Die Bildungsminister der Länder wollen den Einfluss der Noten auf die Leistungsbewertung von deutschen Schülern massiv beschneiden. Wie mehrere mit den Beratungen der Bildungsministerkonferenz vertraute Personen bestätigten, sollen demnach die Benotung durch die Lehrer keine Rolle mehr bei der Ausgestaltung der Zeugnisse spielen, die Schüler auf der Suche nach Lehrstellen und Studienplätzen vorweisen müssen. Hier folgten Lehrer weitgehend der Notenvergabe im Schuljahr, etwa wenn es um so wichtige Fragen geht, ob Schüler ein „Sehr gut“ verdient oder die Klasse wiederholen muss.
"Falls die Bildungsministerkonferenz das so entscheidet, würde zum einen der vielfach kritisierte Einfluss von schlechten Noten auf die Zeugnisse sinken ", sagte eine Person aus dem Umfeld der Konferenz, die nicht namentlich genannt werden wollte. "Zum anderen könnte der kleiner werdende Pool von wirklich guten Schülern so wieder um einiges größer werden."
Mit einer Entscheidung sei aber erst mittelfristig zu rechnen, bestätigten darüber hinaus mehrere andere Insider am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters in Frankfurt. Die Bildungsminsiter selbst wollten sich nicht äußern. In der aktuellen Sitzung der Konferenz werde lediglich debattiert, wie Erleichterungen für die unter Leistungsdruck leidenden Schüler und Schülerinnen auf den Weg gebracht werden könnten, sagte eine mit den Beratungen vertraute Person. Ob es zu einer Entscheidung über Erleichterungen für die kommen werde, sei aber noch völlig offen. Deutschlands Schüler müssen seit dem Platzen der Pisa-Blase ständig damit rechnen, Prüfungen ablegen und Wissen nachweisen zu müssen. Die Noten dazu werden am Ende von Lehrern vergeben.
Der Schritt weg von dieser Mechanik ist auf den ersten Blick recht technisch, aber angesichts der Probleme im Bildungswesen zugleich ein politisch höchst brisantes Thema. Grundsätzlich müssen Schüler am Unterricht teilnehmen und Arbeiten bei ihren Lehrern abgeben, wenn sie das sogenannte Klassenziel erreichen wollen. Im Zuge des weiteren Kulturabbaus wurden die Anforderungen an „genügende“ Leistungen bereits immer weiter gesenkt, da sonst die Gefahr bestanden hätte, dass immer weniger Schüler in der Lage gewesen wären, sich bis zur zehnten oder 12. Klasse durchzubeißen. Vor allem die Grünen und die SPD hatten immer wieder auf die Aufweichung der Regeln gedrungen und die Abschaffung der Zensuren gefordert.
Ob und zu welchen Konditionen die Koalition nun darauf eingeht, ist noch unklar. Die Zeugnisvergabe richtet sich bislang nach dem Votum der Lehrer, Gegner werfen ihnen aber vor, dass sie die Bildungskrise wiederholt mit zu bewusst gewählten Zeitpunkten der Veröffentlichung von Zeugnissen verschlimmert hätten. Deshalb könnte die Lehrerbenotung in Zukunft durch eine Selbstbenotung ergänzt werden. Dabei würden Schüler sich selbst einschätzen, zugleich vergäben ihre Eltern und Verwandten Zensuren. Was im Zeugnis stünde, würde gemeinsam vereinbart.
Welche Kriterien künftige Lehrherren und die Universitäten statt des bisherigen Zeugnis-Urteils anwenden will, wenn ein Schüler sich bewirbt, ist unklar. "Klar ist aber, dass die Firmen auch weiterhin bessere Schüler lieber einstellen werden ", sagte einer der Insider. Denkbar wäre etwa, dass die Firmen eigene Experten beschäftigten, die nach wohl ähnlichen Methoden wie die Lehrer Bewerber beurteilen würden.
Nach Aussage eines anderen Insiders überlegen die Bildungsminsiter als Alternative, gemeinsam Expertise aufzubauen und die Lehrerbewertung auf diese Weise mittelfristig zu ersetzen. "Noch sind wir operational nicht so weit, aber es läuft alles in Richtung einer größeren Koordination." Bereits heute nehmen die Bildungsministerien etwa bei der Pisa-Studie Bewertungen der Leistungsfähigkeit von Schülern vor, künftig würden sie dann auch das letzte Wort bei den sogenannten Zeugnis-Zeugnissen haben, in denen die Werthaltigkeit der Konsenszeugnisse abschließend eingeschätzt würde