Mit Isabel Allende im WDR-Funkhaus (lit.COLOGNE SPEZIAL)

Zum fünften Mal findet in Köln gerade parallel zur Frankfurter Buchmesse die lit.COLOGNE SPEZIAL statt. Gestern Abend, am 16. Oktober, war im Rahmen dieser Veranstaltung Isabel Allende zu Gast um unter anderem aus ihrem neuen Roman Der japanische Liebhaber vor zu lesen. Die deutsche Version trug Suzanne von Borsody vor und die ehemalige Kölner Bürgermeisterin Angela Spizig führte durch das knapp anderthalbstündige Gespräch mit Señora Allende.

Isabel Allende hat sich mit 51 Millionen verkauften Exemplaren, die in 27 Sprachen übersetzt werden, als eine der bedeutendsten weiblichen Literatur-Stimmen Südamerikas etabliert. Obwohl sie ihr Heimtland Chile nach Pinochets Militärputsch vor mehr als 30 Jahren verlassen hat und seitdem in Kalifornien lebt, schreibt sie ihre Romane weiterhin auf spanisch. Dazu befragt erklärt sie, Romane entstünden nicht im Kopf "sondern hier" und deutet auf ihr Herz. "It is an organic thing - like dreaming or making love" sagt sie in grammatikalisch tadellosem Englisch mit umwerfendem spanischen Akzent, "I would feel ridiculous doing it in English."

Auch über ihre Schreibprozesse erteilt die inzwischen Dreiundsiebzigjährige bereitwillig Auskunft. Die Arbeit an jedem ihrer Bücher beginne sie am 8. Januar eines Jahres. Frühmorgens setzt sie sich an ihren Schreibtisch, an dem sie von Fotos ihr wichtiger Menschen umgeben ist ("some of them alive, some of them dead"), zündet Kerzen an, trinkt Tee und beginnt. Acht bis zehn Stunden schreibt sie so am Tag, ohne Skript und feste Vorstellung davon, wohin die Reise sie führen wird. "I tend not to repeat mistakes, but I always find new mistakes when writing" sagt sie und lächelt verschmitzt ins Publikum, das ihre Witze mit lautem Gelächter und Applaus quittiert. Das Einzige, das feststeht, wenn sie sich an ein neues Buch macht, sind Ort und Zeit des Geschehens. Die einzelnen Charaktere entwickeln sich mit der Zeit, erzählen ihr ihre Geschichte und finden ihren Platz im Buch. Angela Spizig bringt diesen Prozess auf den Punkt indem sie einen früheren Ausspruch Allendes zu ihrem Schreibprozess zitiert: "Writing a new book is like going into a dark room with a small candle" - mit jedem Schritt, den man tut, erhellt das flackernde Kerzenlicht eine weitere Ecke des Raums.
Dazu befragt, wie sie auch über Themen schreibt, zu denen sie selbst eigentlich keine persönliche Beziehung hat (so schreibt sie ausführlich über Sklaverei in Die Insel unter dem Meer und die Verfolgung japanischstämmiger Amerikaner in den 1940er Jahren in Der japanische Liebhaber), erklärt sie, dass es eigentlich nur eine Frage von Empathie ist, schließlich sind alle Menschen gleich: "All people are the same so I can relate. Why can I not feel what a slave feels, whatever the skin color? [...] Your pain, your history also belongs to me."

Nicht nur Schreibprozesse werden auf der Bühne besprochen; es wird auch sehr persönlich. Eingangs verspricht Angela Spizig, dass es an diesem Abend um Liebe, Alter und Tod ginge, dass es aber "bestimmt kein trauriger Abend" werden würde. Und so ist es tatsächlich. Señora Allende ist eine elegante, zierliche, sehr kleine Dame, die zwar zu müde für eine Signierstunde ist, doch auf der Bühne eine beeindruckende Präsenz entwickelt. Scharfsinnig, humorvoll und völlig unsentimental spricht sie offen darüber, sich gerade nach 27 Jahren Ehe von ihrem Mann getrennt zu haben. Sie befinde sich in einer völlig neuen Lebensphase - zum ersten Mal bewusst ohne Mann an ihrer Seite. Und sie finde dies gar nicht deprimierend, sondern interessant: "I feel curious".

An anderer Stelle merkt sie an, "I look good for my age, but that's from a distance" und stellt außerdem klar: "I don't like tall blondes. I usually kill them by page 60" - ein Kommentar, der Suzanne von Borsody dazu veranlasst, bei der Verabschiedung von Isabel Allende auf die Knie zu fallen (was beide Frauen etwa gleich groß macht).

Auch um Allendes neuen Roman geht es an diesem Abend. Ich muss hier zu meiner Schande gestehen, dass ich es nicht geschafft habe, das Buch vor der Veranstaltung durchzulesen - ich hänge noch in der ersten Hälfte. Daher hier nur ein kurzer Abriss zum Inhalt: die junge Moldawierin Irina, klein (!) und blond, beginnt ihre Arbeit im Lark House, einer Seniorenresidenz in Oakland, in der sich zumeist alternde Hippies und Künstler tummeln. Durch die Gänge zieht in schöner Regelmäßigkeit ein leichter Grasgeruch und diejenigen, die noch fit genug sind, malen, schreiben und inszenieren kleine Theaterstücke. Unter den Bewohnern befindet sich auch die exzentrische und sehr gut betuchte Alma Belasco, die Irina bald als persönliche Assistentin anstellt. Die alte Dame ist um die 80 und meistens abweisend und grummelig. Nur wenn sie einen der geheimnisvollen Briefe erhält oder sich für mehrere Tage davonschleicht, ist sie vergnügt und scheint aufgeregt wie ein junges Mädchen. Irina und Almas Enkel Seth versuchen herauszufinden, was dahinter steckt. Sollte es etwas ein Liebhaber sein?
Der Roman wechselt zwischen zwei zeitlichen Ebenen: dem Jetzt und den 1930er und 1940er Jahren, in denen die junge Alma, die aus einer polnisch-jüdischen Familie stammt, aus Polen zu ihren reichen Verwandten in Kalifornien, den Belascos, flieht. Dort freundet sie sich schnell mit dem Sohn des japanischen Gärtners an, der seinerseits bald am eigenen Leib staatlicher Verfolgung ausgesetzt ist: nach den Anschlägen der Japaner auf Pearl Harbor werden in den USA Amerikaner mit japanischen Vorfahren in Konzentrationslagern interniert. Erst die Generation ihrer Enkel wird beginnen, Wiedergutmachungen und Reparationszahlungen zu fordern und zu erhalten. Bis heute wird dieses Thema im US-amerikanischen Geschichtsunterricht kaum bis gar nicht behandelt.

Der japanische Liebhaber schien mir nach der ersten Hälfte ein vollgepacktes Buch mit teilweise leicht überladenen Sätzen zu sein. Nachdem ich gestern Abend allerdings Suzanne von Borsody aus dem Buch habe vorlesen hören, werde ich an diesem Wochenende noch einmal mit neu eingestelltem Blick an die Sache herangehen. Dank der Art und Weise in der Borsody die kurzen Texte vorgetragen hat, wirkten die Sätze leichter, der Text flüssiger, als ich zuerst dachte. Eine volle Rezension folgt hier in den kommenden Wochen.

Fazit: Was für ein rundum schöner Abend. Mit ihrer resoluten und zugleich charmanten Art hat Isabel Allende mich völlig verzaubert. Von Die Insel unter dem Meer und Zorro war ich ja bereits restlos begeistert; ich denke, es ist nun an der Zeit, noch viel mehr Allende zu lesen...


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