Solange in Ihrem Leben mit den gekauften oder gemieteten Produkten alles funktioniert ist ja alles klar. Haben Sie ein Problem, gehen Sie in den Laden und fragen nach. Dort erzählt man Ihnen “A”. Oder Sie greifen zum Telefon und rufen die Hotline an. Ist diese kostenlos? Wie lange hängen Sie in der Warteschleife? Dort erzählt man Ihnen “B”. Oder Sie schreiben eine e-mail an den Kundensupport, dort erzählt man Ihnen “C”. Oder sie verwenden eine Kombination aus allen dreien?
Vielleicht beschweren sich am Ende beim Vorstand des Unternehmens, dort findet man das alles ganz ganz bedauerlich und kündigt Ihnen an, mit “D” Ihr Problem lösen zu wollen. Vielleicht ist Ihr Problem dann wirklich gelöst, vielleicht auch nicht, dann sind Sie jedenfalls von diesem Anbieter enttäuscht und schauen, wann Sie zum nächsten wechseln können.
Die Firma Amdocs kennen Sie vermutlich (noch) nicht. Das Unternehmen liefert “Customer Experience Systeme” und Dienste. Das ist ein riesengroßes Stück Software, womit man das “Kundenerlebnis” = wie nimmt der Kunde (s)eine Firma wahr, wie zufrieden ist er, wenn er etwas kauft oder ein Problem hat, steuern kann. Das hört sich viel viel einfacher an, als es ist. In jedem Laden, an jeder Hotline müssen die Leute den gleichen Wissenstand über die Produkte des Unternehmens und über den Kunden und seine gebuchten Produkte haben. Egal, ob man in den Laden geht oder die Hotline anruft, es müssen die gleichen und möglichst wahrheitsgetreue Informationen vorhanden sein. Dazu braucht man Software.
Amdocs hat die Sache vorher gründlich untersuchen lassen und wollte wissen, wie der Zusammenhang zwischen “proaktiver” Kundenbetreuung, Kundenzufriedenheit und Anfragen an der Hotline (im Callcenter) aussieht.
Das Ergebnis können Sie sich denken. Die überwiegende Mehrheit der Kunden würde ihren Anbieter viel öfters an Verwandte und Bekannte weiterempfehlen, wenn diese Provider viel stärker “proaktiv” mit seinen Kunden kommunizieren würde: Der Anbieter müßte vorhersagen können, welche Probleme sein Kunde hat und wie man das lösen könnte, z.B. durch eine Selbsthilfe-App auf dem mobilen Gerät.
Laut dieser Studie die ein britisches Marktforschungsunternehmen mit Namen Coleman Parkes in 4.000 Interviews mit Smartphonebesitzern, (Prepaid-/Postpaid) in Amerika, Europa, dem Mittleren Osten, Afrika und der Asien-Pazifik-Region – also quasi weltweit – durchführte, sollen solche Maßnahmen nicht nur die Kundenzufriedenheit erhöhen, sondern auch die Zahl der Anruf an der Hotline reduzieren können.
Die Fachleute sprechen vom “Net Promoter Score”, kurz NPS. NPS gibt die Wahrscheinlichkeit an, daß ein Unternehmen weiterempfohlen wird und der steht logischerweise in direktem Zusammenhang mit der Kundenzufriedenheit und der Kundenbindung.
Klingt kompliziert? Ist es nicht. Sind Sie mit dem Bäcker um die Ecke zufrieden? Könnte sein, daß seine Brötchen matschig sind und ein neuer Laden fünf Straßen weiter viel interessant sein könnte. Sie bekommen eine Empfehlung. Sie probieren das aus und wenns klappt, ist das Ihr neuer Stammladen. Sie erzählen das natürlich weiter. Bis irgendwo ein anderer Laden besser werden sollte oder der Bäcker um die Ecke, der seine Lektion jetzt gelernt hat?
Ian Parkes, Chef und Mitbegründer seiner Firma spricht Klartext: “Die Kunden erwarten von ihren Anbietern eine Verbesserung des Online-Services mit einem gleichmäßig und konsistenten und personalisierten Ansatz.” Klingt logisch, ist aber leider nicht der Standard.
Wo ich Herrn Parkes nur bedingt folgen kann, daß “proaktiv” angebotene Dienste dem Kunden immer Freude machenmüssen. Gerade in Deutschland sind viele Kunden von “Werbung” so genervt, daß sie sich jegliche Kontaktaufnahme Ihres Anbieters (“Providers”) strikt verbitten. Es sei denn, es wäre mal wirklich wichtig (z.b. bei echten Störungen oder Ausfällen oder wenn ein Angebot eingestellt wird.)
Trotzdem ist die Studie nicht uninteressant:
84 Prozent der Nutzer gaben an, dass sie ihren Provider eher weiterempfehlen würden, wenn dieser mögliche Probleme im Voraus aufzeigen und dann auch gleich lösen könnte. Kommt man da nicht ins Schwärmen? Ein Anruf vom Provider: In Ihrem Stadtteil wird morgen gebuddelt, zwischen 12 und 15 Uhr wird das Festnetz-Telefon nicht funktionieren, haben Sie ein Problem damit, könenn wir die Festnetzrufnummer solange aufs Handy umleiten, natürlich ohne Mehrkosten für Sie? – Sagen Sie nicht, das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Das ist es beileibe nicht!
83 Prozent der Umfrageteilnehmer erklärten, dass sie ihren Provider dann weiterempfehlen würden, wenn die Möglichkeit bestünde, Probleme mit einfach zu bedienenden Mitteln über das mobile Gerät selbst zu lösen. Das ist für die fortgeschrittenen Nutzer und für junge technikaffine Mitmenschen interessant. Die lösen ihre Probleme lieber selbst, weil sie von langen Warteschleifen nichts halten.
So eine Kundenbetreuungsapp ist schon eine feine Sache, im deutschen Mobilfunk fällt mir beispielsweise die “my o2″ App von Telefonica o2 ein, andere Netzbetreiber haben das inzwischen mehr oder weniger auch. Da sehen Sie alle notwendigen Infos zu Ihrem Vertrag, wann kommt die nächste Rechnung, wie hoch ist sie, was haben Sie schon verbraucht, was werden Sie verbrauchen und die Frage, ob sich ein anderer Tarif lohnen könnte, ist auch leichter zu beantworten.
Und dann bekam die Studie auch noch folgendes heraus: Derzeit sind proaktive Vorschläge und Mittel zur Selbsthilfe ineffektiv und erhöhen eher die Zahl der Anrufe im Callcenter: 73 Prozent der befragten Nutzer halten proaktive Hinweise für nicht hilfreich und 24 Prozent aller Ratschläge endeten doch in einem Anruf im Callcenter und erzeugten damit Mehrkosten. Für 78 Prozent derjenigen, die auf Selbsthilfe-Apps zurückgreifen, war die Nutzung eine Herausforderung.
Konsistenz und keine individuell angepasste Kommunikation mit dem Service Provider: 65 Prozent der befragten Verbraucher fanden, dass ihr Provider sie zu wenig kennt und daher auch keinen individuellen Service bietet; nur 17 Prozent berichteten, dass sie einheitliche Antworten über verschiedene Kommunikationskanäle erhielten.
Kennen Sie das nicht irgendwoher?
Schlechte Erfahrungen beim Online-Shopping halten die Nutzer von weiteren solchen Aktionen ab: 72 Prozent der Befragten haben schon einmal versucht, ein Produkt oder einen Service online zu kaufen, 51 Prozent scheiterten jedoch an dem zu komplizierten Vorgang. 79 Prozent würden den Online-Kauf vielleicht noch abschließen, wenn sie während der Aktion auf andere Kommunikationskanäle wechseln könnten, etwa eine Hotline, die dann aber genau wissen müßte, was der Kunde wollte und was er schon erreicht hat und wo es hängt.
Ein Beispiel: Sie kommen an einem Laden vorbei, möchten dort etwas kaufen, der Händler hat es aber nicht da. Er kann es für Sie bestellen, aber Sie kommen vielleicht nicht mehr in diesen Laden, weil Sie hier nur im Urlaub sind oder er Ihnen zu abgelegen liegt. Da wäre eine Lieferung nach Hause doch toll.
Oder umgekehrt: Sie bestellen im Internet und die Ware wird in den Laden geliefert. Dort bekommen Sie diese gleich erklärt und betriebsbereit ausgehändigt. Wäre das nicht schön? Man kann sich vorstellen, daß so etwas nur funktioniert, wenn die Firma auch dem Händler einen spürbaren Anreiz liefert, sich minutenlang mit einem Kunden zu beschäftigen, der eigentlich gar nicht bei ihm gekauft hat. Da fehlt vielen Anbietern im Moment noch die Fantasie.
Und schon kehren wir zurück zum Mobilfunk:
„Durch die zunehmende Zahl an Smartphones und die steigende Nachfrage nach Kundenservices stehen die Service Provider vor einer großen Herausforderung” weiß Rebecca Prudhomme, Vizepräsidentin für Produkte und Lösungen bei Amdocs. Sie hat eine Software namens „Proactive Care“ und „Multi-Channel Self Service“ im Angebot, die alle Kanäle untersützen und koordinieren soll, “CES 9″ heißt die Zauberformel.
Wie gesagt, diese Software können Sie nicht kaufen, aber Ihr (Mobilfunk)Anbieter. Und mal ganz ehrlich: Alle Anbieter in diesem Markt haben in Sachen Kundenschnittstelle noch gewaltigen Nachholbedarf. Das Leben könnte so einfach sein.