Moby: Untertreiben geht immer

Moby: Untertreiben geht immerMoby
“Innocents”

(Warner)
Soll einer schlau werden aus dem Kerl! Da besitzt Richard Melville Hall alias Moby wegen seiner nachweislichen Vergangenheit als Hardcorepunk – immerhin gründete er eine Band mit dem Namen Vatikan Commandos – einen beachtlichen Sympathiebonus, er sieht aus wie Straight Edge und sagt in Interviews lauter kluge Sachen über die große politische und die kleine musikalische Welt. Dann engagiert er sich für die Produktion seines neuen Albums einen Mann wie Mark Stent, in dessen Zeugnissen sich nicht nur das Who Is Who des Superpops gegenseitig auf die Füße tritt – nein, der hat auch noch Namen wie Throbbing Gristle, Psychic TV, Björk, KLF und Massive Attack im Portfolio zu stehen. Und was macht er? Wieder eines von diesen plüschweichen, trippigen, synthetischen Melancholiedingern, die man so nur von ihm bekommt – mobystisch also auch noch – und die er seit seinem 99er Überalbum “Play” zur Übererkenntlichkeit perfektioniert hat.


Soll man ihn deswegen schimpfen? Ach was, es klingt ja alles gar nicht so übel. Okay, die Revolution ist durch und vom Hocker haut einen (fast) keines der Lieder, wenn man nicht aufpasst, überkommt einen auch ab und an ein kleiner, gelangweilter Schlummer. Aber er hat halt beim Ergänzungspersonal mit Cold Specks, Damien Jurado, Wayne Coyne (!) und Mark Lanegan (Justin Vernon muss kurzzeitig verhindert gewesen sein) wieder einmal mächtig geklotzt und nicht nur das, er hat auch gut gewählt. Musste er auch, denn in dem Stadium, in dem sich seine Musik seit langem befindet, ist es wichtig, wen er sich vor seine Klangtapeten stellt, die müssen schließlich den Unterschied machen. Drei markante weibliche Stimmen – neben Al Spx auch Skylar Grey und Inyang Bassey, alle fügen sich bestens in das schummrige Gemenge aus Beats, Loops und orchestralem Überschwang.


Will Moby überraschen, dann gönnt er sich einen souligen Funk (“Don’t Love Me”) oder einen ironisch überhöhten und extrafetten Weltumarmungschor (“The Perfect Life”), “Saints” wirkt so, als hätte er der “Unfinished Sympathy” ein paar BPM mehr draufgeschafft, das war’s dann aber auch. Fast jedenfalls, denn den feinsten Song singt der Mann immer noch selbst: Bei “The Dogs” wirkt seine Stimme brüchig wie selten zuvor, die Maschinen leiern und schlingern im Hintergrund und die trübe Depression eines Ian Curtis scheint nicht mehr weit, grandios. In punkto Erwartungshaltung kocht Moby mittlerweile auf sehr kleiner Flamme (“I don’t really expect too many people to actually listen to it, because it’s 2013 and I’m 47 years old, and so a) very few people listen to the eleventh album made by a 47-year-old musician; and b) very few people listen to albums.”, Weeklings), Konzerte gibt er momentan nur, wenn er nicht weiter als drei Schritt aus seiner Wohnung raus muss – Understatement oder Downsizing? Er wird’s wohl am besten wissen. http://www.moby.com/
Komplettstream des Albums bei NPR.


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