Der Gedanke ist anfänglich sehr abwegig, aber es verdichten sich die Hinweise darauf, dass die Besatzung immer noch am Leben ist und mit ihrem kosmischen Flugvehikel durch das All trudelt. So wird eine zweite Raummannschaft gebildet, in der sich auch ein Sohn eines der Besatzungsmitglieder der “Darwin” befindet, und auf die lange und strapaziöse Reise ins Sonnensystem geschickt, um “das Streichholz im Ozean zu finden”…
Herbert Ziergiebels (1922 – 1988) phantastischer Roman “Die andere Welt” ist in den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts erschienen. Dabei zählt er aber keineswegs zu der Gattung des Science-Fiction, aber für den Leser, der mit der Materie der Astronomie nicht allzu vertraut ist, wirkt trotzallem vieles darin wie Zukunftsmusik. Dabei war ich anfänglich sehr skeptisch, ob ich dem Roman überhaupt würde folgen können, wenn ich doch die Funktionsweise derartiger Raumschiffe und ihres “Interieurs” nicht kenne und nur bedingt verstehe, doch es ist alles sehr simpel und bildlich erklärt, odass ich selten mit großen Fragezeichen über dem Kopf vor dem Buch saß.
Dabei verliert sich der Roman auch nicht in technischen Beschreibungen oder vermehrt astronomischen Beobachtungen, sondern legt den Focus gezielt und geschickt auf die Menschen, die dort miteinander agieren. Sie sind alle sehr glaubhaft und authentisch. Man wohnt Konkurrenzkämpfen bei, sieht wie sie sich wieder vertragen oder Freundschaften schließen oder begleitet sie auf ihrem Weg in die Isolation. Denn eine der wichtigen Fragen ist hier: Wie lang kann ein Mensch, losgelöst von seiner Erde bestehen? Wann wird man wahnsinnig, wenn man monatelang mit denselben Menschen auf engstem Raum eingesperrt ist, ohne Aussicht auf Erlösung. Und wäre es dann nicht besser, eine Kapsel zu schlucken, die einem von diesem Märtyrium erlöst?
Zu Anfang dachte ich, dass es sich nur um die Besatzung der “Johannes Kepler”, dem Raumschiff, das die Aufgabe hatte, das verschollene Raumschiff zu suchen, handle, aber spätestens ab Mitte des Romans wurde deutlich, dass der eigentliche Mittelpunkt der Erzählung die Geschichte um die sechs Besatzungsmitglieder ist, deren Leidensweg in Form eines Tagebuchs nun vor der Crew der “Johannes Kepler” und dem Leser lag.
Auch wenn die Tagebucheinträge nicht wirklich wie solche daherkommen (dafür fehlt manchmal das authentische Schreiben – es ist eher wie eine Geschichte gehalten), so schildern sie dem Leser doch eindrücklichst die Emotionen, die Probleme und die Hoffnungen auf der “Darwin”. Bis zum Ende des Romans fühlt man mit ihnen mit, man möchte ihnen am liebsten Hoffnung zusprechen, sie ermuntern – und weiß trotzdem, dass es berechtigte Fragen sind, die sich die Besatzungsmitglieder um den Sinn ihreres Lebens, ihres Vegetierens, stellen:
Welchen Wert hat das Leben, wenn es keine Hoffnung mehr gibt?
Ich muss sagen, dass mich dieser Roman sehr bewegt hat. Er ist wundervoll geschrieben, zugleich auch enorm fesselnd und spannend. Ich als Leser bin in die Geschichte eingetaucht, habe mit den Personen gefühlt, war selbst manchmal hoffnungslos, und dann, wenn wieder ein neuer, kleiner Hoffnungsschimmer aufglomm, dazu geneigt, ihre Hoffnung zu teilen.
Shaakai
(Studentin, 24 J.)
[Erstveröffentlichung Freigeist Weimar]
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