Mit Liebe hat das nichts zu tun!

Von Privatkino

Titel:  Mit Liebe hat das nichts zu tun!
Autor: Claudia Mech
Genre: Biografie
Seiten: 160 Seiten
Verlag: Elf Uhr Verlag
ISBN-10: 393662819X
ISBN-13: 978-3936628197

Erste Sätze:
Ich schreibe diese Geschichte hauptsächlich für dich. Es ist meine Geschichte. Nicht deine, auch wenn du darin vorkommst. Du wirst nicht stolz sein, weder auf mich noch auf dich oder auf sonst jemanden.

Klappentext:
Es sollte so ein schöner Urlaub werden. Doch dann kam alles anders. Stefanie verstand die Welt nicht mehr. Warum hatte Vati das getan? Zuhause setzte sich das Drama fort. Mutti ließ sie viel zu oft alleine. Eine Weile fand sie es sogar schön. Doch sie wusste, es ist falsch. Scham und Gewissensbisse ließen sie schweigen. Es hörte nicht auf. Fast ein ganzes Jahr!
Schließlich empfand sie nur noch Abscheu. Als der Ekel sich ins Unermessliche gesteigert hatte, fasste sie einen folgenschweren Entschluss…

Inhalt:
Stefanie wächst bei ihren Großeltern auf, welche sie jedoch als Mutti und Vati ansieht, kennt sie die Situation doch nicht anders. Zu Hause ist sie das Nesthäkchen, wird umsorgt.
Eine Veränderung tritt auf, als die Familie einen Urlaub nach Mallorca macht, auf der Insel ist es das erste Mal, dass ihr Vati sie beim Eincremen unsittlich berührt. Die Sache verwirrt sie, doch ist sie mit 12 Jahren gerade an einem Lebensabschnitt, in dem man sowieso nicht wirklich weiß, wohin mit seinen Gedanken und wenn es für ihren Vati natürlich ist, dann kann doch nichts Schlimmes dran sein, oder? Auch darin nicht, dass es zu Hause weitergeht mit den Übergriffen.

Meine Meinung:
Eine Autobiografie und der Erste mag stutzen, die Autorin heißt doch Claudia, wohl wahr, warum ein anderer Name gewählt wurde, ich kann es nicht genau sagen, stelle mir aber vor, dass man dadurch eine relative gute Distanz zu den Worten aufbauen kann, als würde man die Geschichte von jemanden anderen erzählen, nicht die eigene. Nichtsdestotrotz bleibt es also eine Autobiografie und wie bewertet man eine solche: Ist der Voyeurismus besänftig, die Taten detailgenau oder doch nur leicht angedeutet, der Stil literarisch hochwertig? Schwierig, jeder erwartet und sucht etwas anderes. Biografien bewerten, das kommt mir manchmal falsch vor, aber man kann ein Buch auch ohne Schleier betragen und den Ist-Zustand niederbringen: Der Schreibstil ist einfach gehalten, in kurzen knappen Worten wird eine gewallte Last auf den Leser niedergelegt. Die Sätze meist kurz, besitzen gerade deswegen eine besondere Kraft, wenn ich auch sagen muss, alles erscheint ein bisschen nüchtern, mir ist klar, was ich las, es war schrecklich, aber der Schrecken ließ sich nicht immer für mich finden, die Worte schlimm, das entsprechende Gefühl wollte sich jedoch nicht einstellen.
Wo die Nüchternheit aber einen großen Schrecken auslöst, war bei der Beschreibung der Taten, die sind nämlich ohne große Andeutung schlicht genau niedergebracht. Die Taten, mit so einer Sachlichkeit, dass man in einen wahren Gefühlszwiespalt hineinrutscht. Was jetzt fühlen, die Kühle, die die Autorin erzeugt, oder den Schrecken der Übergriffe. Hier waren auch immer wieder die Stellen, an denen ich das Buch aus der Hand legen müsste, weil ich befürchtete an der Kälte zu ersticken, dass ich vergesse, was für schreckliche Dinge hier eigentlich geschehen.

Was mir persönlich an dem Buch fehlt, ist die Zeit nach dem Missbrauch. Kurz im Nachwort wird es angerissen, wie die Autorin mit sich kämpfen musste, um wieder ins Leben zu finden, doch genau darüber möchte ich lesen, wissen, woran man sich halten kann, wenn alles um einen zu zerspringen droht. Es ist leider bei Biografien zu Missbrauch öfters so, dass die Zeit der Heilung vollkommen ausgelassen wird, doch dabei ist es so ein wichtiger Teil. Die große Frage, wie man nach so schrecklichen Dingen weiterleben kann, woher man die Kraft nimmt, jeden Tag wieder aufzustehen.

Und lege ich den Schleier jetzt wieder an, dann ist es einfach ein Buch über schreckliche Taten, die einen in ein Gefühlskarussell lotsen, hat der Schreibstil auch Ecken und Kanten, so kann man es zurückstellen und betrachten was man wirklich hat: Ein starkes Mädchen im Kampf. Letztlich kann ich nur sagen: schreibt ein Mensch eine Autobiografie, über Dinge die einen verletzt haben, ziehe ich gerne meinen Hut, weil es unglaublich viel Mut braucht, sich den Dämonen der Vergangenheit zu stellen.

Die Signatur meines Buches, ich denke, es ist ein perfektes Fazit: