Wien (OTS/aiz/Culinarius) Gluten, Laktose, linksdrehende oder rechtsdrehende Milchsäuren, Unverträglichkeiten, Allergien: Das alles ist heutzutage zu beachten, sobald es um Ernährungsfragen geht. Eines steht dabei ganz klar fest. Welche Lebensmittel gesund sind und welches Essen wiederum krank macht, da scheiden sich die Geister. Ernährung ist jedenfalls ein Thema, das alle Menschen beschäftigt und berührt. Doch es sind die heimischen Bäuerinnen und Bauern, die von dieser Thematik besonders betroffen sind. Als Produzenten hochqualitativer Lebensmittel sind sie positiv wie negativ von Konsumentenentscheidungen abhängig und bekommen Ernährungstrends unmittelbar zu spüren. Aus diesem Grund lud die Landwirtschaftskammer Niederösterreich zur Präsentation des Buches “Iss oder stirb (nicht)” von Autorin Martina Salomon mit anschließender Diskussion, um einige Ernährungsmythen einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Mit Regionalität und Saisonalität Freude am Essen wiederentdecken
Die Expertenrunde wies darauf hin, dass in der Gesellschaft scheinbar die Freude am Essen verloren gegangen ist. “Selbst Kinder hantieren mittlerweile mit Fachausdrücken über Inhaltstoffe”, geben die Experten zu bedenken. Dabei sollten vielmehr Fragen zu den Produktionsbedingungen, Transportwegen und Qualitäten im Vordergrund stehen, so der fachliche Grundtenor. Besonders Regionalität und Saisonalität sind wesentliche Faktoren, um der Gesellschaft die Produkte der heimischen Bäuerinnen und Bauern noch schmackhafter zu machen. “Wir leben in einer übersättigten Gesellschaft, die Essen zu einer neuen Religion gemacht hat. Doch Waldviertler Karpfen ist für mich keine Sünde, sondern Genuss”, erklärt Salomon.
Salomon enttarnt Ernährungsmythen und zerlegt mit Humor die Essensmoden der Panikgesellschaft. Ihr Fazit: “Wir fürchten uns vor den falschen Dingen. Noch nie in der Menschheitsgeschichte war es so einfach, sich gesund und sicher zu ernähren. Lassen Sie sich den Genuss nicht von selbsternannten Gesundheitsmissionaren zerstören!”
Statements der weiteren Expertinnen und Experten am Podium
LK-Präsident Hermann Schultes: “Unsere Antwort auf die Verunsicherung beim Thema Ernährung heißt: Schau drauf, wo’s herkommt! In Österreich produzieren unsere Bäuerinnen und Bauern mithilfe der vielfältigsten Vorgaben der Natur hochqualitative Spitzenlebensmittel. Das ist oft selbstverständlich, doch spannend wird es, wenn man Vergleiche zieht. Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass wir mit unserer bäuerlichen Produktion im globalen Spitzenfeld liegen. Unsere Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von dieser breiten Palette an Top-Qualitäten. Als Vertreter der bäuerlichen Landwirtschaft verteidigen wir unsere Art von Landwirtschaft. Wir brauchen daher einen klaren Kopierschutz für unsere Lebensmittel. Österreich nützt dieses System des geschützten Ursprungs praktisch derzeit nicht. Es ist ein Musterbeispiel für österreichischen Verwaltungswahnsinn. Die Zulassungsverfahren müssen unbedingt vereinfacht werden.”
“Unser Ziel: Wir brauchen bis 2016 mindestens 30-50 neue geschützte Bezeichnungen für regionale Produkte. Derzeit haben wir in Österreich nur 14 Produkte geschützt (z.B. Wachauer Marille, Waldviertler Mohn, Marchfelder Spargel, Steirisches Kernöl). Gleichzeitig brauchen wir neben dem Kopierschutz auch eine verpflichtende Herkunftsangabe auf den Speisekarten der Restaurants und Kantinen. Wenn ein ‘Wiener Schnitzel’ aus Polen kommt, dann soll sich der Gast bewusst dafür entscheiden können. Hier kämpfen wir Seite an Seite mit den Konsumenten für Transparenz. Diese Maßnahmen schaffen vertrauen und können die Verunsicherung beim Essen verringern. Damit der Genuss an erster Stelle stehen kann!”
Landesbäuerin Irene Neumann-Hartberger: “Die Bäuerinnen haben seit jeher eine sehr enge Verbindung zu Lebensmitteln. Denn sie produzieren, verarbeiten und verkochen sie – täglich. Damit möglichst viele Menschen regionales, frisches Essen genießen können, geben sie dieses Wissen ganz praxisnah weiter, in Form von Kochseminaren oder Informationen zu Herkunftskennzeichnungen und Produktionsweisen. Die Bäuerinnen schaffen damit eine vertrauensvolle Basis zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. Kinder liegen ihnen ebenso am Herzen, daher forcieren sie auch Projekte wie Schule am Bauernhof oder Landwirtschaft in der Schule, die Kindern einen persönlichen Zugang zu regionalen Lebensmitteln ermöglichen.”
Michael Battisti, Marketingchef im ORF Niederösterreich: “Der Österreichische Rundfunk hat für Information über Themen der Gesundheit und des Natur-, Umwelt- sowie Konsumentenschutzes unter Berücksichtigung des Verständnisses über die Prinzipien der Nachhaltigkeit zu sorgen – so steht es im ORF-Gesetz in § 4.(1). Und im ORF-Leitbild heißt es weiter: ‘Der ORF bietet objektive, vertrauenswürdige und zuverlässige Information sowie vielfältige Serviceangebote für die Bewältigung des Alltags.’ Das ORF-Landesstudio NÖ setzt diese Vorgaben und Ansprüche mit und in seinen drei Medien – NÖ heute, Radio NÖ und noe.ORF.at – täglich um, natürlich auch bei den Themen ‘Gesundheit’ und ‘Ernährung’. Ziel ist immer der ‘mündige Konsument’, und so lässt sich auch der oft zitierte Spagat zum Thema Werbung/Marketing schaffen, wobei der Werbewirtschaft hier eine große Bedeutung zukommt und die professionelle, rechtskonforme und partnerschaftliche Zusammenarbeit im Vordergrund steht – im Idealfall eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.”
Ernährungs- und Gesundheitswissenschafterin Theres Rathmanner:
“Qualität, Herkunft, Esskultur, Genuss, Freude – es gibt Wichtigeres beim Essen als die Frage, was gesund ist! Vieles ist ohnehin noch nicht hinlänglich erforscht, und die kursierenden Informationen sind nicht selten aufgebauschte Halbwahrheiten. Mit ein paar ganz einfachen Ernährungsregeln wären wir genug beraten: Gut statt viel, zum Beispiel. Wer genießt, isst dann nämlich automatisch auch bewusster.”
Information zur Streitschrift: Iss oder stirb (nicht)!
Achtung, die Weltuntergangspropheten spucken in unser Essen! Martina Salomon, profilierte Politik- und Wirtschaftsjournalistin, gibt Entwarnung: Scharfzüngig enttarnt sie Ernährungsmythen, beschreibt Geschäftemacherei und zerlegt genüsslich die wechselnden Essensmoden der Panikgesellschaft. Fazit: Diese Streitschrift ist zu 100% laktose- und glutenfrei – für manche vielleicht dennoch schwer verträglich. Weil sie unserer Gesellschaft den Spiegel vorhält.
Fotocredit: RyanMcGuire