Normalerweise bin ich ein höflicher, eher zurückhaltender Mensch. Worte wie Sch… sollten mir in der Öffentlichkeit eigentlich nicht über die Lippen, pardon die Tastatur gehen.
Es muß alles geregelt sein?
Als der Mobilfunk anfing, war alles sündhaft teuer. Die wenigen Kunden wussten das und wollten es trotzdem. Hotlines waren kostenlos erreichbar, bei nahezu allen Anbietern – ja vor 20 Jahren war das wirklich so! Bei einigen Anbietern gilt das bis heute, bei andern Anbietern wurden diese kostenlosen Hotlines in dem Moment abgeschaltet, als deren Kunden echte Probleme endlich gelöst haben wollten.
Internet war vor 20 Jahren in der Masse noch kaum geläufig, wer kein Internet hatte, war vielleicht in Mailbox-Netzwerken (wer erinnert sich noch an “FIDO” ?
Heute sind wir im Zeitalter von Web 2.0 angekommen. Jedes heruntergefallene Taschentuch, alles was uns bewegt, stört oder beglückt wird auf Facebook, Twitter, Google+ oder sonst wo kommuniziert. Was bedeutet, wenn ich Probleme mit einem Produkt habe, dann kann es Minuten später die ganze Welt wissen.
Weil da draußen aber Millionen anderer Nutzer unterwegs sind, gehen solche Aufschreie meist im allgemeinen “Grundrauschen” unter, denn die andern Nutzer haben auch Probleme und deren Probleme interessieren nun mal nicht Jeden. Aber manchmal finden sich zwei und dann vier und dann acht und so weiter mit den gleichen Problemen und dann kann daraus ein Sturm der Entrüstung entstehen und dann kann es für den Anbieter irgendwann bedrohlich werden. Im Internet-Jargon nennt man das “Shitstorm”.
Kunden, die vor einer Kaufentscheidung stehen, schauen in Foren, fragen ihre Bekannten im Netz und entscheiden dann. Würden Sie ein Produkt kaufen, wenn in Ihrem Lieblingsnetzwerk genau dieses Produkt gerade in der Luft zerissen wird? Das war doch früher in der Schule schon so. Es mußten die Jeans der Marke “L…” sein, wehe dem armen Mitschüler, der sich die nicht leisten konnte oder wollte.
Genug der Vorrede.
Alle Mobilfunkanbieter sind heute im Netz unterwegs, deren Nutzer schon viel länger. Vor nicht allzulanger Zeit stellte ein Berliner Mobilfunkkunde die Seite “Wir-sind-Einzelfall” ins Netz, weil es ihn ärgerte, daß das o2-Netz immer wieder überlastet war oder ausfiel. Nachdem ihm die Hotline immer wieder von einem Einzelfall erzählte, dachte sich der Kunde, daß es noch mehr Betroffene geben könnte.
Und es gab sie. Die Macht des Netzes wirkte: o2 hatte den Mut, die Meinungsführer zu einem Treffen einzuladen und offen zuzugeben: “Ja unser Netz ist überlastet, ja wir haben ein Problem und das Problem wird noch eine Weile bestehen bleiben. Zum Glück nicht überall, aber an einigen neuralgischen Punkten. Es gibt sogar Landkarten im Netz, wo man die “Brennpunkte” sehen kann, vieles könnte man besser machen, aber o2 ist in die richtige Richtung unterwegs.
Mit der Einführung der AllNetFlat für 20 Euro geriet der Netzanbieter E-Plus und sein Markenkonglomerat in den Fokus. Alle “liken” die AllNetFlat-Marke “Yourfone”, weil sie sich was getraut haben, was vor kurzem noch als unmöglich oder als finanzieller Ruin für die Branche galt. Doch wer hier Kunde werden will, sollte gute Nerven haben, besonders wenn eine Rufnummer vom alten Anbieter mitgebracht werden soll. Das kann gut 2 Wochen (oder länger?) dauern, auch wenn die Gesetzeslage da was anderes spricht. Wenn Yourfone das darf, dann wollten Blau und Simyo das natürlich auch haben.
Aber E-Plus wollte seine Discount-Pioniere nicht auf die eigene echte Postpaid-Plattform lassen, so mußte ein kühnes Pseudo-Prepaid-Konstrukt gebaut werden. Sie ahnen es schon: Probleme, soweit das Auge reicht. Die Hotlines sind Land unter, die Kunden entsprechend sauer.
Nun mag mancher über die “E-Netze” lächeln und sich auf die großen “D-Netze” verlassen wollen. Beispiel Vodafone: Die schnitten jahrelang in gewichtigen Netztests mit Bestnoten ab, waren der erste private Mobilfunkanbieter in Deutschland, was also spricht dagegen?
Offenbar einiges. Seit längerem grummmelt es bei der Netzgemeinde. Die Tarife von Vodafone sind alles andere als übersichtlich, ob das so “gewollt” ist, müssen wir mal bis zum Beweis des Gegenteils annehmen. Wenn Kunden ein Problem haben, bleiben sie in der Hotline hängen, kompentente Kundenbetreuung wurde dem Gott “Kostenoptimierung” geopfert, ganze Call-Center wurden verkauft oder ausgelagert, bei einem ehemaligen “Arcor”-Callcenter sollen statt bisher 600 nur noch 150 Leute arbeiten, zu vermutlich schlechteren Konditionen als vorher und bestimmt nicht mit gesteigerter Kompetenz oder Motivation.
Festnetz – speziell von privaten Anbietern – ist nicht so “einfach”, wie die Kostenplaner es am grünen Tisch gerne hätten, die Abstimmung mit der Telekom ist und bleibt kompliziert und Kunden haben viele Fragen und sind sauer.
Auch im Mobilfunkbereich von Vodafone klagen Kunden über verstopfte Netze und tröpfelnde Datenverbindungen. Nicht nur das: Unverständliche Rechnungen, weil Händler, die nur von Provisionen leben können, ihren Kunden mehr Verträge “verkaufen”, als sie eigentlich brauchen, nur um via Provision das Handy für den 1 Euro bezahlbarer zu machen – unterm Strich zahlt der Kunde drauf.
Wenn Kunden sich dann auf Facebook am Wochenende ausweinen, kann das auf einmal zum tausendfachen “shitstorm” werden, denn am Wochenende ist der “Facebook-Kundendienst” von Vodafone zum Beispiel nicht besetzt. Am Montag gelang es Vodafone dann den Kunden zu erreichen – nur wie das Problem schließlich gelöst wurde, werden wir wohl nie erfahren.
Es hätte uns schon interessiert, wie ein Smartphone Tarif, der auf einmal ungewollte 270 Euro Rechnung fabrizierte, obwohl das Handy ausgeschaltet im Schrank lag, zustande kam. Leider fehlt hier eine Bundesnetzagentur, die genauso wie neulich in Brasilien so radikal durchgreifen kann, daß Netzanbieter und Provider verboten bekommen, neue Kunden anzunehmen, bis die Altlasten gelöst sind – verbunden mit markigen Tagesstrafen, die richtig weh tun.
Was bleibt dem Kunden? Er könnte am besten heute und gleich alle seine Mobilfunkverträge per Einschreiben kündigen, mit dem klaren Hinweis, daß man an Anrufen zur Rückgewinnung nicht interessiert sei. Selbst dann ist man nicht sofort alle Sorgen los, aber in spätestens 2 Jahren stehen die Chancen gut, daß der Vertrag wirklich endet. Danach könnte man sich eine Prepaid-Karte beim Anbieter des geringsten Mißtrauens holen.
Aber auch Prepaid ist kein Allheilmitttel. Was passiert denn, wenn ich ein Prepaid-Konto beim Anbieter X habe, der das Geld aber sofort an seinen (virtuellen) Netzbetreiber – nennen wir ihn “Y” weiterreicht und “Y” geht auf einmal insolvent ? Dann gehört das Prepaid-Guthaben zur Insolvenzmasse und ob man damit noch telefonieren kann, wird zum Abenteuer, eine sofortige Rufnummernportierung mit dem Geld vom Guthaben, wird zum Glückspiel, mehr dazu in einem eigenen Beitrag.
Hab ich wen vergessen? Ach ja die Deutsche Telekom. Deren Netz wird immer weiter auf- und ausgerüstet und das ist gut so. In Bonn scheint man als einiger (?) Konzernzentrale begriffen zu haben, daß nur ein gutes stabiles flächendeckend ausgebautes Netz eine Chance in einer immer “schneller” werdenden Welt bieten kann. Nur ist diese Erkenntnis noch nicht bis in alle Winkel des Telekom-Landes durchgedrungen. Wo es heute noch Funklöcher gibt, gibt es weiter Funklöcher und alle Versuche von Kunden, den Netzbetreiber zum besseren Grundausbau zu bewegen, bleiben in einer Mischung aus “Wir haben kein Geld und müssen sparen” und zutiefst verunsicherten Mitmenschen stecken, die jede neue Funkantenne als absolutes Teufelszeug ansehen und sofort dagegen Sturm laufen.
Gutes Netz und verdiente Testsiege sind das eine, eine Hotline, die weiß, wovon der Kunde spricht und welche Probleme ihn bedrücken und die auch die Macht hat, dafür zu sorgen, daß Kundenprobleme wirksam gelöst werden, ist die nächste große Herausforderung der Branche.
Für 9 oder weniger Cent pro Minute bei null Grundgebühr ist das vermutlich auf die Dauer nicht zu stemmen. Wenn aber der Kundenservice für 90 Euro im Monat genauso hilflos ist, wie beim Discounter an der Ecke, dann wird der letzte loyale Kunde enttäuscht seinen Vertrag kündigen und mit einer Sammlung verschiedener Netze in der Tasche versuchen, sich durch den Kommunikationsdschungel zu schlagen.
Was muß noch passieren, bis den Verantwortlichen endlich einmal die Augen geöffnet werden? Müssen die Netze und Systeme erst so massiv zusammenbrechen, daß es die Kostenrechner selbst betrifft, daß sie von der Außenwelt abgeschnitten keine Informationen mehr bekommen, keine Befehle mehr geben können, weil ihre Netze nicht mehr verfügbar sind?
Oder gibt es noch so etwas wie Vernunft?
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