Mit Stalin im Badezimmer
Hitler hüpft und hakt sich bei Stalin unter. Knapp bekleidete Damen tänzeln um die Herren Diktatoren herum. In den Kostümen stecken Michael Bully Herbig und Jürgen Vogel, die in Leander Haußmanns neuem Film Hotel Lux eine brillante Hitler-Stalin-Parodie abgeben.
Es sind keine guten Zeiten für Humor: Weil Hans Zeisig (Michael Bully Herbig) einen Witz zu viel macht, muss er Nazi-Deutschland schleunigst verlassen. Er will nach Hollywood, landet aber im Moskauer Hotel Lux, das als Auffanglager für verfolgte Kommunisten diente, gleichzeitig aber auch im gnadenlosen Griff des Stalinismus steckte. Eine launige Durchgangsstation, wie Zeisig es zunächst sieht, wird das jedenfalls nicht – hier wird bespitzelt, gefoltert und deportiert. Aber Zeisig befindet sich in illustrer Gesellschaft: Ulbricht, Dimitrow, Pieck sind in der Herberge mit dem illuminierten Sozialistenstern auf dem Dach untergebracht.
Der Komödiant, der eigentlich nur nach Hollywood wollte, wird mit Hitlers Astrologen verwechselt und soll jetzt die Sterne des Genossen Stalin deuten. Der hat sich in seinem Badezimmer verschanzt und wird von Verfolgungswahn geplagt. Bevor Zeisig also die große Karriere in Übersee beginnen kann, muss er die Tarotkarten zücken und als Kummerkastentante des Diktators herhalten.
Mutprobe für Bully-Fans
Mit Hotel Lux wirft Leander Haußmann nach seinem Kassenerfolg Sonnenallee wieder einen belustigt wie kritischen Blick auf den Sozialismus. Doch Hotel Lux ist kein Schenkelklopfer-Streifen, sondern eine intelligente Komödie, bei der man sich eher über den bitterbösen Humor amüsiert, als sich brüllend vor Lachen im Kinosessel zu winden.
Besonders für Bully-Fans wird Hotel Lux eine Herausforderung sein. Der Komiker, der bislang im rosa Apachenkostüm und mit albernem Zungenschlag als Winnetouch, Mr. Spuck oder Hui Buh die Massen in die Kinos lockte, zeigt in seiner Rolle als Hans Zeisig eine Seite, mit der wohl keiner gerechnet hatte. Herbig beweist, dass er sich auch auf dem Parkett des hintersinnigen Humors stilsicher bewegt, wird damit aber womöglich einiger seiner Fans vergrätzen. Kegelklub-Trupps, die kichernd in diesen Film pilgern, wird das Lachen womöglich im Halse stecken bleiben. Doch Michael Bully Herbig ist in dieser nachdenklichen Rolle grandios.
Das historische Erbe, auf dem sich Hotel Lux bewegt, ist üppig: Von Charlie Chaplins Der große Diktator über Ernst Lubitschs Sein oder Nichtsein bis hin zu Daniel Levys Mein Führer haben sich Regisseure an einen komödiantischen Blick auf ein totalitäres System gewagt. Aus der Reihe der Diktatoren-Satiren hebt sich Hotel Lux ab, weil der Film sich auf den Stalinismus konzentriert. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Es ist ein Eiertanz, für eine Komödie, die sich im Umfeld von Massenvernichtung, Folter und Denunziation bewegt, den richtigen Ton zu finden. Haußmann gelingt das mit Hotel Lux erstaunlich gut.
«Massenparteien waren mir schon immer suspekt»
Der Regisseur zeigt grandiose Einfälle: Stalin verpasst er eine Komplettrasur, Ulbricht baut am Kaffeetisch eine Mauer aus Zuckerstückchen und Zeisig will die schöne Kommunistin mit einem Banner über seinem Bett verführen – darauf steht: «Proletarier aller Welt vereinigt euch».
Besonders gelungen sind Momente, in denen Haußmann die Parallelen zwischen den beiden Ideologien und der dazugehörigen Propaganda zeigt. Parolen, Drill und Abstimmungsgymnastik. «Massenparteien waren mir schon immer suspekt», lässt Haußmann seinen Zeisig dazu lakonisch sagen. Der Held des Films hat keine revolutionäre Vision. Statt von Abzeichen und gesellschaftlichen Umwälzungen träumt er von Hollywood und der verführerischen Stalinistin Frieda (Thekla Reuten).
Dennoch hat der Hallodri mit Bleistiftschnauzer und dem Schneid eines Rhett Butler ein gesundes Gespür für Moral: Als der neue nationalsozialistische Theaterdirektor ihn zwingen will, den lustigen Juden zu spielen und der Visagist ihm rät: «Komm, mach es. Tut doch keinem weh», sagt er nur: «Doch. Mir.» Mit diesem knackigen Dialog setzt Haußmann der Zivilcourage, die keine Ideologie braucht, ein wunderbares Denkmal.
Hinrichtung nach dem Tête-à-tête
Auch wenn Hotel Lux eine Komödie ist – dass sich im Stalinismus und besonders auch im Hotel Lux grauenvolle Szenen abgespielt haben, verkleistert dieser Film nicht unter einer Schicht albernem Humor. Immer wieder bricht das Grauen durch den launigen Ton, mit dem Zeisig aus dem Off sein Abenteuer schildert.
Da rennen die Kinder über den Flur des klaustrophobischen Hotels, attackieren sich mit Zwillen und rufen dabei hämisch «Auf der Flucht erschossen, auf der Flucht erschossen!» und nach dem Tête-à-tête mit Stalin wird der Übersetzer hingerichtet, weil das Gespräch unter vier Augen bleiben soll.
Es ist nur eine scheinbare Naivität, mit der Zeisig seine Geschichte erzählt, der Stachel, den er mit seinen entwaffnenden Beobachtungen und launigen Bemerkungen setzt, sitzt tief und den trägt man mit nach Hause, nachdem die Lachtränen getrocknet sind.
V E R L O S U N G: Kinotickets
Zum Kinostart von Hotel Lux verlost news.de drei mal zwei Eintrittskarten. Wer gewinnen möchte, schickt bitte eine E-Mail mit dem Stichwort «Hotel Lux» bis Montag, 31. Oktober 2011, 12 Uhr, an redaktion@news.de. Bitte die Postadresse nicht vergessen. Die Gewinne werden unter den Einsendern verlost. Die Gewinner werden umgehend per E-Mail benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Titel: Hotel Lux
Regie: Leander Haußmann
Darsteller: Michael Bully Herbig, Jürgen Vogel, Thekla Reuten
Filmlänge: 95 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Constantin
Kinostart: 27. Oktober 2011
Quelle:
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«Hotel Lux» – Mit Stalin im Badezimmer
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Tags: Hotel Lux, Jürgen Vogel, Leander Haußmann, Michael Bully Herbig, Thekla ReutenNews² - News, News und nochmals News
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