Mit dem Motorrad rund um die Ostsee

Von Urlaubaer

Teil 7 - Die Baltischen Länder

Im siebten Teil geht es mit Exsozia Ulla und Thomas durch die Baltischen Länder. Von Estland fahren wir mit den Motorrädern über Lettland nach Litauen durch das ganze Baltikum. Und zwar von Narva an der Grenze zu Russland über die estnische Hauptstadt Tallin auf die Insel Saaremaa. Anschließens zur lettischen Hauptstadt Riga und dann über die litauische Hafenstadt Klaipėda in die Hauptstadt Vilnius (ca. 2.000 km, 5 Unterkünfte, 18 bis 22° C, sonnig bis bewölkt, teilweise windig).

Was bisher geschah ...

"" Teil 1 - Vorbereitender Papierkram
"" Teil 2 - Vom Westerwald nach Südschweden
"" Teil 3 - Von Vimmerby durch Mittelschweden nach Norwegen
"" Teil 4 - Helgeland und die Lofoten
"" Teil 5 - Durch Finnland
"" Teil 6 - Russland/Sankt Petersburg

Tallin, die Hauptstadt Estlands, hat uns völlig überrascht. Positiv überrascht! Mit einer solch gut restaurierten Altstadt und einer Menge hypermoderner Hochhäuser für Hotels oder Geschäftsbauten haben wir nicht gerechnet. Schließlich ist Estland erst seit 2004 EU-Mitglied. Hier scheint das Wirtschaftswunder voll gegriffen zu haben. Da ist auch ein Urlaubär begeistert und ich habe mir gleich mal einen Überblick vom Turm der Domkirche Sankt Marien auf dem Domberg verschafft (Eintritt: 2,00 Euro).

Bärenbaff war ich beim Bummel durch die Altstadt von Tallin. Nicht nur die Fassaden der mittelalterlichen und klassizistischen Bauten sind vom Feinsten, nein, die bunten Eingangsportale laden auch zum Verweilen beziehungsweise Eintreten ein.

Was sehen meine weit aufgerissenen Augen dann durch eine offene Tür? Marzipaaaan!
Im ältesten Café der Stadt, dem Café Maiasmokk, werden die Marzipanfiguren noch mit der Hand bemalt. Ich liebe Marzipan! Doch diese Kunstwerke sind zum Essen fast zu schade, leider. Dann nehme ich eben eine Figur als Souvenir mit für Tante Bärta.

Auf jeden Fall gehört in meine Souvenir-Tüte für meine Bärenverwandtschaft noch Bernstein, das „Gold der Ostsee". Schmuck und Kunstwerke in jeder Preisklasse werden entlang der ganzen Küste angeboten. Da fällt mir die Entscheidung schwer!

Doch hoppla, ich darf den Anschluss nicht verlieren! Exsozia Ulla und Thomas haben vielleicht ein Tempo drauf, um sich die Sehenswürdigkeiten von Tallin anzuschauen: die orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale auf dem Domberg, den gemütlichen Rathausplatz mit dem Rathaus aus dem 15. Jahrhundert, die „Drei Schwestern", drei schöne Giebelhäuser aus der Hansezeit und ein exzellent restauriertes Stück Stadtmauer mit vier begehbaren Wachtürmen. Einst war die Stadtmauer 2,4 Kilometer lang und bestückt mit 45 Türmen. 26 davon sind noch erhalten. Da staunt der Urlaubär!

TIPP : Das Tallinna Linnamuuseum; hervorragend gemacht (Eintritt 2,00 Euro).

Dann war nach drei Tagen Tallin die Zeit in dieser großartigen Stadt schon wieder vorbei und Thomas holte sein Motorrad aus der Tiefgarage zum Aufpacken. Aber auch in der Altstadt von Tallin hätte man die Maschinen, so wie in Sankt Petersburg, auf der Straße parken können, meinte meine Exsozia.

Auf dem Weg rund um die Ostsee ging die Reise auf ellenlangen geraden und superguten Straßen in Richtung Südwesten auf Estlands größte Insel Saaremaa. Die dortige Provinzhauptstadt Kuressaare ist geprägt von einer Bischofsburg aus dem 14. Jahrhundert. An der einstigen Bäderidylle mit hölzernem Kurhaus und anderen Prachtvillen hat allerdings vielfach der Zahn der Zeit genagt.

Viel Spaß hatte Euer Urlaubär an einen Ausflug zum Südwest-Kap der Insel zum Leuchtturm von Sääre. Die 243 Stufen auf den Turm ließ ich mich aber lieber im Rucksack tragen. Von oben konnte man ganz viel Meer sehen!

An der Ostsee entlang ging es später weiter in Richtung Riga (Lettland). Allerdings blieb der Blick auf das Meer wegen der Küstenbewaldung meist versperrt. Nur ab und zu war die Sicht frei auf die „Baltic Sea". Der Grenzübergang von Estland nach Lettland war übrigens kaum zu spüren, da beide Länder ja zum „Schengen-Raum" gehören.

Angekommen in Riga, der Hauptstadt von Lettland, wunderte ich mich auf ein Neues. Auch hier ist der Fortschritt deutlich sichtbar. In der größten Stadt des Baltikums mit rund 700.000 Einwohnern sind Mittelalter, Jugendstil und Moderne aufs Beste vereint. Die imposante Altstadt ist größer und prächtiger als Tallin. Schmucke Jugendstilfassaden, bunte Häuser aus dem Mittelalter und eindrucksvolle Kirchen zogen uns in ihren Bann. Nicht umsonst ist Riga UNESCO-Weltkulturerbe. Einen grandiosen Überblick bekamen wir vom Turm der Petrikirche (Zum Glück mit Aufzug! Eintritt 6,00 Euro).

Hier wurde uns bewusst, wie Alt und Neu in Riga nebeneinander existieren. Faszinierend, meinen auch meine Mitreisenden. Ein Beispiel dafür: Moderne Bärenkunst steht auf dem alten Rathausplatz und dem Schwarzhäupterhaus, welches im 14. Jahrhundert entstand, nach der kompletten Zerstörung im zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut wurde und seit 1999 in altem Glanz zu besichtigen ist (TIPP : Lohnt sich! Eintritt 3,00 Euro).

Moderne Kunst findet man in der Altstadt von Riga auf Schritt und Tritt, da es hier jede Menge Festivals und Kunstevents gibt. Die Stadt lebt! Die Altstadt ist nicht nur für die Touristen da, wie es bald in Tallin erschien. Nein, viele junge Leute aus der Stadt verbringen hier ihre Freizeit oder arbeiten in den umgebauten Altstadtvillen.

Dann wieder der Blick auf die herrlichen Verzierungen an den Fassaden der Jugendstilhäuser! Herrlich! Oder das Eintauchen in die Welt des Mittelalters bei den alten Kaufmannshäusern.

Doch noch ist die Stadt nicht „fertig". Zu viel muss nach der Zeit des Sozialismus noch nachgeholt werden. Ein Teil der alten Häuser ist dringend sanierungsbedürftig. Doch überall sind Handwerker zugange und bringen „ihre" Stadt auf Vordermann. „Bravo", meine Bärenmeinung.

Manche Abrissgrundstücke werden derweil als Parkplatz genutzt. Hier kann man bei 24stündiger Bewachung günstig und sicher parken. So lange, bis meine Kumpels wieder aufsatteln und weiterreisen. Doch zunächst musste ich mich höllisch gut festhalten bei der Rumpelfahrt über das Kopfsteinpflaster der Altstadt.

Danach ging es auf perfekten geraden Straßen in Richtung Westen nach Litauen. Kurz vor Palanga, dem Ort der Sommerfrische für die Bewohner der Stadt Klaipėda, fuhren wir problemlos über die Grenze nach Litauen.

Von Klaipėda gehen große Fähren nach Schweden und Kiel. Zudem ist die drittgrößte Stadt Litauens das Tor zur Kurischen Nehrung, der zirka 100 Kilometer langen Landzunge, die die Ostsee vom ruhigen Kurischen Haff abtrennt. Ohne Russland-Visum ist dieses UNESCO-Weltnaturerbe allerdings nur etwas bis zur Hälfte zum Künstlerort Nida befahrbar. Dort begrüßten uns nette bunte Holzhäuser und urige Strandbistros. Die Strecke über die Nehrung war allerdings sehr holprig und bot nur wenige Ausblicke aufs Wasser. Ich wurde ganz Blaubär-blau im Gesicht!

Da halfen als Medizin nur ein paar leckere Kekse, die die freundliche Bäckerei-Fachverkäuferin auf ihrer Waage sorgfältig abwog. Hier in den Baltischen Ländern werden Brot, Gebäck und Tortenstücke allesamt gewogen und auf den Cent genau berechnet. Da staunt der Urlaubär!

Noch viel mehr beeindruckt war ich vom Berg der Kreuze (Kryžių kalnas) auf dem Weg nach Vilnius nahe Siauliai. Hier sind über die Jahrzehnte hunderttausende große und kleine Kreuze zur Erinnerung an liebe Angehörige zusammengekommen. Ein Ort, der Respekt einflößt und Andacht bewirkt.

Völlig entgegengesetzt wirkte Litauens quirlige Hauptstadt Vilnius auf uns. Allein rund 20.000 Studenten sorgen für pulsierendes Leben. Einen Überblick verschaffte ich mir mal wieder von oben, vom Glockenturm der Universität (Eintritt 2,50 Euro. Mit Aufzug!)

Keine andere Stadt des Baltikums empfanden meine Begleiter als so gegensätzlich wie Vilnius: alte barocke und klassizistische Prachtbauten, modernste Hochhäuser mit Glasfassaden, abbruchreife Bretterbuden, viel Kunst, neue und auch marode Straßen, ärmste Mütterchen mit löchrigen Strümpfen und immens viele sehr junge gestylte Frauen in superteuren dicken Luxuslimousinen. Da wundert sich der Bär!

Neben den Haupttouristen-Attraktionen wie Kathedrale St. Stanislaus, Palast des Großfürsten, Geminidas-Turm, Gotisches Ensemble und Rathausplatz hatte uns das alternative Stadtviertel Užupis mit seinem italienischen Flair besonders gefallen. Die Einwohner fühlen sich als Teil einer eigenständigen Republik und haben eine eigene Verfassung!

Skurril kommt die Kunstszene in Vilnius daher, besonders die Straßenkunst an den Gebäuden. Sehr politisch karikiert: der bekannte Bruderkuss neu interpretiert, zwischen Trump und Putin ...

Und auch so was gibt's zu bestaunen: Sündhaft hohe rote High Heels beim Trödler! Doch diese Schuhe trägt tagsüber in Vilnius niemand. Fast alle Frauen laufen (auch mit eleganten Kleidern) in flachen Ballerinas herum und haben einen so süßen tapsigen Bärengang!

Doch hoppla, ich muss mich sputen! Meine Exsozia und ihr Thomas rüsten auf vom Baltikum in Richtung Polen. Hier im Südwesten Litauens gibt es endlich mal wieder (wenn auch niedrige) Berge mit leichten Kurven. Ansonsten ist der Norden der Baltischen Länder straßenmäßig eher etwas für Route-66-Liebhaber: endlos lang und kerzengerade.

Auf dem Wunschstein vor dem Dom von Vilnius habe ich mir noch schnell gewünscht, dass auch der Rest der Ostseetour genauso glatt und interessant verläuft wie die bisherigen 10.000 Kilometer.
Doch davon berichte ich dann das nächste Mal ...

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