Es gibt sehr viele Möglichkeiten die energetischen Anforderung im Neubau nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) einzuhalten. Nicht alle dieser Wege zum energieeffizienten Neubau sind zu teuer und haben lange Amortisationszeiten. Gerade in größeren Gebäuden bietet sich auch die lokale Stromerzeugung mit Photovoltaik als Mieterstrom an, um energetische Anforderungen zu erfüllen. Mieterstrom im Neubau kann die wirtschaftlich attraktive Lösung für Eigentümer und für Mieter sein, die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach zu finanzieren.
Photovoltaik im Nachweis der EnEV
Die Einbindung der Photovoltaik-Anlage in den Nachweis der EnEV ist möglich durch die Anrechnung des Solarstroms auf die Energiebilanz des Gebäudes. Dies wird in §5 „Anrechnung des Stroms aus erneuerbaren Energien“ geregelt. Der vor Ort erzeugte Strom kann vom Endenergiebedarf in der Monatsbilanz abgezogen werden, unter den Anforderungen, dass
- der Strom im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zu dem Gebäude erzeugt wird,
- der Strom vorrangig in dem Gebäude unmittelbar nach Erzeugung oder nach vorübergehender Speicherung selbst genutzt wird und
- nur die überschüssige Energiemenge in ein öffentliches Netz eingespeist wird.
Im Nachweis darf dabei nicht mehr Strom angerechnet werden als für den Bedarf der jeweiligen Nutzung ermittelt wurde. Der Bedarf und der Ertrag wird auf monatlicher Basis ermittelt (Weitere Details in EnEV 2014).
„Weil viele theoretisch mögliche Maßnahmen wie zum Beispiel eine zusätzliche Gebäudedämmung oder Lüftungsanlagen in der Praxis durch falsches Nutzerverhalten oft nicht den erhofften Effekt haben, ergänzen sie Immobilienbesitzer und Bauherren bevorzugt mit Maßnahmen der eigenen Energieerzeugung vor Ort“, weiß Dr. Hendrik Schlune, Geschäftsführer der GVD GmbH & Co. KG.
Im Fall von Mehrparteiengebäuden gehörten dazu zunehmend auch Mieterstrommodelle. Nach Angaben von Polarstern Energie können sie bei einer geschickten Umsetzung die Chancen auf die hohen KfW-Förderungen erhöhen.
„Mieterstrom wirkt dabei quasi wie ein Steigbügel“, erklärt Florian Henle. Um die hohen Anforderungen von KfW40 an den jährlichen Primärenergiebedarf zu erreichen, macht es Sinn, neben effizienter Heiztechnik und Dämmmaßnahmen auch vor Ort Strom zu erzeugen; bei KfW40 Plus ist das sogar eine Voraussetzung. „Die eigene Energieerzeugung vor Ort ist unumgänglich.“
Strom und Wärme sind in Verordnungen und Gesetzen noch so gut wie getrennt
Im Nachweis nach dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG von 2011) ist die Photovoltaik-Anlage direkt nicht vorgesehen. Sie kann nur über den EnEV-Nachweis dazu beitragen, dass die Anforderungen der EnEV um mindestens 15 Prozent unterschritten werden. Der über den Bedarf für die Anlagentechnik, wie Pumpen etc., hinaus gehende Strom kann dann den Mietern angeboten werden.
„Bei Mehrparteiengebäuden beispielsweise kann der überschüssige Strom in Mieterstromangeboten integriert werden. Damit lässt sich die im Gebäude nutzbare Sonnenenergie verdoppeln oder gar verdreifachen“, erklärt Dr. Hendrik Schlune.
Fachliche Hinweise zur Anrechnung des Solarstroms im EnEV-Nachweis:
- IWU: „Beitrag der Stromerzeugung zur Energiebilanz des Gebäudes„
- Der Bausachverständige: „Photovoltaik zur Energieeinsparung„, Beitrag von Melita Tuschinski, Michael Brieden-Segler und Clemens Schickel
Beispiele für Photovoltaik-Mieterstrom im Neubau
Es gibt anscheinend noch kaum Beispiele oder Fachbeiträge für die Anrechnung einer Photovoltaik-Anlage im EnEV-Nachweis. Ob bei den aktuellen Projekten, die ich gefunden habe, der Solarstrom im Nachweis zur Energieeinsparverordung (EnEV) angerechnet wurde, kann ich nicht sagen. Mit steigenden energetischen Anforderungen im Neubau und bei sinkenden Preisen für Photovoltaik-Anlagen wird man künftig vielleicht kaum noch an Mieterstrom im Neubau vorbei kommen.
Bei der Heidelberger Energiegenossenschaft, die ein Vorreiter bei Mieterstrom ist, habe ich das Projekt umBAU² Turley gefunden. Dies ist ein soziales Wohnprojekt in Mannheim mit Wohnraum für 25 Menschen. Die Heidelberger Energiegenossenschaft finanziert und betreibt die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Gebäudes.
Solarer Mieterstrom im Neubau für „Charlotte am Campus“
Die Bewohner der „Charlotte am Campus“ können den auf den Dächern ihrer Wohnhäuser produzierten sogenannten Mieterstrom als BEA-Kiezstrom® direkt beziehen.(Foto: BEAIn Berlin hat die Energieagentur ihre erste Solaranlage für einen genossenschaftlichen Neubau der Charlottenburger Baugenossenschaft in Betrieb genommen. Wie auch schon in anderen Projekten der Berliner Energieagentur wird der Strom von der Anlage auf dem Dach der „Charlotte am Campus“ den Mietern als BEA-Kiezstrom angeboten.
Interessant an der hocheffizienten Anlage mit insgesamt 270 Modulen ist auch die Ausrichtung gen Osten und Westen sowie das begrünte Dach. Durch die Anordnung in zwei verschiedene Himmelsrichtungen wird die Sonneneinstrahlung optimal eingefangen und für die Verbrauchslastspitzen in den Morgen- und Spätnachmittagsstunden genutzt.
Die Photovoltaikanlage in Adlershof hat eine Gesamtleistung von 69 kWp. Die polykristallinen Module stammen aus deutscher Produktion von Heckert Solar. Der erwartete Jahresertrag liegt bei 59 Megawattstunden (MWh). Dies entspricht dem durchschnittlichen Jahresstromverbrauch von knapp 20 Haushalten. Durch den Einsatz erneuerbarer Energien werden 35 Tonnen CO2 /Jahr eingespart.
„Die Photovoltaik ist ein wichtiger Bestandteil der Berliner Energie- und Klimaschutzstrategie. Die BEA zeigt mit diesem Projekt, das auch unter veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen eine wirtschaftliche Auslegung solcher Anlagen möglich ist“, erklärte BEA-Geschäftsführer Michael Geißler.
Klimafreundliches und bezahlbares Energiekonzept
Für das Bauprojekt „Charlotte am Campus“ mit 121 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit wurde ein besonders klimafreundliches Energiekonzept umgesetzt. Bei der Wärmeversorgung kommt Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) auf Biomassebasis zum Einsatz. Dadurch kann das Gebäude mit einem sehr niedrigen Primärenergiebedarf punkten.
„In diesem Neubau bieten wir qualitativ hochwertigen und zugleich bezahlbaren Wohnraum an, auch bei den warmen Betriebskosten ist dieses Angebot attraktiv für unsere neuen Genossenschaftsmitglieder“, sagte Rudolf Orlob, technischer Vorstand der Charlottenburger Baugenossenschaft.
Mieterstrom senkt Investitionen in energetische Maßnahmen
Bislang spielt Photovoltaik im energieeffizienten Bauen nur eine sehr geringe Rolle. Durch die Integration von Mieterstrom kann sich das jedoch deutlich ändern. Mieterstrom ist attraktiv für die die Immobilienbesitzer durch den Bonus im EnEV-Nachweis, sowie durch die Rendite und für Mieter ist das Stromangebot positiv durch günstigeren Strom.
Ich bin gespannt wie sich das Angebot weiter entwickeln wird und auf Beispielrechnungen, wie sich die Potovoltaik im EnEV-Nachweis auswirkt. Was glaubt Ihr, liebe Leserinnen und Leser, wird der Mieterstrom im Neubau künftig eine größere Rolle in der Energieeffizienz von Gebäuden spielen?