„Mars“
(DFA)
Was zuerst? Also bitte – dieses Cover! Bestes Assoziationskino: Ahmed Gallab alias Sinkane posiert mit Victory-Geste neben einer hübschen, rot-gelben Flagge (Frage: Burgenland? Eher: Nö.) im Meeressand, dazu der Titel „Mars“ – wer denkt da nicht sofort an Buzz Aldrin, die Apollo-11-Mission und die komplette amerikanische Raumfahrthistorie? Der Mann hat Humor, keine Frage. Und er hat den Soul, und zwar den seiner vielen Vorfahren. Geboren in England, wuchs Gallab bei seinem Vater, einem sudanesischen Journalisten, auf, der mit ihm zusammen schließlich 1989 in die USA emigrierte. In seiner College-Zeit spielte er hauptsächlich in Punk- und Hardcorekapellen, nach und nach fand er zu anderen Stilrichtungen wie Funk, Soul und Jazz. Klar, dass sich’s mit diesem Hintergrund ab besten in Brooklyn leben läßt – hier machte er sich einen Namen als Livedrummer für Bands wie die Born Ruffians, Yeasayer, Caribou und of Montreal.
Dass er mit seiner ebenso bunten wie gekonnten Mischung irgendwann den Perlentauchern von DFA ins Netz gehen musste, überrascht auch nicht wirklich – die drei Vorgänger von „Mars“ erschienen noch beim kleinen Indielabel Emergency Umbrella, nun scheint Gallab den nächsten, großen Schritt zu machen. Nach eigener Auskunft liegen seine Wurzeln in der afrikanischen und afrokubanischen Musik, Parliament und Funkadelic werden da erwähnt, ebenso aber auch die Einflüsse von amerikanischen Jazz- und R&B-Legenden wie Ornette Coleman, Alice Coltrane und Bill Withers.
Gallab ist ein Freund der wohltemperierten Mixtur – die reine Lehre ist die seine nicht. Einzig das Eröffnungsstück „Runnin‘“ hält sich strikt an einen Stil, schon für den Nachfolger „Jeeper Creeper“ kommt der Jazz als Ergänzung hinzu, der in vielerlei Variationen auch den Rest des Albums bestimmt. Sinkane mag’s mal trippy und laid back („Makin‘ Time“), das wird auch gern mal mit breitbeinigem Riffrock gebrochen, „Warm Spell“ wiederum setzt auf lockere, afrikanische Rhythmen. Für „Love Sick“ wählt Gallab als Beigabe, was einfache Gemüter wie meines als orientalische Klangfarben wahrnehmen, hier gesellt sich auch zum wiederholten Male eine virtuos gespielte Querflöte hinzu, so dass man fast annehmen möchte, er habe den zotteligen Ian Anderson auf seine alten Tage mit auf „Marsmission“ genommen.
Es bleibt beim Freispiel, das instrumentale Titelstück und das abschließende, siebenminütige „Caparundi“ unterscheiden sich erheblich vom eher straighten Einstieg des Albums – dieser Wandel vom griffigen Soul zum faserigen, filigranen Jazz ist vielleicht etwas schwerer zu vermitteln, läßt das Album jedoch unverwechselbarer und reizvoller erscheinen. Es darf als sicher gelten, dass der Mann mit diesen eigenwilligen Sound auch live zu begeistern weiß – gegen letzte Zweifel helfen da nur die Besuche seiner Europatermine Anfang Dezember. http://sinkane.com/
01.12. München, On3-Festival
03.12. Berlin, Cityslang-Party
05.12. Köln, Gebäude 9
06.12. Zürich, Zukunft
Komplettstream von "Mars" bei Soundcloud.