Gelassenheit ist eine Einstellung zum Leben die nicht jedem zwangsläufig in die Wiege gelegt wird. Manch einer muss an der entsprechenden Gelassenheit hart arbeiten. Man muss versuchen sich in viele Dinge hineinzudenken, vieles neu zu überdenken und auch bisher unbekannte oder fremde Erklärungsansätze zulassen. Man muss einfach bereit sein seine bisherige Denkweise und sein Schubladendenken ein wenig zu verlassen.
Dies betrifft natürlich auch das Thema Laufen.
Hier ist die Frage die man sich ab und an mal selbst stellen sollte.
Warum laufe ich eigentlich?
Sportlicher Ehrgeiz?
Gesundheit?
Spaß?
Was sind meine Ziele?
Laufen um zu gewinnen?
Laufen als gesellschaftliches Ereignis?
Treffen und Spaß mit Gleichgesinnten?
Grenzen ausloten?
Was bin ich bereit für meine Ziele zu tun?
Trainingspläne?
Vorbereitungen?
Entbehrungen und Disziplin?
Wenn man sich diese Fragen ab und an stellt, wird man bestimmt feststellen, dass das Eine oder Andere nicht so ganz zueinander passt.
Als ich vor 6 Jahren angefangen habe zu Laufen, und ich habe die 45 Jahre vorher das Laufen gehasst, habe ich einen rigorosen Schnitt in meinem Leben absolviert. Zuerst unbewusst und vor allem extrem anstrengend. Der Grund warum ich in meinen ersten Laufjahren immer total fertig nach den Einheiten war, beruht darauf dass ich einfach viel zu schnell unterwegs war.
Maßstab war nie das eigene Körpergefühl sondern irgendwelche Angaben aus Laufzeitschriften oder Trainingsplänen. So richtig auf meine Person hat das nie gepasst. Jeder Mensch ist nun mal ein Individuum und hat eigene Vorraussetzungen und Möglichkeiten.
Man`n ist stolz seine ersten 5 Kilometer am Stück gelaufen zu sein. Und dies auch absolut zurecht. Man hat es sich verdient stolz zu sein.
Es kamen die ersten 10 Kilometer, 20 Kilometer und die erste Halbmarathondistanz.
Auf einmal will man auch mal den Vergleich mit anderen. Wettkampfluft schnuppern und testen was wirklich so geht. Training ist ja was anderes als ein Wettkampf.
Also gab es eine Vorbereitung mit immer längeren Trainingseinheiten und Variationen innerhalb derselben.
Am 06.08.2008 war´s dann so weit. Mein allererster offizieller Wettkampf. Ein Halbmarathon im Rahmen des ersten Darmstädter Sparkassen Marathon.
Ich wirklich extrem aufgeregt. Eine riesige Menschenmasse begab sich nach und nach zur Startaufstellung. Ich ging an allen vorbei und reihte mich so ziemlich an letzter Stelle ins Feld ein. Minuten später begann mein allererster Wettkampf im Laufen.
Als ich nach gut 2 Stunden und 15 Minuten ins Ziel kam, schwor ich mir solch eine Tortour niemals wieder anzugehen. Ich war restlos am Ende.
Trotzdem behielt ich erst einmal meinen Leihchip. Man weiß ja nie.
4 ½ Jahre später besitze ich den Chip noch immer. Habe insgesamt 12 Marathons und davon sogar die Hälfte davon als Ultra absolviert.
Die Nervosität am Start ist relativ schnell einer Gelassenheit gewichen. Gelassenheit aus dem Grund, da ich relativ schnell erfahren musste, dass ich zu den Radiergummis im Laufsport gehöre. Und die laufen immer hinten, gemütlich aber mit dem Willen zum Finish.
Und dort habe ich auch viele nette und interessante Menschen kennengelernt. Menschen die das Laufen lieben. Denen es wichtiger ist gemeinsamer zu laufen als gegeneinander.
Klar gibt es immer wieder mal einen kleinen, persönlichen Zweikampf. Auch im hinteren Teilnehmerfeld ist ein gewisser Ehrgeiz vorhanden, doch die wahren Genießer spielen eher miteinander.
Mit den längeren Strecken kamen natürlich auch längere Trainingseinheiten dazu. Und am Anfang die unvermeidbaren Verletzungen wenn man schneller mehr will als der Köper kann. Es braucht nun mal seine Zeit bis sich der Körper von der jahrzehntelangen Bewegungslosigkeit umstellt. Und wenn der Körper diese Zeit nicht freiwillig bekommt, nimmt er sie sich. Meistens äußerst schmerzhaft!
Auch dies musste ich erlernen. Aber nach und nach kam auch hier die Akzeptanz das gewisse Dinge ihre Zeit brauchen.
Im letzten Jahr kam der zweite gravierende Einschnitt in meinem Leben. Auf Grund der beruflichen Überlastung kam es zu einem BurnOut. Selbst der Sport konnte mich nicht mehr retten, sondern verursachte zum Ende hin noch zusätzlichen Stress. Die Umfänge im beruflichen und sportlichen Bereich waren einfach zuviel.
Wieder hieß es umdenken. Neue Ziele definieren. Das Leben neu organisieren und entsprechende Prioritäten setzen.
Dies kann nur jeder für sich selbst entscheiden und festlegen. Kein Mensch außer mir selbst ist für meine Gesundheit und mein Leben verantwortlich. Ich habe dafür zu sorgen das ich gesund bleibe.
Dies versuche ich beruflich umzusetzen und natürlich auch im sportlichen Bereich.
Für mich gibt es kein MUSS mehr beim Laufen oder Biken. Wenn´s nicht passt oder ich das Gefühl habe ich brauche eine Pause, dann nehme ich mir diese.
Ich möchte lediglich wieder meinen Spaß am Laufen haben. Ich werde weiterhin meine Ultras laufen und zusammen mit Gleichgesinnten ein paar schöne Tage beim Laufen erleben.
Es wird bestimmt das eine oder andere Highlight herausgesucht bei dem ich auch mal wieder die Intensität der Vorbereitung anheben muss. Aber alles in einem gemütlichen und vor allem zu bewältigenden Rahmen.
Am letzten Wochenende war seit langem mal wieder ein langer Lauf geplant. 30 Kilometer sollten es schon werden. Locker und flockig durch die heimischen Wälder. Schließlich steht schon in drei Wochen der Rennsteig-Supermarathon auf meiner Liste. Ein Lauf auf den ich mich unheimlich freue. Aber auch den notwendigen Respekt besitze. Schließlich bin ich die Strecke schon letztes Jahr gelaufen.
Der Lauf am letzten Wochenende war am Morgen. Nüchtern wie die meisten meiner Läufe.
Zwar habe ich ein wenig Gel und Getränke mitgenommen, aber nach exakt 30 Kilometern war der Akku total leer. Aber anstatt zu hadern und mit Sorge nach vorne zu blicken, bin ich die letzten 4 Kilometer einfach stramm gegangen. Früher hätte ich das nicht gekonnt.
Falsch verstandener Ehrgeiz! Egal wie, aber ich hätte mich laufend nach Hause gequält. Wie sieht das denn aus wenn man als Läufer geht und nicht läuft. Auch hier wieder das alte Thema. Mache ich dass für mich oder für die Leute die ich unterwegs treffe. Ich bin mir sicher das es 99% von denen absolut Wurscht ist ob ich Laufe oder Gehe.
Also warum sollte ich irgendjemand etwas vorspielen? Und mir muss ich es schon gar nicht beweisen.
Im Gegenteil. Ich habe mich früher schon öfters kaputtgelaufen und mich letztendlich gefragt warum. Was bringt mir das überhaupt. Den Rest des Tages kann man dann vergessen und die Regeneration hätte wieder Tage gedauert. Durch das Gehen hatte ich ein CoolDown im optimalen Pulsbereich und habe zusätzlich noch die Muskulatur ein wenig gelockert.
Vielleicht müssen bei mir ab und an solch schmerzhafte Einschnitte sein um den wahren Sinn und die wahre Bedeutung des eigenen Tun´s wieder neu organisierst werden können.
Aber ich bin mir sicher, so lange ich dies noch ändere und immer wieder neu auf den Prüfstand stelle, so lange ich aus meinen Fehlern lerne und entsprechend reagiere, werde ich mehr und mehr von Gelassenheit und Zufriedenheit beschenkt.
In diesem Sinne!
Keep Running!