Angesichts miserabler Lebensumstände war der Tod im Mittelalter allgegenwärtig. Doch kaum ein Arzt wusste, wie er mit Sterbenden umgehen sollte. Wer ihnen dennoch beistand, konnte schnell der Habgier verdächtigt werden.
Aus: epoc, 4/2011
Wenn es ans Sterben ging, dann war unter den Heilkundigen des Mittelalters eine Weiterbehandlung prognostisch ungünstiger Fälle höchst umstritten. Einigen Ärzten galt sie als unethisch: Sie befürchteten nämlich, damit in den Verdacht der Habgier zu geraten, wenn sie bis zum Lebensende ihrer Patienten Honorare erhielten. Zudem war die Position des freiberuflich tätigen Arztes gefährdet. Das Sterben eines Patienten wurde leicht mit einer falschen Therapie in Verbindung gebracht. Dies konnte nicht nur der eigenen Reputation sowie der von Kollegen schaden, sondern den Heilkundigen in Bedrängnis, ja in Lebensgefahr bringen.
So schildert der Medizinhistoriker Daniel Schäfer in dem Heidelberger Magazin "epoc" den Fall von Gabriele Zerbi: Der berühmte Professor aus Padua wurde im Jahr 1504 an den Hof des türkischen Sultans gerufen, um diesen wegen einer akuten Erkrankung zu behandeln. Nach ersten Erfolgen reiste Zerbi reich belohnt wieder in Richtung Venedig, wurde aber, nachdem der Herrscher doch noch gestorben war, unterwegs aufgegriffen, gemeinsam mit seinem Sohn zwischen zwei Holzbretter gespannt – und zersägt.
Auch wenn dieser Bericht vermutlich ein Stück antitürkische Gräuelpropaganda war und somit nicht ganz der Wahrheit entspricht, so zeigt er doch – gemeinsam mit anderen Beispielen – die persönlichen Gefahren bei der Behandlung schwer Kranker. Deshalb riet der praktisch tätige Gelehrte Bernard de Gordon um 1300 seinen Kollegen, sich ohne Verabschiedung von den Angehörigen zu entfernen, sobald ein Patient zu sterben drohte. Aus heutiger Sicht scheint dies auch angesichts der therapeutischen Machtlosigkeit der vormodernen Heilkunde, die bei lebensgefährlichen Erkrankungen besonders deutlich wurde, nachvollziehbar.
Nicht nur die Angst, der Unfähigkeit oder Habgier beschuldigt zu werden, trieb manche spätmittelalterliche Ärzte um, sondern auch die Sorge, wegen eines Sterbenden das eigene Leben zu riskieren: Schließlich benötigten ja noch andere Patienten ihre Hilfe! Insbesondere in Zeiten, in denen Seuchen ganze Landstriche dahinrafften, handelten viele Ärzte nach dem Hippokrates oder Galen zugeschriebenen Motto: Fuge cito, longe, tarde – "Fliehe rasch, weit weg, und komme spät zurück".
Aus: epoc, 4/2011
Wenn es ans Sterben ging, dann war unter den Heilkundigen des Mittelalters eine Weiterbehandlung prognostisch ungünstiger Fälle höchst umstritten. Einigen Ärzten galt sie als unethisch: Sie befürchteten nämlich, damit in den Verdacht der Habgier zu geraten, wenn sie bis zum Lebensende ihrer Patienten Honorare erhielten. Zudem war die Position des freiberuflich tätigen Arztes gefährdet. Das Sterben eines Patienten wurde leicht mit einer falschen Therapie in Verbindung gebracht. Dies konnte nicht nur der eigenen Reputation sowie der von Kollegen schaden, sondern den Heilkundigen in Bedrängnis, ja in Lebensgefahr bringen.
So schildert der Medizinhistoriker Daniel Schäfer in dem Heidelberger Magazin "epoc" den Fall von Gabriele Zerbi: Der berühmte Professor aus Padua wurde im Jahr 1504 an den Hof des türkischen Sultans gerufen, um diesen wegen einer akuten Erkrankung zu behandeln. Nach ersten Erfolgen reiste Zerbi reich belohnt wieder in Richtung Venedig, wurde aber, nachdem der Herrscher doch noch gestorben war, unterwegs aufgegriffen, gemeinsam mit seinem Sohn zwischen zwei Holzbretter gespannt – und zersägt.
Auch wenn dieser Bericht vermutlich ein Stück antitürkische Gräuelpropaganda war und somit nicht ganz der Wahrheit entspricht, so zeigt er doch – gemeinsam mit anderen Beispielen – die persönlichen Gefahren bei der Behandlung schwer Kranker. Deshalb riet der praktisch tätige Gelehrte Bernard de Gordon um 1300 seinen Kollegen, sich ohne Verabschiedung von den Angehörigen zu entfernen, sobald ein Patient zu sterben drohte. Aus heutiger Sicht scheint dies auch angesichts der therapeutischen Machtlosigkeit der vormodernen Heilkunde, die bei lebensgefährlichen Erkrankungen besonders deutlich wurde, nachvollziehbar.
Nicht nur die Angst, der Unfähigkeit oder Habgier beschuldigt zu werden, trieb manche spätmittelalterliche Ärzte um, sondern auch die Sorge, wegen eines Sterbenden das eigene Leben zu riskieren: Schließlich benötigten ja noch andere Patienten ihre Hilfe! Insbesondere in Zeiten, in denen Seuchen ganze Landstriche dahinrafften, handelten viele Ärzte nach dem Hippokrates oder Galen zugeschriebenen Motto: Fuge cito, longe, tarde – "Fliehe rasch, weit weg, und komme spät zurück".