Der Neujahrskater dürfte für die Regierungschefs der EU-Länder dieses Jahr etwas länger anhalten. Obwohl mit dem ersten Januar 2013 der neu modifizierte ESM in Kraft trat und sich alle Länder, mit Ausnahme von Grossbritannien und Tschechien, zu einem Fiskalpakt und dessen entsprechende Folgen bei Nichteinhaltung entschlossen haben. Ein Jahr Zeit haben diese 25 Staaten nun, die festgeschriebene Schuldenbremse in nationales Recht umzuwandeln. Dabei soll endlich die eigentlich schon längst beschlossene Regel festgeschrieben werden, dass sich ein Land nicht mehr als zu 60 % des BIP verschulden darf, andernfalls drohen angeordnete Sparmassnahmen. Zusätzlich soll sich ein Land nicht mehr als 0.5 % des BIP pro Jahr verschulden.
ESM 2.0
Diese Regeln gelten nun als Voraussetzung zur Teilnahme am obigen angesprochenen ESM. Dennoch bleiben viele Fragen offen, vor allem bezüglich der Stabilität des europäischen Bankensystems. Es ist noch nicht lange her, da standen mehrere europäische Banken am Abgrund (UBS, die deutschen Landesbanken, Commerzbank) oder mussten gar Konkurs anmelden beziehungsweise wurden übernommen oder verstaatlicht (Kaupthing, RBS, AIB). Die Gesamtbeihilfevolumen in der EU für Banken erreichten 2010 mit 4 % des BIP erschreckende Höhen und es mussten entsprechende Massnahmen definiert werden, damit dies nicht mehr so schnell vorkommt. Denn diese Milliardengarantien für Banken liessen die Staatsverschuldung vieler europäischer Länder explodieren und es mussten entsprechende Sparpakte geschnürt werden, welche wiederum das gesamte Volk belasteten.
Griffige Massnahmen sind nicht in Sicht
Nun müsste man meinen, dass die Regierungschefs aus der Geschichte gelernt und griffige Massnahmen definiert haben. Die Bilanz ist zwiespältig. Das vom BIZ definierte Basel III Abkommen tritt erst in sechs Jahren vollständig in Kraft (nur die Schweiz gibt sich mit dem Swiss Finish vorbildlich) und unter dem Aspekt, dass die amerikanischen Banken nicht ein Mal Basel II vollständig umgesetzt haben, kann ich den Ärger der europäischen Bankmanager durchaus verstehen. In einem solch hoch globalisierten Markt wie dem Finanzmarkt müssen Regeln global und ausnahmslos definiert werden. Geld ist mobiler als jegliche anderen Güter und sucht sich schnell seinen Weg.
Zwar erlaubt die EU nun unter bestimmten Voraussetzungen Hilferufe von notleidenden Banken, um die Volkswirtschaften der entsprechenden Länder zu schützen (Beispiel Spanien oder Zypern). Da dieses Geld aber aus dem aufgestockten ESM zu entnehmen sind, stösst vor allem Deutschland sauer auf. Und dies ist auch verständlich, haben sich zum Beispiel die spanischen Banken mit Immobilienkrediten masslos überschätzt und zahlen nun die entsprechende Rechnung.
Gäbe es den keinen Weg zur Selbsthilfe der Banken? Ein Weg, welcher die Volkswirtschaften der entsprechenden Länder nicht tangieren würde, aber trotzdem genug Geld bieten könnte, um notleidende Banken zu retten?
Die Tobin Tax feiert ihr Comeback
Die Antwort ist: Ja! James Tobin hielt in den 70er Jahren die Idee von einer Finanztransaktionssteuer auf Devisengeschäften fest. Er begründete seine Idee damit, dass der spekulative und kurzfristige Handel mit dieser Steuer reduziert würde und gleichzeitig eine gewichtige Einnahmequelle generieren würde. Die langfristigen Anleger würden von einer solchen Steuer nicht abgeschreckt werden, weil diese einerseits keine Wechselkursrisiken eingehen möchten und sich entsprechend absichern und andererseits sich die Höhe der Steuer in ihrem Anlagehorizont kaum negativ bemerkbar machen würde.
Tobin zielte insbesondere auf den Hochfrequenzhandel, welcher er als „mechanisch“ beschrieb und zwar im technischen Sinne: Die Transaktionskosten sind tief, die Kommunikationswege sind schnell und es wird rund um die Uhr gehandelt. In einem perfekten Markt, würde die Spekulation eigentlich dafür sorgen, dass sich die Preise im Gleichgewicht hielten. Da der Devisenhandel aber einerseits von unvorhersehbaren Tatsachen lebt und andererseits von Tradern beeinflusst wird, die nur vermuten was ihr Counterpart denken könnte und nach diesem Prinzip handeln, gilt er als nicht effizient
Der grosse Haken an der Sache sagte Tobin aber bereits damals voraus: Eine solche Transaktionssteuer muss weltweit oder zumindest in allen grossen und globalen Finanzmärkten eingeführt werden.
Die Tobin Tax führt zu effizienteren Märkten…
Vielen (Neo)-Liberalen war und ist aber eine solche Steuer wie immer ein Graus: Der Markt wird behindert, das Handelsvolumen würde abnehmen und die erhofften Einnahmen für den Staat würden so nicht eintreten. Doch stimmt das wirklich?
Da die eine solche Steuer bis heute nur in Frankreich eingeführt wurde (und dies auch erst Mitte 2012) und sich die EU momentan noch in einer Definitionsphase befindet, ob und wann eine solche Steuer eingeführt wird, müssen wir um diese Frage zu beantworten Studien herbeiziehen.
Die erste davon stammt von Hanke et al. aus dem Jahre 2006. In ihrem Experiment stellten sie fest, dass die Anleger bei Einführung einer Steuer in einem Markt automatisch auf den nicht-besteuerten Markt auswichen. Dies bestätigt nicht mehr als die Meinung von Tobin in seinem Standardwerk, dass die Steuer weltweit ohne Vorbehalte eingeführt werden müsste.
Die zweite Studie stammt von Johannes Kaiser, Thorsten Chmura und Thomas Pitz aus dem Jahre 2007. In einem real durchgeführten und breit abgestützten Experiment, welches jeweils in einem steuerbefreiten und später in einem steuerbelasteten Markt durchgeführt wurde (ohne Ausweichmöglichkeit wohlgemerkt) ,gelangten sie zu erstaunlichen Ergebnissen: Obwohl das Handelsvolumen nachweislich abnahm, blieb der Handelsumsatz praktisch derselbe. Wie kommt das? Kaiser et al. wiesen nach, dass die Markteffizienz mit einer Steuer, bis zu einem Satz von 2%, zunahm bzw. der nicht-besteuerte Markt sehr ineffizient agiert. Vor allem die anfängliche Verkaufspreise (Ask Price) wurden viel zu hoch angesetzt, währenddessen sich im besteuerten Markt die Kauf- und Verkaufspreise von Anfang an nahe beieinander bewegten und somit sehr effizient waren
… und zu tieferen Preisen und niedriger Volatilität
Eine weitere erstaunliche Erkenntnis, ist dass die Preise im besteuerten Markt im Durchschnitt sehr viel tiefer lagen als im nicht besteuerten Markt. Die Beobachtung ist nicht schlüssig, es wird aber vermutet dass die Trader im nicht besteuerten Markt versuchten die Preisgestaltung absichtlich zu beeinflussen, in dem sie viel höhere Preise verlangten. Im besteuerten Markt war dies auf Grund der sehr viel höheren Opportunitätskosten nicht der Fall
Der offensichtlichste Unterschied war bei der Marktvolatilität zu beobachten. Während sie beim besteuerten Markt sehr tief lag, erreichte sie beim nicht besteuerten Markt sehr hohe Maxima. Dabei vermuten die Autoren auch eine positive Korrelation zwischen der Volatilität und der Besteuerung, allerdings nur bis zur bereits oben angetönten Höhe von 2 %.
Eine Win-Win-Win Situation
Mit dieser Studie widerlegen die Autoren sämtliche Behauptungen der Gegner einer solchen Steuer. Nur zu den erwarteten Einnahmen des Staates macht die Studie keine eindeutige Aussage. Eine positive Korrelation zwischen der Besteuerung und den möglichen Einnahmen sei aber ersichtlich.
Für die krisengeplagte EU wäre eine Finanztransaktionssteuer à la Tobin aber eine Win-Win-Win Situation:
- Win I: Die Steuer führt nachweislich zu einem effizienteren Markt und zu einer tieferen Volatilität, gleichzeitig bleibt der Umsatz stabil. Die Trader können also weiterhin handeln und müssen keine Einbussen fürchten.
- Win II: Der einzelne EU Staat hätte seine Banken damit besser unter Kontrolle und muss sich weniger vor der nächsten Bankenkrise fürchten, welche ja ihre Ursprünge teilweise auch im Hochfrequenzhandel hatte.
- Win III: Wird das Geld schliesslich in einen gemeinsamen EU Fonds gespeist, welcher ausschliesslich für die Stabilisierung des europäischen Bankensystems, würden bei einer allfälligen nächsten Krise die Staatshaushalte geschont werden, da die Banken mit dem Geld aus diesem Fonds gestützt werden könnten.
Internationalität ist gefragt
Der grosse Haken bleibt natürlich der globalisierte Finanzmarkt. Eine solche Steuer müsste zwingend auch in Asien und in den USA eingeführt werden, ansonsten ist die Wirkung alles andere als sichergestellt.
Immerhin haben sich die wichtigsten EU Staaten (mit Ausnahme Grossbritaniens) auf einen ersten Entwurf einer europäischen Finanztransaktionssteuer geeinigt. Nur gibt es schon zu Beginn Uneinigkeit über die Verwendung des Geldes. Will die Mehrheit der Staaten den obengenannten Fonds schaffen, sträubt sich Deutschland, als zweitgrösster europäischer Finanzplatz, dagegen und möchte das Geld lieber im eigenen Staat behalten. Mit einer solchen Haltung aber nützt eine europäische Finanztransaktionssteuer rein gar nicht, da die Krisen jeweils international sind und Deutsche Banken automatisch davon erfasst würden.
Tobin hat der EU die zündende Idee quasi auf dem Silbertablett serviert. Nun ist es an der Zeit, diese umzusetzen, damit die Volkswirtschaften und damit auch alle Familien, Studenden und Rentner nicht mehr unter Fehlspekulationen der Banken leiden müssen.
Quellen:
Kaiser, J.; Chmura, T. and Pitz, T. (2007) The Tobin Tax: A Game-Theoretical and an Experimental Approach, Working Paper 2007-18, Innsbruck: Faculty of Economics and Statistics, University of Innsbruck
Hanke, M., Huber, J., Kirchler, M., and Sutter, M. (2006). The consequences of a Tobin tax – An experimental analysis. Discussion paper, University of Innsbruck.
http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/Gesetzlicher-Zwang-zum-Sparen/story/20247883
http://www.handelsblatt.com/politik/international/zum-neujahrstag-europaeischer-fiskalpakt-in-kraft-getreten/7575416.html