Missbrauch im Kloster Ettal

Von Nicsbloghaus @_nbh

Screenshot Bayerischer Rundfunk

Gestern nah­men viele Medien die Veröffentlichung des Berichtes über die Misshandlungen und den sexu­el­len Missbrauch im Kloster Ettal zum Anlass, empört auf die Zustände zu rea­gie­ren. Doch einige von ihnen ver­su­chen tat­säch­lich, eine Art “Entschuldigung” für diese Zustände zu fin­den.

Bereits im April 2010 wurde bekannt, dass es im Kloster Ettal zu Misshandlungen und sexu­el­lem Missbrauch durch Geistliche gekom­men ist. Die Internatsschule des Klosters galt bis dahin – und zum Teil noch heute – als Ausbildungsstätte für die Elite. Sie hatte bis zur Veröffentlichung des ers­ten Berichtes einen tadel­lo­sen Ruf. Zumindest nach Außen hin. Denn die Zöglinge des Internates wer­den schon gewußt haben, was sich hin­ter den Mauern abspielte.

Nach Bekanntwerden des Skandals musste der Abt Barnabas Bögle zurück­tre­ten. Jedoch kehrte er nach sei­ner Rehabilitierung durch den Vatikan wie­der in sein Amt zurück. Das gilt ebenso für den Schulleiter Maurus Kraß. An 70 Opfer von jahr­zehn­te­lan­gem sexu­el­lem Missbrauch und Misshandlungen zahlte das Kloster Ettal Entschädigungen in Höhe von ins­ge­samt 700.000 Euro aus.

Das Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) hat sich nun im Auftrage des Klosters wis­sen­schaft­lich mit der Aufarbeitung des Missbrauchskandals befasst. In dem Bericht wurde fest­ge­stellt, dass die­ses System aus Unterdrückung, Gewalt und Missbrauch keine Einzelfälle waren – wie von der Kirche oft ent­schul­di­gend gegen­ge­hal­ten wird – son­dern System hat­ten. Ein über­aus grau­sa­mes System. Neben dem Missbrauch durch die “Erzieher” wurde auch eine Kultur der Gewalt der Schüler unter­ein­an­der geschürt und ange­regt: “Schüler muss­ten sich auf Befehl von Mönchen gegen­sei­tig schla­gen.”

Im Bericht des IPP heißt es, dass es Ziel war, “ein System der Unterdrückung auf­zu­bauen und zu bewah­ren, mit dem der Wille der Schüler gebro­chen wer­den und deren Anpassung an die vor­ge­ge­be­nen Regeln erreicht wer­den soll­ten”

Den Mönchen, die in der Internatsschule tätig waren, wird in dem Bericht wei­ter beschei­nigt: “Es fehlte eine reflek­tierte und pro­fes­sio­nelle Internatspädagogik, und es herrschte ein Normalitätsverständnis von Erziehung, das Körperstrafen als legi­ti­mes päd­ago­gi­sches Mittel ver­stand.”

Allein dass es diese Studie gibt und dass sie ver­öf­fent­licht wurde, hält Robert Köhler, sel­ber von 1974 bis 1983 Internatsschüler des Klosters und Gründer des “Vereins der Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer”, für einen gro­ßen Erfolg. Der Verein will errei­chen, dass das Benediktinerkloster die Taten in sei­nen Mauern wirk­lich aner­kennt. “Das ist ein Meilenstein von den Dingen, die wir gemein­sam mit dem Kloster erar­bei­tet haben”

Darüber – und über die Versuche, die Mönche zu ent­schul­di­gen, weil sie “über­for­dert waren” – kann man sicher­lich strei­ten. Was aber in dem gan­zen Skandal erstaun­li­cher­weise nicht in Frage gestellt wird, ist die gene­relle Frage nach der Notwendigkeit, ob Internate über­haupt durch Mönche gelei­tet wer­den soll­ten.

Wo mit Gewalt eine Elite geformt wer­den soll, muss es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu Misshandlungen und Missbrauch kom­men. Wenn die Mönche nicht ein­mal ansatz­weise etwas von Pädagogik gehört – geschweige denn: stu­diert – haben; woher soll dann das Wissen um rich­tige Erziehung kom­men? Wie anders als unter­drü­ckend kön­nen Männer han­deln, die selbst in einem hier­ar­chi­schem System auf­ge­wach­sen sind?

Das bestä­tigt auch ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung (die dem gesam­ten Skandal dan­kens­wert viel Aufmerksamkeit ent­ge­gen­brachte und mit kri­ti­schen Kommentaren nicht spart), in dem es heißt: “Hinzu sei gekom­men, so heißt es in der Studie, dass ‘in der katho­li­schen Welt eine reflek­tierte Auseinandersetzung mit der Sexualität durch viel­fäl­tige Tabus erschwert’ werde. In der Sozialisation der Mönche habe das Thema keine Rolle gespielt, ‘allen­falls wurde vor der Sexualität gewarnt’ oder sie wurde ‘der angst­be­stimm­ten Selbstkontrolle über­ant­wor­tet’.

Nic

siehe auch:
“Missbrauchsskandal: Studie spricht von sexu­el­len Über­grif­fen im Kloster Ettal” in der Tagesschau-Mediathek
sowie die Videos auf der Webseite des Bayerischen Rundfunks

[Erstveröffentlichung: hpd]