Minimalismus und die „normale“ Welt

Es gibt Tage, da fühle ich mich wie eine Alien. Gestrandet auf einem Planeten und in einer Gesellschaft, die so anders ist als ich.

Anfangs habe ich das gemacht, was alle anderen auch machen. Gewinnmaximierung um jeden Preis – nur um mir das leisten zu können, was der Markt an Konumgütern und Statusobjekten hergibt. Frei nach dem Motto: mein Haus, mein Auto, mein Boot.

Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem man erkennt, dass all dies nur Schein ist. Eine Realität die das Haben über das Sein stellt. Es kommt ein Prozess in Gang, der einen verändert. Heimlich, still und leise ändert man sein Leben und wird anders.

Anfangs fällt das anderen gar nicht auf. Auch wenn es dann später auffällt, ziehen Menschen, die einen kennen nur kurz die Stirn kraus. Wundern sich über den Satz, den man gerade gesagt oder über das, was man gerade getan hat. Hier ist alles noch nicht so schlimm. Aber wenn dann irgendwann der Groschen fällt, wird man oft nicht mehr für voll genommen.

Das Verstörende für viele Menschen ist sicherlich die Einstellung des Genughaben. In unserer Wirtschaftsform darf man nicht genug haben. Man muss immer weiter: das neueste, beste, tollste Produkt haben. Zumeist um anderen zeigen zu können, dass man es sich leisten kann. Erst wenn man sich was leisten kann, ist das leben etwas wert.

Unsere Wirtschaft braucht Konsum! Wir müssen unser verdientes Geld im Monat auf den Kopf hauen und am Besten für einfache Konsumgüter noch einen oder zwei oder drei Kredite aufnehmen. Erst dann ist man wirklich etwas Wert. So kurbelt man die Wirtschaft an.

Aber derjenige, der sich diesem ständigen Konsum verweigert, schädigt die Wirtschaft. Der Minimalist will nichts mehr – er hat ja genug. Das darf nicht sein, das ist gegen das System, es schädigt die Welt in der wir Leben. Wenn es zu viel von denen gibt, werden Firmen pleite gehen, Menschen entlassen und das System wird zusammenbrechen.

Hier stellt sich die Frage, ist der Minimalist nicht vielleicht sogar asozial?

Dies ist natürlich ein wenig überspitzt. Dennoch sieht man zur Zeit auch in Deutschland immer mehr Tendenzen, den Käufer über Umwege zum Konsum anzuregen.

Vor einiger Zeit las ich einen Artikel darüber, dass auch Privatpersonen in naher Zukunft einen Strafzins auf ihr Erspartes entrichten müssen. Diese Rücklagen seien totes Kapital, das außerhalb des Geldkreislaufes keinen Wert habe.

Versteckt umgesetzt wird das nun schon von vielen Banken mit neuen Gebührensätzen, die denjenigen schlechter stellen, der weniger ausgibt. Über Punktesysteme wird der Käufer dann auch noch dazu angeregt, in bestimmten Partnershops bargeldlos zu kaufen, um seine Bankgebühren zu reduzieren. Also zahlt man nicht nur bei Zinsen unterhalb der Inflationsrate für das Ersparte drauf. Sondern wird für die Verweigerung zu kaufen, noch zusätzlich gestraft.

Nur ein Beispiel, was zeigen soll, wie zusätzliches Geld in den Markt gepumpt werden soll, um ein Wachstum zu generieren. Klar ist, derjenige der nicht konsumiert und spart, wird schlechter gestellt.

Das ist so ein Ding mit dem Minimalismus! So richtig ernst genommen, wird man von denjenigen, die den Konsumweg weiterlaufen eigentlich nicht. Unverständnis, Abgrenzung, ja sogar Anfeindung ist möglich. Warum ist das so?

Ich denke, dass der Minimalismus die Grundwerte der kapitalistischen Gesellschaft angreift. Schon alleine die Einstellung des Genughabens ist in dieser Gesellschaft, die ständiges Wachstum auf Teufel komm raus predigt, ein Dorn im Auge.

Und doch sehe ich im Minimalismus einen Weg, den Focus auf die wirklich wichtigen Dinge zu bringen. Es geht hier nicht um kurzzeitige Befriedigung durch bestimmte Konsumgüter. Es geht um den Kern, den Grund des Lebens schlechthin.

Meine Achtsamkeit wird so mehr auf das Leben selbst gerichtet. Das Leben braucht keine Nobelkarosse, keine hunderte DVDs, CDs oder Blurays, keine Villa und kein dickes Gehaltskonto. Viel wichtige wird hier, wie ich mich fühle, meine Beziehung zu meinen Mitmenschen, Freunden und der Familie.

Wenn die Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung und eine Dach über den Kopf, gestillt sind, kann man versuchen für sich die Welt besser zu machen. Vielleicht kann das überschüssige verdiente Geld Menschen im meinem Umfeld helfen, aus einer Krise zu gelangen. Vielleicht kann ich selbst Arbeitszeit reduzieren und so mehr Zeit für mich und die Ideen bekommen, die mich weiterbringen können. Vielleicht steige ich auch aus meinem jetzigen Job aus und entwickle etwas Neues.


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