Sein Werk ist unaufdringlich, doch man begegnet ihm überall, beinahe nichts kann sich ihm entziehen, ob am Bahnhof, am Flughafen, auf der Autobahn, in Zeitschriften und Büchern, in der Werbung, als Zeichen oder Logo; Ob bei der Post, der Swiss(Air), diversen Telefonanbietern, auf Medikamenten oder auf dem Reise-Pass, etc.: Er dominiert(e) mit seinem Werk maßgeblich die 2. Hälfte des 20.Jahrhunderts, niemand kam an ihm vorbei und auch heute noch ist sein Erbe überall vertreten, omnipräsent und wird es auch in Zukunft sein. Dieser kreative Geist und Schöpfer, von dem ich spreche, revolutionierte - nicht die Sprache per se; aber dennoch - die Schrift und lenkte so die Menschheit diskret in die Zukunft, in eine neue Ära, in die Moderne, dem neuen Zeitalter der Schrift, ins Informationszeitalter:
Adrian Frutiger
einer der bedeutendsten Schriftkünstler unserer Zeit
(* 24. Mai 1928 - † 10. September 2015)
Mein Motto war:
Das Wort bekommt ein Gewand,
der Sinn des Wortes bekommt ein Kleid.
Alles begann mit Ondine, seinen ersten Schriftsatz überhaupt. Anfangs der 50er Jahre entwarf er dann sogleich die Univers, eine serifenlose Linear-Antiqua-Schrift, die 1957 von der Schriftgießerei „Deberny & Peignot" in Paris veröffentlicht wurde. Es war das allererste Mal gewesen, dass man dank der Fotosetzmaschine die Möglichkeit der Typographie hatte, daher kam auch der Riesenerfolg der Univers, die sich in zwei, drei Jahren weltweit verbreitete und durchsetzte. Die Univers, eine der einzigen Schriften, die mit über 50 Schnitten ausgiebig ausgebaut wurde, - eine universelle eben - überzeugt selbst heute in Sachen Ästhetik, Schlichtheit und Lesbarkeit.
Im Jahr 1968 erhielt er dann den Auftrag, für den neuen Pariser Flughafen „Charles de Gaulle" ein Hinweis- und Leitsystem zu entwerfen. Frutiger erinnert sich:
Ich hatte Glück gehabt, dass der Verstand und die Hand miteinander genau das gemacht haben, was das Auge verlangte. Als ich den Auftrag bekam, die Beschriftungen für den Flugplatz in Paris zu machen, dachten alle Leute, ich würde die nehmen. Ich sagte, die Univers sei eine Leseschrift, aber zur Signalisation braucht es Buchstaben, die als Einheit so klar sind wie Pfeile. (...) Ich entwarf dann eine komplett neue Schrift: Die Frutiger.
Seither sind diese zwei Schriften wie klassische Monumente geblieben. - Doch damit nicht genug: Für IBM entwarf er 1973 die erste, maschinell lesbare OCR-B, die den damals just erfundenen PersonalComputer erst das Lesen beibrachte. Eine Revolution! Ähnlich auch in Indien, wo er die traditionell-heilige, kalligrafische Devanagari-Schrift für den maschinellen Druck entwarf. Dafür benötigte er, bzw. seine Schriftadaption erst die Absegnung von 40 theologisch Gelehrten, die letztlich befanden, seine Modernisierung verletze keine religiösen Gebote. Auch arabische und thailändische Schriftarten fanden durch ihn den Weg in die modernen Druckmaschinen. Avenir, Versailles, Serifa, Vectora und noch so viele mehr: Über 30 Schriftarten und ganze -Familien entwarf er per Hand, der Schweizer aus einem kleinen Städtchen, er eroberte die Welt, dieser moderne Held! Er ist Legende: Sein künstlerisches Schaffen gleicht einem wahren Märchen von einem einfachen Mann, der das ehrbare Handwerk des Schriftsetzers erlernte, ohne zu ahnen, dass er bald den von Gutenberg erfundenen Handsatz mit beweglichen Blei-Lettern durch Computer ablösen würde.
¶In diesem Sinne:
In Erinnerung an den weltweit anerkannten und renommierten Schriftdesigner Adrian Frutiger, der am 10. September 2015 im Alter von 87 Jahren verstarb. - Doch: Wie alle Helden lebt er weiter, solange wir lesen... Meine Bewunderung, Herr Frutiger und mein Dank!
Was den Wortliebhaber im Sinne begleitet, den Wortliebling im Geiste verleitet & Wortlieb durch die Hände gleitet.