Sprache spiegelt unsere Gesellschaft wider. Sie ist nicht statisch, sondern immer wieder Veränderungen unterworfen. Das zeigt sich bspw. an der letztes Jahr erschienenen 28. Auflage des Dudens: Ganze 3.000 neue Wörter wurden aufgenommen, 300 wurden gestrichen. „Aufgebotsschein“, „Kebsehe“, „Jägersmann“, und „Zehrpfennig“ schafften Platz für „Alltagsrassismus“, „Insektensterben“, „Mikroplastik“ und „Zwinkersmiley“. Die sprachliche Veränderung war da längst geschehen, ihr wurde lediglich jetzt endlich genüge getan.
Auch in Sachen Gleichstellung trägt der Duden der Realität Rechnung: 2017 zogen die „Ampelfrau“, die „Wutbürgerin“ und die „Ansprechperson“ ein. In der aktuellen Auflage kamen u.a. die Wörter „genderneutral“, „Gendersternchen“ und „transgender“ dazu. Welche Wörter genutzt werden, ist eine Frage, wie sie genutzt werden, eine andere. Deshalb gibt es im neuen Duden jetzt auch drei Seiten zum Gebrauch geschlechtergerechter Sprache. Dafür sind gar nicht unbedingt neue Wörter notwendig. Wirklich notwendig ist nur, dass wir uns darüber bewusst werden, wie wichtig es ist, darauf zu achten, dass wir wirklich von allen sprechen, wenn wir über alle sprechen. Denn Studien belegen schon seit vielen Jahren, dass sich Frauen* eben nicht mitgemeint fühlen und sich Jugendliche gegen manche Berufe entscheiden, weil ihr jeweiliges Geschlecht so selten angesprochen wird. Zum Beispiel, wenn die Eltern „den Handwerker“ oder „Ingenieur“ anrufen, zum „Kinderarzt“ gehen (obwohl wir hier in Hardegsen ausschließlich Kinderärztinnen haben!), aber im Krankenhaus nach der „Krankenschwester“ klingeln oder sich nach der „Geburtshelferin“ erkundigen.
Sprache kann Menschen oder Gruppen von Menschen sichtbar oder unsichtbar machen. Wir haben nachweislich immer sofort Bilder im Kopf, wenn wir Sprache hören. Und diese Bilder zeigen nur das tatsächlich angesprochene Geschlecht. In einer Studie wurden SPD-Mitglieder befragt, wer für das Amt des Bundeskanzlers – oder eben der Bundeskanzlerin – infrage käme. Die Personen, die mit dem generischen Maskulinum konfrontiert waren, nannten nur Männer, während die andere Gruppe unter Verwendung der Paarform auch mit Kandidatinnen aufwartete.
Dabei ist die Lösung so einfach! Hier einige Möglichkeiten, wie Sie mit Leichtigkeit geschlechtergerecht formulieren:
Für Mitdenkende: Substantivierte Partizipien
Statt: „die Mitarbeiter“ und „die Teilnehmer“,
besser: „die Mitarbeitenden“ und „die Teilnehmenden“.
Für Fachleute: Geschlechtsumfassende Begriffe
Statt: „die Lehrer“, „die Ansprechpartner“, „die Teilnehmerliste“ und „keiner“,
besser: „die Lehrkräfte“, „die Ansprechpersonen“, „die Teilnahmeliste“ und „niemand“.
Für diejenigen, denen die Sprache am Herzen liegt: Verb oder Adjektiv statt Substantiv
Statt: „der Verfasser“, „die Beratung eines Fachmanns“ und „Es gab zehn Seminarteilnehmer“,
besser: „verfasst von“, „fachkundige Beratung“ und „Am Seminar haben zehn Personen teilgenommen“.
Für alle: Geschlechtsneutrale Pluralformen
Statt: „Jeder Jugendliche sollte seinen Beruf unabhängig von Geschlechterrollen wählen können.“,
Besser: „Alle Jugendlichen sollten ihren Beruf unabhängig von Geschlechterrollen wählen können.“
Für Vorreiter*innen: Gender-Stern oder -Unterstrich zur Sichtbarmachung der geschlechtlichen Vielfalt
Statt: „der Berater“ und „der Nachbar“,
Besser: „der*die Berater*in“ und „der_die Nachbar_in“.
Für den einen oder die andere: Geschlechter abwechseln oder Paarformen verwenden
Statt: „die Erzieher“ und „In Hardegsen sind alle Selbstständigen willkommen, der Schreiner und der Schneider ebenso wie der Geigenbauer und der Friseur.“,
Besser: „die Erzieherinnen und Erzieher“ und „In Hardegsen sind alle Selbstständigen willkommen, die Schreinerin und der Schneider ebenso wie die Geigenbauerin und der Friseur.“.
Für das verehrte Publikum: geschlechtsneutrale Formen der persönlichen Ansprache
Statt: „Sehr geehrter Herr Nachname“ und „Sehr geehrte Damen und Herren“,
Besser: „Guten Tag Vorname Nachname“ und „Sehr geehrte Anwesende, Liebe Gäste“.
Für Institutionen: grammatikalisches Geschlecht beachten
Statt: „die Stadt als Arbeitgeber“
Besser: „die Stadt als Arbeitgeberin“
Natürlich ist es am Anfang ungewohnt, vielleicht auch richtig anstrengend, jedes Mal nach einer gut lesbaren, geschlechtergerechten Alternative zu suchen. Manchmal gelingt es nicht gleich, aber ich danke Ihnen für jeden Versuch. Und schon bald wird es Ihnen ins Blut übergegangen sein und sich so anfühlen wie es ist und sein sollte: völlig normal. Es lohnt sich, probieren Sie es aus und teilen Sie gern Ihre Erfahrungen, Herausforderungen oder Fragen mit mir.
Hanna Bludau, ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hardegsen
Artikel erstmals veröffentlicht im Hardegser Stadtgeflüster 09/2020