Raging Star" mag angenehm gewaltarm sein - Pathos weist es dagegen in Hülle und Fülle auf, wie wir es aus der Jugendliteratur gewohnt sind.
Es fehlte nicht viel und ich hätte „Raging Star" im Brustton der Überzeugung als besten Band der „Dust Lands"-Trilogie bezeichnet. Die intelligente Handlung einer friedfertigen Revolution erlaubte es Moira Young, weitgehend auf gewalttätige Szenen zu verzichten und stattdessen andere Optionen auszunutzen, um den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Ich wünschte, sie hätte diesem Konzept größeres Vertrauen entgegengebracht. Offenbar verleitete sie die Sorge, „Raging Star" könnte nicht aufregend genug sein, dazu, den Druck auf ihre Protagonistin Saba unnötig zu maximieren, sodass einige Details des Finales unrealistisch und melodramatisch wirken. Trotzdem bin ich mit diesem Abschluss insgesamt zufrieden, denn Young traf konsequente, mutige Entscheidungen für Saba, die zwar sicher nicht allen Leser_innen gefallen, meiner Meinung nach jedoch der einzige Weg waren, ihr gerecht zu werden. Ich zweifle nicht daran, dass Saba Frieden finden wird und lasse sie guten Gewissens ziehen. Moira Young hingegen werde ich als Autorin auf meinem Radar behalten, die im kleinen Rahmen unkonventionelle Wege beschreitet. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder.