Die allerersten Hausaufgaben werden mit vollem Elan gemacht. Ob das so bleibt?
Im Seminar Erfolgreich lernen mit ADS/ADHS erzählen Eltern regelmässig, dass die Hausaufgaben ewig dauern. Es vergeht sehr viel Zeit, bevor das Kind überhaupt mit den Hausaufgaben beginnt. Währenddessen steht es immer wieder auf, geht an den Kühlschrank, auf die Toilette, schaut aus dem Fenster und träumt vor sich hin.
Viele Eltern setzen sich mit der Zeit neben das Kind und weisen es immer wieder auf die zu bearbeitenden Aufgaben hin. Dies führt aber oft nicht dazu, dass die Hausaufgaben schneller erledigt werden, da nun ewige Diskussionen dazu kommen. Für jede kleinste Handlung muss scheinbar eine Anweisung gegeben werden: „Nimm das Etui hervor…mach es auf…jetzt nimm endlich den Stift raus…wo hast du das Hausaufgabenheft?“
Nicht wenige Eltern machen sich berechtigt Sorgen, weil die Hausaufgaben derart viel Zeit in Anspruch nehmen, dass kaum mehr Freizeit übrig bleibt. Sie können nicht verstehen, warum das Kind nicht gewillt ist, die ungeliebte Tätigkeit rasch hinter sich zu bringen, um endlich Zeit für Freunde oder das Spielen zu haben. Typische Sätze sind dann: „Wir sitzen zum Teil zwei, drei Stunden dran – dabei wäre es in 30 Minuten erledigt.“
Verträumt oder überaktiv
Einige Kinder, beispielsweise die verträumten Kinder mit ADS, arbeiten von Natur aus langsam. Die überaktiven Kinder können sehr schlecht nach der Schule noch einmal still sitzen – sie möchten sich bewegen und etwas erleben. Die feinmotorischen Schwierigkeiten machen das Schreiben zu einer mühsamen Angelegenheit.
Setzt man die Kinder an die Hausaufgaben, fehlt meist grundsätzlich die Bereitschaft bzw. das Ziel zu arbeiten. Die Kinder sehen einen Berg mühsamer Aufgaben vor sich und werden bereits bei dessen Anblick schläfrig. Für viele fühlt es sich an, als müssten sie nach einem anstrengenden und langen Arbeitstag noch eine Steuererklärung ausfüllen – eine pro Tag!
Teufelskreis Trödeln
Gerade wenn Kinder bereits die Erfahrung gemacht haben, dass die Hausaufgaben viel Zeit in Anspruch nehmen, nimmt paradoxerweise das Trödeln zu. Die Kinder haben das Gefühl: „Das dauert sowieso den ganzen Nachmittag!“ Sie reduzieren in der Folge die Anstrengung, um Energie zu sparen. So dauert es zwar lange, ist aber nicht so kräfteraubend.
Je länger die Kinder bereits dran sitzen, desto müder werden sie. Sie fangen an, sich Pausen zu stehlen. Während die Eltern immer mehr Anweisungen geben und versuchen, das Kind von aussen zu motivieren, klinken sich die Kinder innerlich aus und flüchten aufs Klo, um sich eine kurze Auszeit zu gönnen.
Hausaufgabenzeit beschränken
Es gibt viele Wege, dieses Problem anzugehen. Besonders bewährt hat sich die Begrenzung der Hausaufgabenzeit. In den meisten Schulen gilt die Regel, dass pro Schuljahr ca. 10 Minuten Hausaufgaben erteilt werden – ein Drittklasskind sollte im Durchschnitt also ca. 30 Minuten pro Tag für die Hausaufgaben aufwenden. Natürlich gibt es dabei individuelle Unterschiede – mehr als doppelt so lange sollte jedoch kein Kind arbeiten müssen.
Falls Euer Kind deutlich länger braucht, solltet Ihr das Gespräch mit der Lehrperson suchen. Viele sind dazu bereit, die Hausaufgabenmenge zu reduzieren oder sich darauf einzulassen, dass das Kind eine vorgegebene Zeitspanne arbeitet.
Auf diese Weise kann vereinbart werden, dass ein Drittklasskind beispielsweise 30 Minuten Hausaufgaben macht. Danach wird abgebrochen.
Das Kind weiss in diesem Fall, dass es sowieso nur 30 Minuten Hausaufgaben machen muss. Bei vielen Kindern weckt dies den Ehrgeiz, in diesem Zeitraum möglichst viel zu schaffen.
Klare Trennung Arbeitszeit und Freizeit
Dieses Ziel kann noch verstärkt werden, wenn dem Kind beigebracht wird, klar zwischen Arbeitszeit und Freizeit zu unterscheiden. Wir nutzen dazu einen Timetimer. Dies ist ein Wecker, bei dem die Zeit in einem Kuchendiagramm abläuft. Dies erleichtert meist schon den Einstieg. Anstatt zu diskutieren, ob das Kind nun endlich mit den Hausaufgaben beginnen möchte, zeigen die Eltern auf den Timetimer und fragen: „Kann ich ihn aufziehen?“
Nun geht es los – der Wecker läuft und das Kind startet mit den Hausaufgaben. Anstatt das Kind nun ständig zu ermahnen, dran zu bleiben, achten die Eltern darauf, dass das Kind die 30 Minuten gut nutzt. Nach 10 oder 15 Minuten kommen sie vorbei und fragen: „Bist du noch ganz dabei oder willst du kurz Pause machen?“ Während der Pausenzeit wird der Wecker angehalten und das Kind schaut fünf Minuten bewusst aus dem Fenster, trinkt ein Glas Milch, isst einen Apfel, hört sich einmal sein Lieblingslied an oder hüpft einige Minuten auf dem Trampolin. Es werden also nur Aktivitäten zugelassen, die leicht wieder unterbrochen werden können. Danach setzt sich das Kind wieder hin, drückt auf den Wecker und steigt erneut in die Arbeit ein.
Durch diese Methode lernt das Kind einzuschätzen, ob es konzentriert ist oder nicht und dass es eine Pause machen darf und soll, wenn dies nicht mehr der Fall ist. Das stundenlange, langsame Arbeiten, bei dem Eltern die Kinder bei der Stange halten, zerstört die Konzentrationsfähigkeit – das Kind entwickelt immer stärker das Ziel, die Hausaufgaben zu vermeiden und so lange wie möglich hinauszuschieben.
Damit das Kind durch die Begrenzung der Hausaufgabenzeit nicht unter Druck gesetzt wird, muss ganz klar vereinbart werden, dass nicht alle Hausaufgaben gemacht werden müssen. Die Regel lautet: Ich arbeite konzentriert 30 Minuten und schaue, wie weit ich in dieser Zeit komme. Danach habe ich meine Freizeit verdient. Manche Kinder können diese Vereinbarung schlecht annehmen – aber auch dann lohnt es sich, diese durchzusetzen. Die Lehrkraft kann dem Kind vielleicht nochmals versichern, dass sie es toll findet, wenn das Kind sich an die Zeitbegrenzung hält. Nach zwei, drei Tagen gewöhnt sich das Kind daran – und vielleicht wird es schon bald schneller und schafft alle Hausaufgaben.
Es schadet Kindern, wenn sich die Hausaufgaben über Stunden hinziehen:
- Die Motivation nimmt immer mehr ab und das Kind beginnt die Schule zu hassen.
- Es wird wenig Stoff aufgenommen, dafür nehmen die Konflikte zu
- Das Kind ist aufgrund des Hausaufgabenmarathons so müde, dass es sich in der Schule am nächsten Tag kaum noch konzentrieren mag
- Die Freizeit nimmt ab – damit fehlt der Ausgleich und ein Zeitraum, innerhalb dessen das Kind seinen Stärken nachgehen, andere wichtige Dinge lernen und sich erholen kann
Habt als Eltern den Mut, für ein gesundes Verhältnis von Schule, Hausaufgaben und Freizeit zu sorgen. Der folgende kurze Film verdeutlicht nochmals wesentliche Punkte:
Welche Erfahrungen macht Ihr mit den Hausaufgaben? Kommen Euch die obgenannten Herausforderungen bekannt vor? Welche neuen Sichtweisen, welche Tipps leuchten Euch nun besser ein?
bereits erschienene Beiträge in Zusammenarbeit mit Mit Kindern lernen:
- Selbständige Kinder – leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe
- Auswendig lernen – jedes Kind ein Superhirn?
- Mit Kindern lernen – aber richtig!
weitere Links:
- Buch Mit Kindern lernen
- Online-Kurs Mit Kindern lernen