Mit dem Molotow-Cocktail auf der Gartenmauer

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“Den Krieg zwischen Ost und West wird man vielleicht vermeiden können, aber den bewaffneten Konflikt zwischen Nord und Süd keinesfalls. Der Dritte Weltkrieg kommt ganz sicher, weil niemand Wert darauf legen wird, das steigende soziale Ungleichgewicht in den Griff zu bekommen.” – Dieser Satz fiel zu Weihnachten 1979, mitten in der Diskussion um die Nachrüstung durch Pershing-Raketen nach dem Nato-Doppelbeschluss. Gesagt hat ihn ein cleverer Geographie-Lehrer, der sich nicht darauf beschränken wollte, seinen Schülern die Namen der Hauptstädte beibringen zu wollen. Es sieht derzeit so aus, als könnte er damit Recht behalten.

Sogar internationale Organisationen haben inzwischen etwas gemerkt und weisen auf das Explosionspotential hin, das darin liegt, dass die wenigen Reichen selbst in der Krise immer noch reicher werden, und die Armen nicht nur zahlenmässig zunehmen sondern sogar noch ärmer werden. Die Kluft wird immer grösser. In den USA konnte das reichste 1 Prozent der Bevölkerung vor dreissig Jahren zehn Prozent des gesamten Volksvermögens für sich verbuchen. Heute ist es bereits das Doppelte, wie “The Economist” beweist: 20 Prozent. Die Schere zwischen arm und reich, die sich ab 1980 zu öffnen begann, ist durch die Krise befördert worden. Der Durchschnittsverdienst an der Wall Street bespielsweise stieg in den vergangenen Jahren, mitten in der Depression, um 17 Prozent auf 281.000 Dollar. Generell gesprochen: Während überall Arbeitsplätze abgebaut werden, steigen die Vergütungen aller Art im Finanzsektor.

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Wall Street – das grösste Spielcasino der Welt

Nur Lateinamerika und Afrika, wo genaue Daten fehlen, um mehr sagen zu können, entziehen sich dieser Tendenz. Während sich der Reichtum konzentriert und unverhältnismässig steigt, verarmen Unterklasse und Mittelklasse in geradezu paradoxer Art und Weise. Ein gefährlicher und unmoralischer Absturz, in dem Spanien eine der Hauptrollen spielt. Der Gini-Index, der die Schere zwischen arm und reich misst, schiesst seit Krisenbeginn 2008 in die Höhe und weist nun das Land als dasjenige mit dem grössten Ungleichgewicht der Eurozone aus. Die Konjunktur, vor allem aber politisch fatale Entscheidungen der angeblich Verantwortlichen haben die grösste Errungenschaft der spanischen Demokratie zunichte gemacht, die es schaffte, das Land unter diejenigen höchst entwickelten Staaten zu beförden – einen Index, der den Zugang der Gesamtbevölkerung zu Reichtum, Bildung und Gesundheit misst.

Armut allein verursacht nicht genug soziales Unbehagen, um einen grosskalibrigen Konflikt in Gang zu setzen. Es sind Ungleichheit und das Gefühl unendlicher Ungerechtigkeit, die zu den schlimmsten Spannungen führen. Lateinamerika hatte über viele Jahre besonders deswegen unter politischer Instabilität zu leiden, weil es beim sozialen Ungleichgewicht den Spitzenplatz einnahm. Hinter den schwerwiegenden Unruhen in den Minen Südafrikas im vergangenen Sommer steckt der Grund, dass 80 Prozent aller Platin-Reserven in diesem Land beheimatet sind, während die Bevölkerung rein gar keinen Vorteil davon hat. Die Situation ist explosiv. In Südafrika wie in Griechenland oder Spanien ist ein Viertel der Bevölkerung bereits arbeitslos. Trotzdem gibt es hier gleichzeitig unermessliche Vermögen, stratosphärisch hohe Löhne und erneut vor allem radikal neoliberale Politik, an die sich Teile der Bevölkerung langsam gewöhnen wie an den feinen Sprühregen.

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“Sie nennen es Demokratie …”

Am selben Tag, als Oliver Wyman den “Finanzbedarf” (allein der Begriff ist eine unendliche Frechheit) der spanischen Banken auf 53,745 Milliarden Euro bezifferte, hörte man in einigen TV-Talks nicht etwa von der unerträglichen Last durch die “Finanz-Institute”, die so viel Geld verloren haben (oder umgeleitet) und die man jetzt “retten” muss. Nein, geredet wurde vom überbordenden Sozialstaat, der nicht mehr zu finanzieren ist, weil wir ja alle über unsere Verhältnisse gelebt haben. Das neoliberale Mantra also, der Sprühregen, der die Milliarden-Transfers an die Zockerbanken rechtfertigen soll.

Die gute Nachricht ist nicht etwa, dass sich internationale Organismen wie IWF und Weltbank jetzt in Solidaritätsclubs verwandelt hätten, die das Leiden der Menschen im Blick haben. Die gute Nachricht ist, dass sie mindestens die Zeitbombe des sozialen Ungleichgewichts erkannt haben und benennen, darin eine “Wachstumsbremse” und sogar “einen möglichen Kriegsgrund” sehen. Egal wie der intellektuelle Hintergrund und die Interessenlage auch sind: Vielleicht stehen wir doch nicht am Eingang zum Dritten Weltkrieg sondern zu einer seit langer Zeit überfälligen Korrektur des Denkens: Möglicherweise wird den Vetretern des Grosskapitals langsam selbst klar, dass der soziale Sprengstoff dazu führen muss, dass sie ihren Reichtum nicht mehr in Ruhe geniessen können. Man liegt in der Villa nur genüsslich mit dem Cocktail in der Hängematte, wenn auf der Gartenmauer niemand sitzt, dessen Cocktail den Namen Molotow trägt.

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Wirtschafts- und Finanzpolitik müssen sich ändern und berücksichtigen, dass Streichungen und Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und Kultur und im gesamten sozialen Sektor der fatalste aller Irrtümer sind und nur dazu geeignet, die Molotow-Cocktails auf der Gartenmauer zu finanzieren.

Lesen Sie dazu bitte auch:
* 25 Fakten zum Nachdenken: Warum das System irreparabel ist!
* Wer ist schuld an der Krise?
* Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt
* Der Religionskrieg hat bereits begonnen
* Der Crash 1929 begann … genau wie heute


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