Mit dem Gesicht zum Volke positioniert sich Verbraucherministerin Ilse Aigner seit Monaten unbeirrt gegen die Weltmachtpläne des Internetkonzerns Google. Jetzt greift die gelernte Fernsehmechanikerin, die bereits ihren Austritt bei Facebook öffentlichkeitswirksam zelebriert hatte, zur Selbsthilfe auch gegen das menschenverachtende Street-View-Projekt des Netzmultis: Per Widerspruch hat es Deutschlands oberster Verbraucherschützerin der Datenkrake untersagt, Fotos ihrer Privatvilla im Internet zu veröffentlichen.
Ein Stück gelebte Transparenz, der sich Politiker aller Parteien anschließen wollen, noch ehe Google im Herbst seinen Online-Kartendienst Street View in Deutschland startet. Wie die Fachagentur dpa herausgefunden hat, gehe es bei Street View um nichts Geringeres als die Darstellung "dreidimensionaler Fotoansichten von Straßen und Gebäuden im Netz" - und das auf Bildschirmen, die grundsätzlich nur zweidimensional darstellen können..
Auch Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer und einer der Netzexperten der Grünen, ist darüber besorgt. Einen grundlegenden Fehler habe 2008 die damalige Bundesregierung gemacht, indem sie eine gesetzliche Regelung für das Abfilmen deutscher Innenstädte durch Google verpasst habe. Beck macht damit zum ersten Mal öffentlich, dass Google gar nicht fotografiert, sondern ganz Deutschland "abgefilmt" hat. Das war bisher ein gut gehütetes Geheimnis weniger Eingeweihter. „Falls Google die Daten in seiner Zentrale in den USA speichert, wird es später schwierig, die Löschung durchzusetzen“, formuliert Beck seine Ängste vor riesigen Datenbanken voller Filme von deutschen Hausfassaden, die unkontrolliert im Ausland liegen. Was, so heißt es unter der Hand, sei denn, wenn es wieder zum Krieg käme? Dann könnten fremde Mächte die detaillierten 3D-Filme nutzen, gezielt deutsche Städte zu bombardieren.
Beck will das verhindern. Er fordere „dringend internationale Regelungen“ für Internetdienste, sagte der Spezialist für Auslandsmissionen, der sich dabei einig ist mit seinem CDU-Kollegen Wolfgang Bosbach. Der beklagt, dass Fassaden derzeit noch keinerlei Persönlichkeitsrechte haben, ein Umstand, dem dringend abgeholfen werden müsse. Gleichstellung sei das Gebot der Stunde, ein Fassadenbeauftragter in jeder Stadt und jeder Gemeinde könne künftig dafür sorgen, dass die Rechte der Schwächsten der Schwachen, die sich wegen ihrer Unbelebtheit selbst nicht artikulieren könnten gewahrt werden.
Damit rennt Bosbach bei der FDP im Reichstag, dessen Verwaltung trotz steigender Terrorgefahr durch die Abbildung des Hohen Hauses im Netz bislang noch keinen Widerspruch bei Google eingelegt hat, offene Türen ein. Eine führende FDP-Webexpertin namens Gisela Piltz rief alle Bürger zum Einspruch auf. Deutschland müsse ein weißer Fleck auf der Google Earth bleiben, damit Deutschland weiter prosperieren könne. Sollte Google Bilder trotz Widerspruchs veröffentlichen, müssten die Landesdatenschutzbeauftragten über etwaige Sanktionsmöglichkeiten entscheiden, plädierte die FDP-Datenschutzexpertin für eine Fünfte Gewalt neben den ordentlichen Gerichten. So könne der Hamburger Datenschutzbeauftragte per Verordnung das Recht verliehen bekommen, Internetdienste deutschlandweit zu verbieten.
Ein Plan, den die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, wunderbar findet, sobald sie davon erfährt. Jelpke, als gelernte Friseuse im Rasieren geübt, nannte es „skandalös, dass für den Widerspruch nur vier Wochen Zeit sind“. Google müsse die „Persönlichkeitsrechte aber immer und zu jeder Zeit respektieren“, sagte sie, das habe die von ihr verehrte DDR schließlich auch getan. Beim Staatssicherheitsdienst, der die nur sozialen Errungenschaften der Arbeiter und Bauern geschützt habe, hätte ihrer Kenntnis nach seinerzeit jedermann jederzeit gegen seine Erfassung protestieren können. Eine Fristenlösung, wie sie dem Multi aus Kalifornien vorschwebe, sei deshalb unvorstellbar.