Mit Taschenlampenlicht gegen die Hölle auf Erden
Am Tag ihrer Geburt gab es einen totalen Stromausfall. Dass Anna Ternheim am frühen Morgen im Schein von Taschenlampen das Licht der Welt erblickte, könnte demnach erklären, dass sie heute vorzugsweise Musik für die späten Abendstunden schreibt. Das beweist die schwedische Sängerin auch auf ihrem neuen Album The Night Visitor, für das sie den kalten Norden verlassen und sich mit Produzenten-Legende Jack Clement (unter anderem U2) auf eine Terrasse irgendwo in Nashville zurückgezogen hat.
Der sonst so kühl-melancholische Schlag, der die Lieder der Schwedin bisher prägte, ist einem warmen und leicht countryesken Klangkleid gewichen. Der erzeugten Stimmung tut das gut: Der Folk-Pop aus der Ternheim’schen Feder, der schon immer auch von Jazz und Blues beeinflusst war, hat sich weiterentwickelt. Dank der Unterstützung einer kleinen Band, für deren Einsatz ihr neuer Produzent verantwortlich sein dürfte, kommen neben Gitarre und Schlagzeug, auch Violine, Mandoline, Akkordeon und Flöte zum Einsatz. Das Songwriter-Talent der 33-Jährigen ist nach wie vor überragend, wenn sie von Niederlagen, Siegen, Leben und Tod erzählt.
Als Gegensatz zu einer immer schneller werdenden Welt, dem ständigen Höher, Weiter und Besser, setzt Ternheim dank ihrer beruhigenden Stimme (wie zum Beispiel in The Longer The Waiting), die stets über der atmosphärischen Instrumentalisierung thront, eine wuchtige Wand entgegen, hinter der man sich nur zu gern eine Auszeit gönnt. Am Ende ist Ternheims Musik wie dieser Hustenbalsam, die sich – wie uns die Werbung suggeriert – hier zwar nicht über die gereizten Stimmbänder, dafür aber über die vom Alltag gestresste Seele legt und zumindest 50 Minuten lang für den nötigen Abstand von allem sorgt.
Interpret: Anna Ternheim
Album: The Night Visitor
Plattenfirma: Universal Music
Erscheinungsdatum: 28. Oktober
Tom Waits ist zurück und ziemlich böse. Warum, ist nicht klar, aber vermutlich will er mit Bad As Me dafür sorgen, nicht vorschnell zum Museumsstück zu werden. Sieben Jahre hat es gedauert bis sich Waits mit einem Album zurückmeldet, auf dem vollständig neues Material zu finden ist. Und das hat es in sich, denn der mittlerweile 61-Jährige klingt, wie man ihn kennt.
Waits grummelt sich durch 13 neue Rock’n'Roll-Songs, gibt den wehmütigen Seemann (New Year’s Eve), den nuschelnden Melancholiker (Back In The Crowd) oder umherirrenden Psychoclown (Bad As Me). Begleitet von Trompeten, schrammelnden Gitarrenriffs und taumelndem Schlagzeuggetrommel. Niemand wankt schöner zwischen Licht und Dunkelheit als Waits, niemand besingt den Weltschmerz kratziger als der alte Kauz, den man sich das gesamte Album über in einer alten Kneipe weit hinten im faden Licht auf einem Barhocker sitzend vorstellt. Da hängt er ab und erklärt uns, mit der Wucht eines Faustschlags, die Welt. Die ist nämlich die Hölle, an der Luzifer höchstpersönlich zerbrochen ist (Hell Broke Luce). Das ist harter Tobak, der einem aber eben nur von einem fast schon schreienden Waits inklusive Maschinengewehrgeknatter als erträglich verkauft werden kann.
Nur in dem düster-traurigen Pay Me wird Waits für knappe drei Monaten zum Romantiker, krächzt sich melodischer als sonst am Akkordeon vorbei und man wünscht ihm die Frau zurück, die er verloren hat. Auf Kiss Me gibt er den Charmeur und noch viel mehr, um zu bekommen, was ohnehin unausweichlich scheint. Tom Waits mag alt sein, aber ins Museum gehört er deshalb noch lange nicht. Bad As Me ist der beste Beweis dafür.
Interpret: Tom Waits
Album: Bad As Me
Plattenfirma: Anti/Indigo
Erscheinungsdatum: bereits erschienen
«Wir singen die Freiheit, wir singen die Möglichkeiten, wir singen das Land, den Staat, die Ansammlung, die Ausbreitung, die Einsamkeit, die Hoffnung…» Peter Licht singt, singt, singt, aber es geht nur in zweiter Linie um die Musik. In erster Linie zählen die Texte: Dies ist Poesie!, schreien seine Lieder mit jeder Zeile. Man muss das nicht mögen, aber mann muss es repektieren.
Der Sänger Peter Licht ist eigentlich ein Poet und als ein solcher ist er einer der führenden dieses Landes, das so stolz immer wieder auf die großen Dichter und Denker verweist. Peter Licht kann viel: Er kann ernst sein, er kann diese Ernsthaftigkeit mit dem nötigen Witz untermalen («Du sagst Gesellschaft ist toll, wenn nur all die Menschen nicht wären») und er reimt nicht des Reims wegen, sondern kann reimend wahre Geschichten erzählen.
Kein Wunder, dass der scheue Künstler, der mit dem Rücken zum Publikum oder im Halbdunkel auf der Bühne spielt, von dem nur wenige Pressefotos existieren und der seine Unsichtbarkeit als Teil seiner Kunst inszeniert, längst nicht nur Musik, sondern auch Bücher veröffentlicht. Nebenbei bringt er seine Texte auch ins Theater oder inszeniert dort gleich ganze Stücke. Ein Multitalent, geehrt mit dem dritten Platz beim renommierten Ingeborg-Bachmann-Literaturpreis. Und die Musik? Ist auf seinem neuen Album rasant, teilweise punkig, auf jeden Fall opulent mit reichlich Gitarren und Schlagzeug versehen. Minimalismus war gestern, Peter Licht macht jetzt Alarm. Herrlich.
Interpret: Peter Licht
Album: Das Ende der Beschwerde
Plattenfirma: Motor
Erscheinungsdatum: 28. Oktober 2011
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Durchgehört – Mit Taschenlampenlicht gegen die Hölle auf Erden
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