Missbrauch von Jungen offen diskutieren

Von Wernerbremen

Laut einer aktuellen Untersuchung werden Jungen in Finnland häufiger sexuell belästigt oder missbraucht als bisher angenommen – auch von erwachsenen Frauen.
Die Jungen sprechen jedoch seltener darüber und selbst Fachleute spielen die Erlebnisse der Jungen häufig herunter, meint die liberale Tageszeitung „Karjalainen“ aus Finnland und verlangt einen ehrlicheren Umgang mit der Problematik:
“Im 21. Jahrhundert ist es höchste Zeit anzuerkennen, dass jeder das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und die Unberührbarkeit des eigenen Körpers hat, sowohl Männer und Jungen als auch Frauen und Mädchen. Auch die Täter müssen unabhängig vom Geschlecht mit dem gleichen Maß gemessen werden: Den Taten einer Frau darf nicht mehr Verständnis und Akzeptanz entgegengebracht werden als denen eines Mannes. Die Einstellungen ändern sich nur, wenn das Phänomen ans Tageslicht gebracht wird. Es ist Zeit für eine mutige Debatte.”
Situation in Deutschland
Laut polizeilicher Kriminalstatistik aus dem Jahre 2000 gab es beim sexuellen Missbrauch von Kindern 9038 Tatverdächtige in Deutschland. Die Zahl der von Frauen begangenen Angriffe erscheint darin ziemlich gering: Nur 2,3 Prozent der strafbaren Handlungen wurden von weiblichen Tätern verübt.
Doch diese Zahlen ergeben ein falsches Bild. Frauen sind öfter als bisher geglaubt Täterinnen. Gisela Braun von Arbeitsgemeinschaft „Kinder- und Jugendschutz, Landesstelle NRW e.V.“, brachte in der ZDF Sendung „Aktenzeichen xy“ vor, dass 10-15 Prozent der Sexualtäter weiblich sind.
In fast allen Fällen findet der sexuelle Missbrauch in der Familie statt. Die Täterin ist oft die eigene Mutter. Aber auch andere Familienmitglieder wie Tanten, ebenso wie Nachbarinnen, Babysitterinnen oder Kindergärtnerinnen kommen in Frage. Alle sozialen Schichten sind vertreten. In der Mehrzahl sind Mädchen die Opfer. Die Altersstruktur der missbrauchten Kinder reicht vom Kleinkind bis zum pubertierenden Jugendlichen.
Schon immer haben Frauen einen engeren Kontakt zu Kindern. Dadurch ist es schwer zu erkennen, wo liebevolle Pflege anfängt und sexueller Missbrauch enden. Dies gilt es klar voneinander zu unterscheiden. Schließlich geht es um Machtmissbrauch und letztlich um Gewalt.
Auch in anderen Länder, wie im Großbritannien ist das Thema nicht fremd. Polizei beobachtet eine zunehmende Zahl an von Frauen begangenen Missbrauchsfällen – jeder fünfte Sexualtäter im Königreich soll weiblich sein, die Dunkelziffer ist jedoch höher.
Die Briten standen 2009 unter Schock: In einem Gerichtsprozess hat eine Kindergärtnerin zugegeben, mehrere Kinder sexuell missbraucht zu haben. Die 29-Jährige soll laut Polizei Aufnahmen von den Missbrauchshandlungen mit einem Mann und einer Frau ausgetauscht haben. Die beiden soll sie über das Facebook kennengelernt haben.

Der sexuelle Missbrauch der Kinder wird in der Regle mit Gefängnis bestraft-
Forscher der Lucy Faithful Foundation (LFF), einer Kinderschutzorganisation, die sich mit Sexualtäterinnen auseinandersetzt, schätzen, dass bis zu 64.000 Frauen im Vereinigten Königreich Kinder sexuell missbrauchen. Rund jeder fünfte der in etwa 320.000 Pädophilen in Großbritannien sei demnach eine Frau.
Steve Lowe, Leiter der gerichtlichen Beratungsstelle Phoenix, die wegen Kindesmissbrauchs verurteilte Täter behandelt, sagte im Zusammenhang dieses Prozesses dem Zeitung „Observer“, die Anzahl an weiblichen Pädophilen sei zu lange versteckt worden: “Für eine Gesellschaft ist es schwierig, Frauen als Sexualtäter anzuerkennen. Aber jene von uns, die mit Pädophilen arbeiten, haben Belege dafür gesehen, dass Frauen dazu fähig sind, furchtbare Verbrechen an Kindern zu begehen – so schlimme wie Männer.”
Kinder lernen im Lauf ihrer Entwicklung die Welt kennen. Sie beobachten, fragen, probieren, “begreifen” mit unerschöpflicher Fantasie. Um leben und wachsen zu können, brauchen sie die Unterstützung der Erwachsenen, sie brauchen Liebe, Geborgenheit, Zärtlichkeit, Hilfe, Schutz und Sicherheit. Darauf sind Mädchen und Jungen angewiesen und darauf vertrauen sie.
Missbraucht ein Erwachsener ein Kind sexuell, so benutzt er die Liebe, die Abhängigkeit oder das Vertrauen für seine sexuellen Bedürfnisse und setzt sein Bedürfnis nach Unterwerfung, Macht oder Nähe mit Gewalt durch. Er gefährdet die Lebens- und Entwicklungsgrundlage und schädigt die Seele des Kindes.
Laut Zartbitter – “Die Nachricht – Infos für Jungen” – 1999 ist sexueller Missbrauch oder sexualisierte Gewalt, wenn ein Junge gegen seinen Willen am Penis oder am Po angefasst und vergewaltigt wird, wenn er zum Sex überredet wird, für Pornos fotografiert oder gefilmt wird, eine Person an den Geschlechtsteilen oder am Po anfassen muss oder zuschauen muss, wenn jemand onaniert, sich Pornos anschaut oder wenn Andere Sex haben.
Einige Bücher:
Alexander Markus Homes: „Von der Mutter missbraucht – Frauen und die sexuelle Lust am Kind“ (Verlag: Books on Demand, Norderstedt – ISBN 3-8334-1477-4)
Michele Elliott (Hrsg.): „Frauen als Täterinnen. Sexueller Missbrauch an Mädchen und Jungen“, Ruhnmark 1995
(ast)
Symbolfotos: Aino und Werner Siebert
Quelle: Baltische Rundschau Online 09.04.2011

Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt